Integrationsbedarf in Deutschland stark gestiegen – am höchsten in Großstädten
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Vor allem der Spracherwerb von Flüchtlingskindern ist eine wichtige Integrationsaufgabe (Symbolbild).
© Quelle: Frank Molter/dpa
Berlin. Der Bedarf an Integration von Zugewanderten hat in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen und ist regional sehr ungleich verteilt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorab vorliegt.
Demnach hatten noch 2011 nur 4,3 Prozent der unter Sechsjährigen keinen deutschen Pass, Ende 2021 waren es bundesweit 14,2 Prozent. Der Anteil von Kindern ohne deutsche Staatsangehörigkeit ist laut IW ein verlässlicher Indikator für erhöhten Integrationsbedarf.
Mehrheit ukrainischer Geflüchteter fühlt sich in Deutschland willkommen
Die Lebenszufriedenheit der Geflüchteten ist laut Studie allerdings relativ niedrig. Im Hinblick auf die Bleibeabsichten ergebe sich ein gemischtes Bild.
© Quelle: Reuters
Gemessen daran muss vor allem in den Großstädten mehr Integrationsarbeit geleistet werden sowie im Bundesländervergleich vor allem in Nordrhein-Westfalen. Unter den Städten und Gemeinden besteht der größte Integrationsbedarf laut der IW-Studie im hessischen Offenbach (29,9 Prozent Kinder ohne deutschen Pass), gefolgt von Bremerhaven (28,1 Prozent), dem bayerischen Hof (27,2) sowie Pforzheim in Baden-Württemberg (27,1) und Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen (26,8).
Die bundesweite Verteilung von frisch Zugewanderten ist dabei sehr ungleich. „Insgesamt ist eine starke Konzentration auf die größeren Städte und insbesondere das Rhein-Main- und Ruhrgebiet zu verzeichnen, wohingegen die Anteile in den ländlichen Gebieten im Osten häufig sehr niedrig sind“, heißt es in der Studie. So liegt im Ländervergleich der Anteil von Kindern ohne deutsche Staatsbürgerschaft am höchsten in Bremen mit 23,6 Prozent und am niedrigsten in Mecklenburg-Vorpommern bei 6,6 Prozent.
Mehr Zuwanderung von Kindern
Anders als bei Erwachsenen sage die Staatsangehörigkeit von Kindern viel über den Stand ihrer Integration aus, schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne, IW-Ökonom für Familienpolitik und Migrationsfragen. Denn seit dem Jahr 2000 erhalten alle in Deutschland zur Welt gekommenen Kinder mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn sich mindestens ein Elternteil seit mindestens acht Jahren im Land aufhält und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Insofern haben nur noch Kinder, die selbst zugewandert sind oder deren Eltern erst kurz vor ihrer Geburt ins Land gekommen sind, keinen deutschen Pass.
Beide Gruppen sind in den letzten Jahren gewachsen, wie aus der IW-Studie hervorgeht: Hatten Ende 2011 noch 4,3 Prozent der unter Sechsjährigen keine deutsche Staatsangehörigkeit, war der Anteil Ende 2021 mit 14,2 Prozent mehr als dreimal so hoch. Durch die Geflüchteten aus der Ukraine seien die Zahlen weiter gestiegen, so das IW.
Das Institut der deutschen Wirtschaft ruft deshalb Bund und Länder auf, die besonders betroffenen Kommunen stärker zu unterstützen. Nötig sei mehr finanzielle Hilfe für Betreuungseinrichtungen, Schulen und Familienangebote wie Freizeiteinrichtungen für Kinder oder Sprachkurse für Eltern.
Alternativ sei auch denkbar, dass Städte mit besonderem Integrationsbedarf gezielt unterstützt werden. „In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass auch ärmere Städte und Gemeinden mit hohen Anteilen an Kindern mit besonderem Integrationsbedarf geeignete Förderangebote machen können“, so das IW. Integrationsperspektiven dürften nicht „letzten Endes vom konkreten Wohnort in Deutschland abhängen“.
Fehlender Einfluss auf Bundes- und Landespolitik
Das IW verweist zudem darauf, dass die Zugewanderten ohne Einbürgerung auch mit Erreichen der Volljährigkeit nicht wahlberechtigt sind, wodurch Städte und Gemeinden mit hohem Anteil ausländischer Staatsbürger im Vergleich zu ihrer Bevölkerungsgröße zu wenig Mitsprache bei Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene haben. So zeichne sich angesichts der geringen Einbürgerungszahlen ab, dass in einigen Städten oder Ballungsgebieten „mehr als ein Viertel der nachwachsenden Generation nicht wahlberechtigt ist“.
Das Institut empfiehlt daher, die Mindestaufenthaltsdauer der Eltern zu reduzieren, die derzeit nötig ist, damit ihre in Deutschland geborenen Kinder eingebürgert werden. Zudem sollten Personen, die ihre Kindheit vollständig oder weitgehend in Deutschland verbracht haben, leichter den deutschen Pass bekommen.