Machen Sie Witze über Afrika?
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© Quelle: Foto: dpa
Hannover. Schon oft hat Carolin Kebekus Ärger für das bekommen, was sie auf der Bühne oder im TV von sich gibt. Aber irgendwie haben sie ihr am Ende alle wieder verziehen. Die Kölnerin hat aber auch eine ganz andere Seite: Sie engagiert sich für die Hilfsorganisation ONE.
Frau Kebekus, als sozial engagierter Gutmensch sind Sie in Deutschland nie aufgefallen. Jetzt reisen Sie auf einmal in Afrika herum und werben für die Hilfsorganisation One. Warum Sambia und nicht Sachsen?
Keine Ahnung. Veronika Rodcke würde sagen: Vielleicht weil die Sonne da nicht so schön scheint?
Das passt zur Wohltäterin aus Langeweile, die Ihr „PussyTerror TV“ berühmt gemacht hat. Aber sind Sie wirklich so naiv nach Sambia gereist?
Ich bin tatsächlich total naiv hierher gekommen und habe gedacht: einfach wirken lassen. Offen sein. Ich bin zum ersten Mal in Afrika – Cluburlaub in Ägypten, das gilt ja nicht.
Und, wie ist es?
Super. Ich bin total begeistert, fasziniert, fühle mich total wohl hier.
Woran liegt’s?
Vielleicht daran, dass wir Menschen ja alle vom afrikanischen Kontinent kommen, vielleicht fühlt man deshalb so etwas wie eine genetische Zusammengehörigkeit.
Auf den Spuren Ihrer Vorfahren sind Sie ja wohl kaum unterwegs. Was bringt Sie also wirklich nach Afrika?
Ich bin eingeladen worden von One, einer internationalen Nichtregierungsorganisation, die gegen extreme Armut kämpft, vor allem südlich der Sahara. One hat eine Kampagne mit dem Titel „Armut ist sexistisch“ gestartet. Es geht um die Stärkung von Frauen- und Mädchen, da gibt es ja offensichtlich eine Schnittmenge mit meiner Arbeit auf der Bühne. Und es ist nun mal ein wichtiger Faktor für Hilfsorganisationen, über Prominente das Bewusstsein für Armut und Unrecht zu verbreiten.
Der Slogan „Armut ist sexistisch“ klingt gut. Ist er auch wahr?
Absolut. Mädchen und Frauen sind viel mehr betroffen von extremer Armut. Zum Beispiel in Sambia: Frauen haben ein deutlich größeres Risiko sich mit HIV zu infizieren als Männer – insbesondere solange sie jung sind. Von den mit HIV neu Infizierten zwischen 10 und 19 Jahren sind 70 Prozent Mädchen und junge Frauen. Bei der Bildung hinken sie hinterher: Es machen zwar genauso viele Mädchen wie Jungen ihren Grundschulabschluss – aber die wenigsten schließen eine weiterführende Schule ab. Viele werden schon als Teenager schwanger. Oder sie verpassen 20 Prozent des Schulunterrichts, weil sie schlicht ihre Menstruation haben, aber es keine Hygieneartikel und keine Sanitäranlagen gibt. An solche Zusammenhänge denken wir gar nicht in Europa. Und dann sind natürlich Gewalt und Unterdrückung an der Tagesordnung.
Was heißt natürlich? Weil wir über Afrika reden?
Nein, weil ich mich etwas dämlich ausgedrückt habe. Natürlich heißt: Es ist ein Aspekt, der groß ist für mich. Wir waren zum Beispiel in einem Rechtshilfezentrum. Gewalt gegen Frauen ist zentrales Thema. 18 000 Fälle von häuslicher Gewalt sind vergangenes Jahr angezeigt worden. Ich fragte nach der Dunkelziffer. Antwort: Das kann man gar nicht berechnen, weil viele Menschen in Strukturen leben, in denen es normal ist, dass Frauen geprügelt werden. Das war wieder so ein Moment, in dem ich mir sehr naiv vorkam. Man denkt, naja, wenn was passiert, geht man zur Polizei, nimmt sich einen Anwalt es gibt ja auch hier Gesetze, die das alles regeln – nur dass sich niemand einen Anwalt leisten kann und dass es für die gesamte Bevölkerung nur 1000 gibt. Wenn man das weiß, da sitzt man schon mal mit offenem Mund vor diesen Frauen, die sich extrem engagieren.
Vergeht da sogar Ihnen die Lust auf ein flapsige Bemerkung?
Ja, die vergeht einem ganz schnell. In einem Hospiz habe ich eine HIV-positive junge Frau, Connie, kennengelernt, die vor vier Jahren ein gesundes Kind zur Welt gebracht hat – weil der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkkulose und Malaria dafür gesorgt hat, dass sie mit Medikamenten versorgt wurde, die die Übertragung des Virus auf das Kind bei der Geburt verhindern. Das ist toll. Aber ihre ersten drei Kinder hat Connie an Aids verloren, weil es die Medikamente noch nicht gab. Eine andere junge Frau hat mir ihre unfassbare Leidensgeschichte erzählt: mit 11 in der Nachbarschaft vergewaltigt, mit HIV infziert, ausgeschlossen von der Familie, in der Schule diskriminiert, sie will unbedingt eine Ausbildung bei einem Cateringunternehmen machen, aber ihr wird gesagt, du darfst nichts anfassen. Da weiß man gar nicht, was man sagen soll.
Trotzdem haben Sie gesagt, Sie fühlten sich „total wohl“ in Sambia.
