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Sommerurlaub mit Frustpotenzial

Erste Flughäfen kapitulieren: Wo sich schon jetzt Tausende Koffer stapeln

In ganz Europa, wie hier in London-Heathrow, kommt es zu chaotischen Szenen an Flughäfen.

In ganz Europa, wie hier in London-Heathrow, kommt es zu chaotischen Szenen an Flughäfen.

Lufthansa und Eurowings haben bereits angekündigt, mehr als 1000 Flüge im Sommer zu streichen, weil Personalnot herrscht. Doch nicht nur in Deutschland herrscht nach der Corona-Pandemie Personalknappheit, weil viele Menschen während der zweieinhalbjährigen Zwangspause in anderen Branchen untergekommen sind – alle Bereiche des Tourismus in vielen Ländern weltweit klagen.

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Die Flughäfen Amsterdam-Schiphol und London-Gatwick heben das nun auf ein neues Level: Es fehlt schon jetzt so viel Personal, dass absehbar ist, dass das Passagieraufkommen im Sommer nicht zu stemmen ist. Die Folge: Sie haben die Airlines aufgefordert, Flüge zu streichen.

Wegen Personalnot: Lufthansa streicht Hunderte Flüge

Die Nachfrage nach Flugreisen steigt nach zwei Jahren Corona-Pandemie sprunghaft. Lufthansa muss darauf nun mit Streichungen reagieren.

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Amsterdam lässt im Juli bis zu 30.000 Menschen täglich stehen

Normalerweise reisen zwischen 85.000 und 100.000 Passagierinnen und Passagiere täglich über den Flughafen Schiphol. Der Betreiber des Airports in Amsterdam teilte nun mit, dass man im Juli nur 67.500 und im August 72.500 Reisende befördern könne. Bis zu 30.000 Reisende können also nicht befördert werden – pro Tag! In einem Statement heißt es vom Flughafen, die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt mache die Entscheidung notwendig, vor allem gebe es zu wenig Sicherheitspersonal für notwendige Sicherheits­kontrollen. Betroffene Reisende sollen umbuchen können, entweder was das Datum oder aber den Abflugs- beziehungsweise Zielort angeht.

Am Londoner Flughafen Gatwick verhält es sich ähnlich. Wie der Betreiber am Freitag ankündigte, können statt der bis zu 900 Flügen täglich im Juli nur 825, im August 850 pro Tag abgewickelt werden. Ohne diese Entscheidung wäre der Frust bei vielen Passagierinnen und Passagieren noch größer gewesen, da sie mit langen Wartezeiten, Flugausfällen und schlechtem Service konfrontiert gewesen wären, heißt es vom Flughafenbetreiber.

Tausende Koffer stapeln sich im Terminal in London-Heathrow

Die Billigfluglinie Easyjet, die ebenfalls mit Unterbesetzung zu tun hat, hat bereits reagiert. Man werde zahlreiche Flüge von und nach Amsterdam und London-Gatwick streichen, ließ das Unternehmen verlauten. Easyjet wollte eigentlich im Sommer 97 Prozent der Kapazität aus dem Vorkrisensommer 2019 erreichen. Nun wurde die Erwartung angepasst und man hoffe auf 90 Prozent Kapazität, berichtet das „Handelsblatt“. Easyjet hatte bereits auf einigen Flügen Sitzplätze gesperrt, weil nicht genug Personal vorhanden war, um alle Reisenden zu versorgen.

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Kofferchaos in London nimmt absurdes Ausmaß an

Schon in den vergangenen Wochen war es immer wieder zu langen Wartezeiten gekommen, zahlreiche Menschen verpassten ihre Flüge, obwohl sie Stunden vor Abflug am Flughafen waren. Am Wochenende war das Chaos in London – allerdings am Flughafen Heathrow – perfekt: Weil es Probleme bei der Gepäck­abfertigung in Terminal 2 gab, stapelten sich Tausende Koffer im Terminal. Videoaufnahmen zeigen, wie Personal immer neue Koffer herankarrte und ganze Bereiche von Terminal 2 gesperrt wurden.

Heathrow, der größte Flughafen Großbritanniens, rief daraufhin Fluggesellschaften dazu auf, 10 Prozent ihrer Verbindungen für den heutigen Montag, 20. Juni, zu streichen. Nach wie vor bestehen demnach Probleme bei der Gepäckabwicklung, sowohl wegen technischer Ursachen als auch wegen Personalmangels. Rund 5000 Passagierinnen und Passagiere waren von den Streichungen betroffen.

