Ex-RB-Spieler Tom Geißler verwöhnt in Leipzig Kaffee-Feinschmecker
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MB4MYPR5WKNJLIFQVAL6W37BAA.jpg)
In Wien hat sich der ehemalige Fußball-Profi Tom Geißler zum Kaffee-Sommelier ausbilden lassen. Im „Franz Morish“, seinem eigenen Café in Leipzig, röstet er die Bohnen nun im Gastraum selbst.
Leipzig. Tom Geißler war Fußballer durch und durch. In seiner Karriere als Mittelfeldspieler und Verteidiger trat er unter anderem für RB Leipzig, Carl Zeiss Jena, den VfL Osnabrück und Mainz 05 gegen den Ball. Doch bei aller Aufregung im hektischen Profigeschäft ließ sich der gebürtige Oschatzer eine Leidenschaft nicht nehmen, die für guten Kaffee. „Egal, wo ich war, ich habe überall probiert. Aber ich wollte nicht nur wissen, wie der Kaffee schmeckt, sondern auch wo er herkommt und wie er hergestellt wird“, sagt der 34-Jährige. Über die Jahre sei dabei in ihm der Traum von einem eigenen Café mit Rösterei gewachsen.
Erneut macht Geißler ein Hobby zum Beruf
Seine Profilaufbahn beendete Geißler wegen diverser Verletzungen und wiederkehrender Rückenbeschwerden 2015 endgültig. „Ich musste einen immer größeren Aufwand betreiben, um fit zu sein, und trotzdem konnte ich wegen der Schmerzen häufig nicht spielen“, sagt Geißler. Auch wenn dabei in seiner Stimme Wehmut mitschwingt, brachte der Schlussstrich etwas Positives. Geißler hatte nun endlich die nötige Zeit, um zum zweiten Mal in seinem Leben eines seiner Hobbys zum Beruf zu machen. 2016 ließ er sich in Wien zum Kaffee-Sommelier ausbilden, lernte das Rösten von der Pike auf und eröffnete schließlich im Frühjahr dieses Jahres das „Franz Morish“ in der Leipziger Goldschmidtstraße. Der Name ist eine Eigenkreation: „Franz ist eine kleine Hommage an meine damalige Freundin, die mich sehr unterstützt hat. ,Morish’ stammt aus dem Englischen und lässt sich mit ,schmeckt nach mehr’ übersetzen“, erklärt Geißler.
Sein helles, über 200 Quadratmeter großes Café besticht durch hohe Decken, graue Sichtbeton-Wände und etwas Industriecharme. Wie bei großen Teilen der Einrichtung hat Geißler auch bei den langen Holzbänken und -tischen selbst Hand angelegt, geschliffen und die Lasur auf Kaffeesatz-Basis aufgetragen.
Im Mittelpunkt steht der Kaffee
Dort sitzen seit März seine Gäste, genießen verschiedene Tagesgerichte, Limonaden und Kuchen. Im Mittelpunkt steht jedoch der vom Chef höchstpersönlich hergestellte Kaffee, was nicht zuletzt der zentral im Gastraum platzierte Röster unterstreicht. Geißler meint es ernst mit seiner Leidenschaft: „Ich will bei jedem Produktionsschritt dabei sein – von der Bohne bis der Kaffee aus der Maschine läuft. Ich will das richtig machen“, sagt der Ex-Profi, der auch individuelle Röstungen und Schulungen für ambitionierte Kaffeetrinker anbietet.
Dinge, die man anfängt, richtig machen. Diese Einstellung hat Geißler auch auf dem Weg in den Profifußball zum Erfolg verholfen. Dabei schien zunächst alles anders zu kommen. Erst als er sich unter anderem beim Handball und beim Karate probiert hatte, wechselte er mit neun Jahren – für heutige Talente reichlich spät – zum Fußball und spielte zunächst beim FSV Oschatz. „Dort habe ich mit Horst Pechmann meinen ersten Förderer getroffen. Er war mit Leib und Seele Trainer“, erinnert sich Geißler. Noch heute haben die beiden Kontakt und aus seiner Dankbarkeit macht der Kaffee-Enthusiast keinen Hehl: „Er hat in mir diese innere Motivation geweckt, den Willen auch außerhalb des Trainings auf dem Bolzplatz zu stehen.“
Der Ex-Profi will es „richtig machen“
Schnell gehörte Geißler bei seinem Heimatverein zu den Besten, wurden größere Vereine auf ihn aufmerksam, darunter der VfB Leipzig. Mit 12 konnte das Talent dem Ruf des damaligen Zweitligisten nicht mehr widerstehen und wechselte aus Oschatz ans Sportinternat in der nahegelegenen Großstadt. Obwohl es einer der kürzest möglichen Wege zu einem Profiklub war, erlebte Geißler die ersten Monate als schwierig: „Die Entfernung war zu groß, um unter der Woche nach Hause zu fahren. Da hatte ich großes Heimweh und für meine Eltern war es sicher auch nicht leicht.“
Trotzdem blitzt es in seinen Augen, wenn er von dieser Zeit erzählt: „Ich möchte keinen Moment missen, vor allem weil ich unglaubliche Menschen aus den unterschiedlichsten Sportarten kenngelernt habe.“ Einer dieser besonderen Menschen ist Geißler seit 20 Jahren erhalten geblieben: Markus Saalbach. Die bis heute besten Freunde lernten sich 1996 kennen, teilten beim VfB ein Zimmer. Saalbach spielte später unter anderem für Lok Leipzig und den VFC Plauen. Obwohl sich die Karrieren unterschiedlich erfolgreich entwickelten, sollte die enge Verbindung halten.
