Ferienhausverband: Jeder zweite Privatvermieter bangt um seine Existenz
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Ein Urlaub im abgeschiedenen Ferienhaus – davon träumen während der Corona-Pandemie viele Urlauber. Doch der Lockdown bedroht die Existenzen vieler Unterkunftsanbieter.
© Quelle: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dp
Frau Schwefel, Bund und Länder wollen sich mit Öffnungen im Tourismus erst bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März beschäftigen. Ist das für den Osterurlaub nicht zu spät?
Das ist es in der Tat und wir halten diesen Nicht-Beschluss für einen Skandal. Weil die gesamte Tourismusbranche, nicht nur das Ferienhaussegment, am langen Arm verhungern gelassen wird, wenn es keinerlei Zukunfts- und Öffnungsperspektive gibt. Selbst wenn am 22. März tatsächlich eine Öffnung beschlossen werden würde: Ostern ist knapp zwei Wochen später und die Vermittler, Agenturen und Vermieter brauchen einen gewissen Vorlauf. Auch die Urlauber wollen ungern schon wieder auf gepackten Koffern sitzen, um dann vielleicht im letzten Moment zu erfahren: „Du kannst doch nicht verreisen.“ Die werden sich im Zweifel nach anderen Zielen umschauen.
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Michelle Schwefel, Geschäftsstellenleitung des Deutschen Ferienhausverbands.
© Quelle: Deutscher Ferienhausverband
Aus Thüringen kam diese Woche der Vorstoß, unter anderem Ferienwohnungen zu öffnen und damit eine klarere Perspektive zu bieten. Ein positives Signal?
Sehr sogar, genauso wie die Signale aus Schleswig-Holstein, über eine Öffnung zu Ostern nachzudenken. Ferienwohnungen befinden sich seit Anfang November im Lockdown, seitdem läuft bei den touristischen Übernachtungen gar nichts mehr. Das ist einfach eine sehr große Belastung für Agenturen und Vermittlungsportale, aber insbesondere auch für Privatvermieter, die keinerlei Hilfen erhalten. Die müssen an ihr Angespartes, an ihre Altersversorgung rangehen und haben gleichzeitig laufende Kosten, die auch nicht unerheblich sind. Ist eine Wohnung kreditfinanziert, läuft das ja beispielsweise weiter.
Laut einer Erhebung des DFV liegt der Anteil der Privatvermieter auf dem Ferienhausmarkt bei 70 Prozent – eine Besonderheit innerhalb der Tourismusbranche. Trifft sie auch die Krise besonders?
Das Problem bei den Privatvermietern: Sie haben kein Gewerbe angemeldet, sondern machen das als Vermögensverwaltung. Das schließt sie von vornherein von sämtlichen Corona-Hilfen aus, weil die immer an die Gewerblichkeit gebunden sind. Natürlich gibt es Vermieter, die das als Liebhaberei betreiben. Aber ein großer Anteil lebt davon, hat sein Ferienhaus als Altersvorsorge angeschafft, weil vielleicht die Rente eher klein ist, oder weil es einen bedeutenden Teil zum Familieneinkommen beitragen soll. Das treibt viele Privatvermieter in akute Existenznöte. Der Deutsche Ferienhausverband hat gemeinsam mit dem Anbieter Lohospo in der vergangenen Woche eine Umfrage bei Gastgebern gemacht: 50 Prozent der Befragten befürchten, dass sie ihre Existenz aufgeben müssen. Für diese Menschen wünschen wir uns, dass es endlich wieder losgeht.
Unter welchen Umständen wäre aus Ihrer Sicht eine Öffnung der Ferienwohnungen möglich?
Die Inzidenzwerte müssen es hergeben, das ist klar. Auch das Vorankommen der Impfkampagne spielt eine große Rolle – wo auch wir große Versäumnisse sehen. Gut wäre, wenn flächendeckend getestet würde und das für den Tourismus entsprechend zugelassen wird. Im Einzelhandel oder bei körpernahen Dienstleistungen hat die Politik in den Öffnungsschritten Wege aufgezeichnet, die Testprotokolle mit einbeziehen. Das ist sie dem Tourismus schuldig geblieben, obwohl es aus der Branche mannigfache Angebote gibt, Tests entsprechend zu implementieren und auch durchzuführen.
Die Betriebe haben seit dem ersten Lockdown funktionierende Hygienekonzepte. Obwohl es im Sommer 2020 in Deutschland doch teilweise sehr eng wurde, hat es danach keinen Anstieg der Infektionszahlen gegeben, weil die Urlauber und Gastgeber sich vernünftig und verantwortungsbewusst verhalten haben.
Wie konkret sehen die Schutzmaßnahmen in den Unterkünften aus?
Ferienhäuser haben grundsätzlich den Vorteil, dass sie – genau wie das Zuhause – eine abgeschlossene Wohneinheit bilden. Es gibt keine Foyers oder Frühstücksräume, wo Urlauber zwangsläufig auf andere treffen. Darüber hinaus haben wir vom Deutschen Ferienhausverband gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband einen Leitfaden mit Ratschlägen für Ferienhausvermieter auf den Weg gebracht. Darin sind Dinge wie die coronagerechte Reinigung und Ausstattung der Wohnung, die kontaktlose Schlüsselübergabe über Tresore, Luftreinigungsgeräte aufgeführt. Die Buchung erfolgt sowieso in der Regel online oder telefonisch. Im Idealfall haben Sie beim Urlaub im Ferienhaus sogar weniger Sozialkontakte als zu Hause, weil Sie einfach noch weniger Leute treffen.
Aber wäre es angesichts der dritten Welle nicht sicherer, die Unterkünfte geschlossen zu halten?
Aus meiner Sicht müssen wir lernen, mit der Pandemie zu leben und zu gucken: Was ist denn trotzdem möglich? Reisen gehört dazu, wenn man umsichtig handelt, sich an die AHA-Regeln hält, die besagte Teststrategie durchführt – und sollte deshalb auch zugelassen werden.
Also auch schon in der jetzigen Lage?
Ich bin keine Politikerin und vor allem keine Virologin. Wenn Fachleute sagen, wir müssen mit der Lockerung generell aufhören, dann sollten wir uns nicht in deren Kompetenz einmischen. In den aktuellen Öffnungsschritten werden Ferienwohnungen aber noch nicht einmal bei sinkenden Zahlen berücksichtigt. Nicht bei 50, nicht bei 35 – gar nicht. Das ist, was uns ärgert: dass man uns jede Perspektive verweigert.
2020 war das Interesse an Ferienwohnungen enorm. Setzt sich der Trend fort?
Wir gehen davon aus, dass auch in diesem Jahr der Ferienhausurlaub wieder sehr beliebt sein wird, genau wie der Urlaub im Inland – wenn man ihn denn zulässt. Aktuell sind die Buchungen aber noch eher zurückhaltend. Dafür gibt es einen einfachen Grund: die Verunsicherung der Menschen. Manche haben über ein Jahr auf ihren Urlaub gewartet und wissen immer noch nicht, was passiert, und wollen dann doch lieber ganz stornieren.
Und dann lassen sich auch noch Spitzenpolitiker zu Aussagen hinreißen wie: „Wir können keinen Sommerurlaub machen.“ Oder: „Eigentlich sollte man momentan noch gar nicht buchen.“ Wenn selbst jemand wie Peter Altmaier, der als Wirtschaftsminister auch für den Tourismus zuständig ist, solche Bemerkungen macht, können wir das einfach nicht nachvollziehen. Sobald so eine Äußerung kommt, gehen die Buchungszahlen runter.