Freiheit und Cannelloni: Das ist der linke Politrapper Pablo Hasél
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Rapper Pablo Hasél.
© Quelle: picture alliance/AP Photo
Der am Dienstag in seiner spanischen Heimatstadt Lleida festgenommene Pablo Hasél ist ein politischer Rapper. Der 33-Jährige aus der im Westen Kataloniens gelegenen Stadt wird in deren Wikipedia-Text wohl bewusst nicht zu den dortigen „großen Persönlichkeiten“ gezählt. Er hat in der spanischen Rapszene den Ruf eines ultralinken Dichters, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Viele seiner mehr als 100 Gedichte und Lieder sind angriffslustig, auf Provokation aus. Mehrere Bücher und Gedichtsammlungen von Hasél wurden veröffentlicht.
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1988 als Pablo Rivadulla Duró geboren, hat Hasél seinen Bühnennamen von einer Gestalt aus einer Sammlung arabischer Kurzgeschichten, die er als Jugendlicher las und an dessen vollständigen Namen er sich nicht mehr erinnere, wie er sagt. Ungefähr sei die Geschichte der Figur so gegangen: Hasél lebte im Wald, schaffte das Königtum ab. Bevor er rappte, wurde Pablo Hasél im seit 1922 nach Unabhängigkeit von Spanien strebenden Katalonien als Dichter bekannt. Seine Poesie verstand er schon früh als „revolutionäre Kunst“ – gerichtet gegen ein staatliches System, dass er als oppressiv empfand.
Sein Privatleben behandelt Hasél mit äußerster Zurückhaltung. Über seinen Vater gibt er in den sozialen Medien kein einziges Statement ab, über seine Mutter gibt es nur eine Erwähnung von 2015 – sie mache „die besten Kroketten der Welt“. Es gibt auch Bilder in Haséls Instagram-Profil, die ihn mit einer jungen Frau zeigen. Doch wird nie ein Name genannt und immer ist ihr Gesicht abgewandt. Die zugehörigen Zeilen sind melancholisch: „Eines Tages werde ich es leid sein, zu vermissen / ungebremst vor unseren Erinnerungen davonzulaufen / obwohl das Gestern jedes Mal schmerzt, wenn ich dich nenne / erneut werde ich in den Trümmern wiedergeboren.“
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In den Nullerjahren lebte der politische Rap in Spanien auf
Schon sein erstes Demo in der spanischen Underground-Hip-Hop-Szene hatte politische Dimensionen. „Esto no es el paraíso“ (Dies ist nicht das Paradies) beschäftigte sich mit der Klassengesellschaft und der Unzulänglichkeit des Lebens in Spanien. Zeitgleich erschienen andere Gruppen wie Mentenguerra, La Tecnika oder Arma X auf dem Plan, mit denen der (linke) politische Rap in Spanien auflebte.
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2011 widmete Hasél dann seinen Rap „Democrazia, su puta madre!“ (Demokratie, ihr Scheißkerle!) Manuel Pérez Martínez, dem inhaftierten ehemaligen Generalsekretär der verbotenen Partido Comunista de España Reconstituido, einer Absplitterung der spanischen Kommunistischen Partei. „Repression existiert, das ist keine Science-Fiction“, hob sein Text an, der soziale Klüfte in Spanien schilderte, die gespaltene politische Linke kritisierte und überdies die politische Rechte, das Königshaus, die Polizei und das Bildungssystem als zur „Erschaffung von Egoisten“ dachte.
„Ich wäre lieber ein Ausgestoßener, als ein Leben des Wegduckens zu führen“, schoss Hasél in dem Stück gegen die Linke, nannte sich einen „Rapper mit Gewissen“: „Du wirst mir zuhören, und du magst mich nicht, den ich werde dich f***“. Mit dem Song begann seine Auseinandersetzung mit „dem System“.
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Im Youtube-Kanal „Semando Is Against Oppression“ sagte Hasél in einem Gespräch, dass es Rap war, in dem er die Kraft gefunden habe, sich auszudrücken. Am 4. Oktober 2011 wurde er dann erstmals festgenommen, hatte er doch in dem Song auch „Freiheit für Martínez“ gefordert, der als Mitglied der „Gruppen des antifaschistischen Widerstands des 1. Oktober“ (Grapo) zu 17 Jahren Haft verurteilt worden war. Schon damals gab es einen Sturm der Entrüstung in den sozialen Netzwerken. Tags darauf wurde er gegen Kaution entlassen (mit der Auflage alle zwei Wochen vor Gericht zu erscheinen).
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Immer wieder eckte Hasél in der Folge an, unter anderem mit seinem Einsatz für politische Gefangene. Er würde Terrorismus gutheißen und fördern, wurde ihm vorgehalten. Sein Album von 2011 hieß „Un café con Gudrun Ensslin“ und zeigte die RAF-Terroristin auf dem Cover.
