Rotkäppchen holt sich das „Gaggaudebbchen“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IUZ2RAZFQSX2GK7WDADMIGVEAY.jpg)
Ronja Irmer (Mitte) begeisterte mit ihrer Darbietung von „Rotgaebbchen“ beim Nachwuchswettbewerb in sächsischer Mundart der Lene-Voigt-Gesellschaft.
© Quelle: Christian Modla
Leipzig. Das „Gaggaudebbchen“ geht in diesem Jahr nach Dresden! Ronja Irmer (11) aus der Landeshauptstadt gewann am Dienstagnachmittag den 20. Lene-Voigt-Nachwuchswettbewerb im Leipziger Kabarett „Sanftwut“. Als „gleenes niedliches Maedchen mit feierroter Samtgabbe“ trug sie nicht einfach nur Lene Voigts Märchen vom „Rotgaebbchen“ vor – sondern spielte jede Zeile mit enormem darstellerischen Talent. Dass sie ganz alleine auf der großen Bühne stand, dass der Saal vor ihr voll besetzt war und die Darbietung mehr als fünf Minuten lang, juckte die muntere Fünftklässlerin überhaupt nicht. Absolut textsicher und in köstlichem Sächsisch trug sie das lange Werk vor, sang und tanzte und hatte sichtlich Freude daran. Das gab nicht nur tosenden Beifall, sondern auch den ersten Platz im Nachwuchs-Mundart-Wettbewerb der Lene-Voigt-Gesellschaft. „Lange Gedichte zu lernen macht mir überhaupt keine Probleme“, erzählte Ronja. „In der ersten Klasse konnte ich schon den ,Zauberlehrling’, und in der zweiten den ,Osterspaziergang’“. Dass ihre Eltern ein Kindermusiktheater betreiben, mag ihre Lockerheit auf der Bühne begünstigen.
Gelernt ist gelernt
Auch einer von zwei zweiten Plätzen ging nach Dresden. Alejandro Verdugo Alonso (12), gebürtiger Dresdner, aber dem Pass nach Spanier und Sohn spanischer Eltern, begeisterte mit seinem Wehklagen „An Minnan“, das treulose Geschöpf. Die erstmals aus Dresden angereisten fünf Mädchen und Jungen waren super vorbereitet und mit passenden Kostümen ausstaffiert. Wenngleich der eine oder andere nur mit „Souffleuse“ über die Runden kam. Deutschlehrerin Katja Nadler-Reiche von der Friedrich-Schiller-Oberschule hatte ihre Schüler auf Lene Voigts Gedichte aufmerksam gemacht, drei Wochen mit ihnen geübt und sich schließlich mit ihnen in den Zug gesetzt. Gelernt ist freilich gelernt – ihre Mutter Karin Nadler hat einst das Gleiche gemacht, sie war Lehrerin in Delitzsch und viele Jahre mit ihren Schülern beim „Gaggaudebbchen“ am Start.
Kleinstes Töpfchen für den Jüngsten
Als jüngster Teilnehmer traute sich der erst vierjährige Tobias Hase aus Leipzig mit dem Gedicht "De Gogosbalme" auf die Bühne. Allerdings nur zusammen mit einem seiner Brüder, die beide ebenfalls im Wettbewerb starteten. Tobias, der in den Kindergarten geht, bekam riesigen Beifall, wie alle Teilnehmer am Ende eine Tüte mit Schokolade sowie Kakao und extra noch einen Sonderpreis – das kleinste Töpfchen. Klaus Petermann, Vorsitzender der Lene-Voigt-Gesellschaft, freute sich über das stattliche Teilnehmerfeld von 18 Bewerbern – im vergangenen Jahr waren es nur halb so viele. Zumal viele Eltern auch Wert darauf legen, dass ihr Kind sich um eine hochdeutsche Aussprache bemüht.
Fundstücke von Lene Voigt
In der Pause konnte Petermann dem Publikum eine Neuheit präsentieren: das Bändchen „De Babbierdande“ mit neuen Fundstücken aus der Feder von Lene Voigt. Aufgestöbert hat sie ein Hauptschullehrer aus Braunschweig, vor allem in der „Deutschen Zeitung Bohemia“, die bis 1938 in Prag erschien. Peter Hinke von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung hat das Bändchen mit 26 Texten verlegt – ein zweites Heft ist schon in Arbeit.
Von Kerstin Decker
LVZ