Reisende müssen im Sommer mit Frust und Notfallplänen rechnen

Der Sommer 2022 sollte für den Tourismus das große Comeback werden. In vielen Ländern sind Einreisebeschränkungen gefallen, in den Urlaubsländern gelten vor Ort kaum mehr Restriktionen und die Menschen sind nach zweieinhalb Jahren Pandemie und Lockdowns reiselustig wie nie. Doch nun bremst ausgerechnet die Personalknappheit einen unbeschwerten Sommer aus. Weder bei Lufthansa noch an den Flughäfen in Amsterdam und London könne man die aktuelle Nachfrage befriedigen, heißt es.

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Flughäfen und Airlines empfehlen Reisenden in diesem Sommer daher, Notfallpläne zu schmieden. Das Risiko, einen gebuchten Flug trotz frühzeitiger Anreise zu verpassen oder ihn wegen eines Ausfalls nicht antreten zu können, sei deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Reiseexpertinnen und -experten raten zu einer Reiseversicherung und zu Notfallgeld, falls Reisende für einige Tage ungeplant im Ausland stranden.

Der Personalmangel in Zahlen

In Deutschland sieht es nicht besser aus. Hunderte Meter lange Schlangen vor den Check-in-Schaltern und den Sicherheitskontrollen sind an den Flughäfen keine Seltenheit. Mitunter müssen Passagiere dicht an dicht gedrängt stundenlang warten – um dann womöglich den Flieger zu verpassen. Etliche Airlines kündigten nun auch noch an, ihren Flugplan auszudünnen. Allein Lufthansa streicht im Juli 900 Flüge, Billigtochter Eurowings nimmt ebenfalls Hunderte Verbindungen aus dem Programm. Zehntausende Passagierinnen und Passagiere sind betroffen. Auch Easyjet streicht sein Sommerprogramm zusammen – bis Ende August sollen täglich zwölf Flüge von und zum BER ausfallen.

Besonders betroffen vom Personalmangel ist einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge der Bereich der Servicefachkräfte im Luftverkehr, also unter anderem der Flugbegleiterinnen und -begleiter. Hier sei die Zahl der Beschäftigten vom Vorkrisenzeitraum 2018/2019 zu den Jahren 2020/2021 trotz Kurzarbeit um 15 Prozent gesunken. Bei den sogenannten Fachkräften im technischen Luftverkehrsbetrieb, unter die etwa Flugzeugabfertigerinnen und -abfertiger fallen, ging die Zahl im gleichen Zeitrum um 12,9 Prozent zurück.

Besser sieht es bei den Pilotinnen und Piloten aus, hier sank die Zahl der Beschäftigten lediglich um 1,5 Prozent. Laut der Studie sind deren Kenntnisse kaum auf andere Arbeitsfelder zu übertragen. Fachkräfte in Kundenservice und Logistik hätten dagegen vergleichsweise gute Chancen gehabt, etwa im Zugverkehr oder im pandemiebedingt boomenden Online-Handel einen neuen Job zu finden.

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Auch Luftfrachtunternehmen suchen dringend Beschäftigte. „Es ist derzeit eine Riesenherausforderung, Personal zu finden“, sagte Jens Oechler, Geschäftsführer beim hessischen Logistik-Dienstleister Prime Air Cargo am Dienstag in Berlin. Ein Problem sei der lange Vorlauf: Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten manchmal zwei bis drei Monate geschult werden, um in sicherheitssensiblen Bereichen des Flughafens eingesetzt werden zu können.

Insbesondere für ausländische Bewerber seien die Hürden hoch: Sie müssten etwa Arbeits- und Wohnsitznachweise über einen langen Zeitraum vorweisen können, bevor sie anfangen dürften, kritisierte Oechler.

Die entstandenen Lücken sind nicht leicht zu füllen, wie die Studie zeigt: So gab es im April 2022 etwa deutschlandweit 888 offene Stellen für Servicefachkräfte im Luftverkehr, aber nur 846 passend qualifizierte Arbeitslose - daraus ergibt sich eine sogenannte Fachkräftelücke von 42 Personen. Im technischen Luftverkehrsbetrieb ist diese Lücke mit 633 sogar noch deutlich größer.

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