Im Mai 2014 griff Hasél in seiner Heimatstadt am Sankt-Georgs-Tag den Stand eines rechtslastigen Kulturvereins an. 2016 beleidigte er einen Reporter des in Katalonien marktführenden Fernsehsenders TV 3 (bekannt für seine propagandaartige Befürwortung der katalanischen Unabhängigkeit) und besprühte ihn mit einer Reinigungsflüssigkeit.
Ein Rapper „gegen die Autorität des Staates“
Im März 2018 wurde Hasél zu neun Monaten (andere Quellen sprechen von zwei Jahren und einem Tag) sowie zu 24.300 Euro Geldstrafe verurteilt. Er habe in dem Song „Juan Carlos el Bobón“ und auf Twitter Majestätsbeleidigung begangen. In dem Urteil wurde sein Werk als Dichter und Rapper als „Taten“ bewertet, die sich „gegen die Autorität des Staates in ihren vielfältigen Formen“ richteten, und diese als Ganzes verunglimpft und verächtlich macht.“ Hasél sage, es sei nötig, „gewaltsam“ gegen den Staat vorzugehen, sogar „terroristisch“. Die inhaftierten Mitglieder des spanischen Terrorismus würden von Hasél als „Maßstab für Nachahmung“ betrachtet.
Der Haftantritt wurde nicht forciert. Am 28. April 2019 wurde Hasél für 17 Stunden festgenommen, nachdem er an einer Veranstaltung teilgenommen hatte, auf der die Freilassung des Grapo-Gefangenen Paco Cela gefordert wurde. Am 28. Januar 2021 wurde Haséls Anwalt Diego Herchhoren dann mitgeteilt, der Künstler habe zehn Tage Zeit, seine Haft anzutreten. Am 16. Februar wurde er in der Universität von Lleida verhaftet. Waren schon bei seiner ersten Inhaftierung 2011 in Lleida Hunderte Jugendliche für ihn auf die Straße gegangen, waren es nun 1700 – allein in Barcelona.
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Zu Haséls Einflüssen zählen die kubanischen Liedermacher Silvio Rodríguez und Carlos Varela, aber auch der russische Futurist Wladimir Majakowski und der argentinische Revolutionär Ernesto Ché Guevara – wie er 2012 in einem Interview auflistete. „Ché hat geschossen“, schrieb Hasél. Und schoss mit radikalen Worten, in denen er spanische Gerichte mit Nazi-Gerichten verglich.
„Leonor wird den Schweiß richtiger Arbeit kennenlernen“
„Wir sind die Wut, die nach Revolution strebt und nicht nach Betäubung“, rappt er nun ganz aktuell in „Ni Felipe VI“ auch gegen das Königshaus unter dem Sohn von Juan Carlos. „Der Samen der Freiheit, den ich pflanze, wird wachsen“, heißt es in dem vor fünf Tagen bei Youtube hochgeladenen Song weiter, und „Leonor ...“ (Felipes älteste Tochter und Thronerbin) „... wird den Schweiß richtiger Arbeit kennenlernen“.
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Die Grenzen zwischen Statement und Appell verschwimmen in Haséls Lyrik und so sah man ihn als Bedrohung der staatlichen Sicherheit, wurde er ein Fall für das umstrittene Maulkorbgesetz, das der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy 2015 etabliert hatte (Ley mordazo) und mit dem auch das Versammlungs- und Demonstrationsrecht eingeschränkt wurde. Für Hasél (aber auch für die „New York Times“) ist das Gesetz ein Instrument, das an die Tage der Franco-Diktatur erinnert.
Es scheint aber auch einen anderen Hasél zu geben. Bilder seiner Kindheit hat er in die sozialen Netzwerke gestellt. Dazu Texte über Kindheit, den Schutz von Kindern, das Heranreifen und Erwachsenwerden. Der in seinen Raps gern aggressive Hasél („Rap erlaubte mir, die Worte auszuspucken“), zeigt sich da nachdenklich und melancholisch. Die Autorin Maria Palmero der Website „Vozpopuli“ hat unter seinen Leidenschaften Hunde, das Meer und – sein Lieblingsessen – Cannelloni ausgemacht.
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Haséls Hip-Hop-Produktion ist direkt und ohne nachträgliche Politur: „Ich nehme schnell auf und verbringe nicht den kompletten Tag damit, mich selbst zu retuschieren“, beschreibt Hasél seinen künstlerischen Prozess. Sein Werk teilt er – so erklärte er in einem Interview – in drei Liederarten auf: 1. Sozialkritische und systemverneinende Lieder, 2. Sentimentale persönliche Lieder und 3. Spottlieder. All seine Stücke hat er kostenfrei im Internet über bekannte, auf Rapmusik spezialisierte Websites wie hiphopdirecto.net oder hhgroups.com verbreitet. Auf einem selbstverwalteten Youtube-Account finden sich viele ansonsten unveröffentlichte Tracks von ihm.