Das stimmt auch. Ich denke, es liegt an den jungen Frauen, auch den Mädchen, die wir hier kennengelernt haben. Die haben eine unfassbare Power, Leidenschaft, Energie inmitten der ganzen Gefahren, die sie umringen. Etwa jede 12. Frau ist HIV-positiv, Bildung, Ausbildung werden ihnen so schwer gemacht, und doch ist diese Kraft da, weiterzukämpfen. Diese Menschen muss man doch unterstützen – ob man nun Entwicklungshilfe finanziert oder, wie es die Bundesregierung stärker will, Geschäfte mit ihnen macht. Und tatsächlich ist vieles auch sehr lustig. Wir waren in einer Schule, da haben wir große Tafeln mitgebracht. Auf einer stand „Mädchen gehören in die Schule“, und wir sollten das auf Deutsch vorlesen, die Kinder haben das eifrig nachgeschrieben – und sich kaputt gelacht, wann immer einer von uns „Schule“ sagte. Das heißt nämlich Furz in ihrer Sprache, Bemba. Ich fand’s selbst wahnsinnig komisch.
Im Ernst: Ist das ein Milieu, aus dem Sie auch etwas mitnehmen für Ihre Arbeit?
Das kann durchaus sein, dass ich etwas davon auf die Bühne mitnehme, Situationen und Begegnungen dort verarbeite.
Dürfen Europäer eine Satire über Afrika machen? Sich lustig machen über das, was in einer Armenschule abläuft?
Lustig machen eher nicht. Humoristisch Missstände aufdecken – das darf man, muss man. Aber natürlich: Je heikler das Thema, desto besser muss der Witz sein. Wenn ich einen Witz über ein Hospiz machen müsste, ist das natürlich schwierig, aber wenn ich ein Anliegen habe, eine Haltung dazu, dann kann ich schon darüber sprechen, was ich hier für Erfahrungen gemacht habe.
Haben Sie Humor und Witz erlebt in Sambia, den Europäer verstehen?
Schön unter der Gürteillinie geht immer. Nein, wir haben schon sehr, sehr viel gelacht, ich hatte nicht das Gefühl, dass Ironie nicht ankommt, wir sind selbst auch kräftig veräppelt worden hier.
Haben Sie Kollegen getroffen?
Ja, die „Divas of Comedy“, die Göttinnen der Satire, eine Frauengruppe, die Stand-ups macht. Sie reden auf der Bühne über das Gleiche wie ich – über Männer, ihr Zuhause, ihre Beziehungsprobleme. Im Juni wollen sie eine reine Frauenshow für 1500 Leute machen. Es erinnert mich an Deutschland, da denkt man ja auch, es könnte mehr geben von solchen Weibern, die den Männern ordentlich Konkurrenz machen.
Und die Tonlage?
Unsere gemeinsame Sprache war sehr selbstverständlich. Frauen mit „funny bone“, wie wir sagen, mit Witz, gutem Timing, guten Geschichten, die wissen, was sie tun.
Haben Sie sich nicht als die andere gefühlt, die mit der weißen Haut?
Doch, schon, aber ich komme mir deshalb nicht fremd vor, das ist eben einfach so.
Nehmen Sie denn in Deutschland „Fremde“ mit dunkler Haut wahr?
Ich nehme sie auf jeden Fall wahr, wenn ich sie mal nicht sehe. Wenn ich in Städten bin, in denen keine oder nur ganz wenige Ausländer sind. Ich bin in einer Gegend in Köln aufgewachsen, in der unheimlich viele Ausländer sind, deshalb bin ich das gewohnt. In meinem Bild ist das so rum.
Zur Person: Carolin Kebekus
Ihre Shows sind böse, giftig, trotzig, laut – und fast immer sehr sehr lustig. Auch wenn sie weh tut. Der Strahlefrau Helene Fischer etwa mit einer gnadenlosen Parodie: „Ich habe Angst vor der! Die ist so perfekt! Ist das das neue Frauenbild? Dass man nur noch süß und perfekt ist?“ Oder der katholischen Kirche mit einem Rap, in dem sie als Nonne die Kutte vor Jesus lüftet am Kreuz lüftet: „Er ist eine Bank / Nur für ihn zieh’ ich blank.“
Nein, es ist nicht immer geschmackvoll, was Carolin Kebekus auf der Bühne oder im TV so von sich gibt. Und sie hat schon oft Ärger deswegen bekommen. Aber irgendwie haben sie ihr am Ende alle wieder verziehen. Es liegt gewiss nicht daran, dass sie um Verzeihung gebeten hat. Es ist dieser jungen Frau ziemlich egal, ob jemand sie mag oder nicht. Es liegt schon eher daran, dass sie authentisch ist. Und gut. „Ich mag mich selbst“, sagt sie, „und ich finde mich auch lustig.“
Carolin Kebekus ist Comedienne, Schauspielerin und Moderatorin und seit zehn Jahren eine Instanz Mit ihrem zweiten Bühnenprogramm „AlphaPussy“ ist sie deutschlandweit in den großen Hallen unterwegs. Die nächste Ausgabe ihrer WDR-Show „PussyTerror TV“ läuft am 22. Juni im Ersten. Die letzte Staffel ist soeben auf DVD erschienen.
Nun also „PussyTerrorTV“. Aus einer alten Industriehalle in Köln gibt‘s ab Sonnabend eine Mischung aus Stand-up, Einspielfilmen und Bühnenaktionen. Kebekus tritt in ihrer Paraderolle als Doreen auf, die auf dem Weg zu einer Castingshow in einem IS-Camp landet, sowie als enthirnter Fußballprofi „Mario Großreuss“, der sich zur Fußball-WM in Katar äußert.
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Neue Erfahrung Afrika: Carolin Kebekus mit der HIV-positiven Mutter Connie und ihrer Tochter.
© Quelle: Jonx Pillemer/ONEJonx Pillemer/ONE
Von Susanne Iden/RND