Der beste Freund steht mit Rat und Tat zur Seite
Lange bevor Geißler seinen Traum vom eigenen Café verwirklichte, hat Saalbach Erfahrungen in der Gastronomie gesammelt, eröffnete er unter anderem das „Mondschein“, ein Dunkelrestaurant in Leipzig. Vom Wissen des Freundes profitiert heute auch das „Franz Morish“. „Markus steht mir mit Rat und Tat zu Seite“, sagt Geißler. Ohnehin gibt er sich bei dem Geleisteten sehr bescheiden, spricht gern von den vielen helfenden Händen, die ihm bei der Verwirklichung seines Traumes unterstützt haben. Auch seine Familie, die bis heute in Oschatz wohnt, greift ihm unter die Arme: „Das ist wirklich Wahnsinn. Meine Mutter sieht im Café Dinge, für die ich keine Zeit oder kein Auge habe. Da ist Fensterputzen nur eines von vielen Beispielen.“
Die Zeiten, in denen ihm als Profifußballer vieles abgenommen wurde, sind dennoch vorbei: „Das Leben als Chef ist auf jeden Fall stressiger. Ich muss vieles im Blick behalten. Von der Bohnenauswahl über die Bestellungen für die Küche und das Personal hin zur Abrechnung“, erzählt Geißler. Als Spieler habe er so manche Annehmlichkeit dankend genutzt, sagt Geißler. Der Wechsel in die Selbstständigkeit sei deshalb eine große Herausforderung gewesen, jedoch eine, der er sich gerne gestellt habe. Wer das „Franz Morish“ für die fixe Idee eines gelangweilten Ex-Profis hält, wird deshalb schnell eines Besseren belehrt, denn Geißler hat nicht nur finanziell einiges investiert. Im Café stecken Herzblut und Liebe zum Detail. Kompromisse macht der Jungunternehmer nicht. Der Kaffee läuft aus einer amerikanischen Maschine, die, so der Fachmann, „richtig krass“ ist und die es in Deutschland nur zwei, drei Mal gibt. Seine Bohnen bekommt Geißler von einem Händler aus Hamburg, die ersten Kontakte nach Costa Rica sind jedoch schon geknüpft. „Um noch näher dran zu sein“, wie Geißler erklärt.
Der Fußball spielt keine große Rolle mehr
Viel Zeit für Fußball bleibt da nicht mehr. Bis vor Kurzem spielte Geißler mit ein paar alten Freunden für den SSV Markranstädt. Doch das ist mittlerweile vorbei. Auch beim heimischen FSV war er schon seit einiger Zeit nicht. Geißler ist zwar noch regelmäßig in Oschatz zu Besuch, nimmt sich dann jedoch Zeit für seine Schwester und seine Eltern.
Sogar das Interesse für den Profi-Sport sei etwas verloren gegangen. „Ich beschäftige mich nicht mehr wirklich damit“, sagt Geißler. Seinem Ex-Verein RB Leipzig wünscht er dennoch viel Glück: „Ich hoffe, dass sie mit der Dreifachbelastung zurechtkommen, denn die Champions League ist eine ganz andere Nummer.“
Kritisch beurteilt Geißler die Entwicklungen rund um exorbitante Transfersummen und Wechselpossen wie bei Dortmunds Youngster Ousmane Dembele: „Das ist sehr schade. Ich verstehe, dass diese Spieler Träume haben. Aber sie haben auch einen Vertrag unterschrieben und sind noch sehr jung. Da müssen bessere Lösungen gefunden werden.“
Optimistischer Blick in die Zukunft
Geißler selbst lebt seinen Traum nun im „Franz Morish“ weiter, nicht nur, weil er der Leidenschaft für guten Kaffee frönen kann, sondern auch weil er nach vielen Jahren seinen festen Platz in Leipzig gefunden hat: „Ich habe mich in Osnabrück und Mainz auch wohlgefühlt, aber ich bin sehr heimatverbunden.“ Geißler ist sich sicher, dass sein Café, das mittlerweile sieben Mitarbeiter beschäftigt, in der Messestadt eine Zukunft hat. Sein Erfolgsrezept: „Häufig gibt es nur eine Rösterei oder nur ein Café. Wir haben beides. Das macht uns schon ein Stück weit einzigartig.“
Von Anton Zirk