Zulässige Beschimpfungen gegen Künast: Das Urteil ist skandalös
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Renate Künast (links) im Bundestag, im Gespräch mit einem Fraktionskollegen.
© Quelle: imago images / Metodi Popow
Berlin. Von der heutigen Erregungsgesellschaft ist auch die Justiz nicht ausgenommen. Da ist dann schnell mal von „Skandalurteilen“ die Rede – oft zu Unrecht und ohne tiefere Kenntnis der Sache. Mit Blick auf die jüngste Entscheidung des Berliner Landgerichts gegen die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast ist diese Vokabel allerdings tatsächlich gerechtfertigt. Das Urteil ist skandalös.
Bei Hate Speech im Netz hat es sich ja eingebürgert, dass Gerichte einen relativ weiten Spielraum geben, wenn es um einen Streit in der Sache geht. Enger werden die Grenzen hingegen bei anlassloser Beleidigung gezogen. Dies mag als allgemeine Leitlinie akzeptabel sein. Im aktuellen Fall wird sie jedoch ad absurdum geführt.
Ausgangspunkt ist 33 Jahre alt
Die Vokabel „Drecksfotze“ ist auch dann nicht mehr „haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch Hinnehmbaren“, wie das Gericht meint, wenn es um Sex im Allgemeinen und Pädophilie im Besonderen geht. Das gilt erst recht für Äußerungen wie „Knatter sie doch mal so richtig durch, bis sie wieder normal wird“ oder die Forderung, Künast als „Sondermüll“ zu entsorgen.
Derlei Posts sind fast schon offene Aufrufe zur Gewalt und haben ebenso wenig „Sachbezug“ wie „Stück Scheiße“, „Schlampe“ sowie „Geisteskranke“. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Ausgangspunkt des Streits missverständliche Einlassungen Künasts in Sachen Pädophilie sind – zumal diese 33 Jahre zurückliegen.
Unfassbar ist das Urteil des Berliner Landgerichts schließlich, weil zuletzt politisch wie rechtlich vielerlei versucht wurde, um Hate Speech einzudämmen. Das Parlament hat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet. Länder haben Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet, um Urhebern auf die Spur zu kommen. Das alles kann man sich wirklich schenken, wenn Strafverfolgung so endet.