Neustart nach drei Monaten Hotelschließung: „Regelchaos muss vermieden werden“

Ein Schild mit dem Schriftzug „Zimmer frei“ hängt in Binz auf Rügen vor einem Hotel.

Ein Schild mit dem Schriftzug „Zimmer frei“ hängt in Binz auf Rügen vor einem Hotel.

Hannover. Knapp 44.000 Hotels, Pensionen, Gasthöfe und andere Unterkünfte gibt es in Deutschland, doch in keiner dürfen Urlauber derzeit übernachten. Seit dem 2. November sind die Betriebe für Touristen geschlossen, es ist der zweite Stillstand in der Pandemie. Doch derzeit arbeiten Bund und Länder am Plan für den zweiten Corona-Exit. Ideen kommen auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland erklärt Geschäftsführerin Ingrid Hartges, wie der Neustart der Tourismusbranche aus ihrer Sicht aussehen muss – und warum die Diskussion um Vorteile für geimpfte Urlauber dabei keine Rolle spielen sollte.

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Ingrid Hartges ist die Geschäftsführerin des Dehoga Bundesverbandes.

Ingrid Hartges ist die Geschäftsführerin des Dehoga Bundesverbandes.

Frau Hartges, die Hotels in Deutschland sind seit drei Monaten für Urlauber geschlossen – seit dem 2. November gilt das touristische Übernachtungsverbot. Halten Sie diesen Schritt für den richtigen?

Die Hotels sind heute inklusive des Lockdowns im Frühjahr letzten Jahres insgesamt fünf Monate geschlossen. Dabei ist die Hotellerie nachweislich kein Herd und schon gar kein Treiber des Infektionsgeschehens. Beweggründe für den Lockdown am 2. November waren andere: Im Fokus standen die Minimierung von Kontakten und die Einschränkung der Mobilität. Unsere Betriebe sind quasi mit einem Berufsverbot belegt worden, damit Schulen und die übrige Wirtschaft geöffnet bleiben konnten. Deshalb war es konsequent und richtig, dass den Betrieben November- und Dezemberhilfen zugesagt worden. Diese müssen jetzt schnell an alle betroffenen Unternehmen ausgezahlt werden. So haben einzelne Gerichte auch bestätigt, dass die Schließungen mit Blick auf die zugesagten Hilfen rechtskonform sind.

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Wie geht es der Branche nach einem Jahr Corona und dem erneuten Lockdown?

Angesichts ausbleibender Hilfen und fehlender konkreter Öffnungsperspektiven machen sich in der Branche Verzweiflung und Existenzängste breit. Nach dem Corona-Jahr 2020 sind die Konten leer bei weiterhin hohen Kosten. Von den am 28. Oktober zugesagten Novemberhilfen warten immer noch viele Betriebe auf die volle Auszahlung. Die ebenfalls angekündigten Dezemberhilfen stehen auch noch aus. Größere Unternehmen können die Unterstützungsleistungen erst Ende Februar beantragen. Die Überbrückungshilfe III, die für die Monate Januar bis Juni als Hilfsprogramm zur Verfügung steht, kann ebenso noch nicht beantragt werden. Wann die Auszahlung erfolgt, ist auch noch völlig offen. Diese Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand.

Wie viele Verluste haben die Beherbergungsbetriebe in Deutschland 2020 eingefahren?

Nach zehn Wachstumsjahren in Folge sind die Umsatzzahlen 2020 dramatisch eingebrochen. Von März bis Dezember 2020 hat die Hotellerie 15,3 Milliarden Euro und damit die Hälfte ihres Umsatzes verloren. Der Lockdown im Frühjahr brachte den Inlandstourismus zum Erliegen und hat riesige Löcher in die Bilanzen der Gastgeber gerissen. Auch nach der Wiedereröffnung der Betriebe Mitte beziehungsweise Ende Mai lief das Geschäft aufgrund von Abstandsgeboten, Kapazitätsbegrenzungen und Reisebeschränkungen nur gebremst. Die massiven Einbrüche bei den Übernachtungen und Umsätzen ließen sich auch nicht durch eine mancherorts gute Sommersaison kompensieren. Die Lage der Stadthotels ist dramatischer, da Messen, Kongresse und Konzerte nicht stattfinden und in den Sommermonaten auch Touristen aus dem Ausland ausgeblieben sind. Die wenigen Übernachtungen von Geschäftsreisenden decken nicht die Kosten des Offenhaltens.

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Konkrete Zahlen liegen uns noch nicht vor. Einzelne Insolvenzen sind bekannt. Das hängt auch mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende April zusammen. Laut unserer jüngsten Dehoga-Umfrage bangen 75,5 Prozent der Gastronomen und Hoteliers um ihre Existenz. Jeder vierte Unternehmer zieht konkret die Betriebsaufgabe in Erwägung. Ohne schnelle und ausreichende Hilfen droht Zigtausenden Unternehmen das Aus.

Wann, glauben Sie, kann es wieder losgehen mit dem Urlaub in Deutschland?

Mit der Möglichkeit der Impfung wächst trotz aller aktuellen Herausforderungen die Zuversicht – bei Reisenden wie Gastgebern. Wann wir wieder Gäste ob aus dem Inland oder Ausland begrüßen dürfen, ist allerdings noch unklar. Ob das Mitte März, wie ich hoffe, der Fall sein wird oder später, hängt vom weiteren Verlauf des Infektionsgeschehens ab sowie insbesondere von der erfolgreichen Umsetzung der Impfstrategie. Eines ist sicher: Die Hotels sind bestens vorbereitet. Sie haben in strenge Hygiene- und Schutzkonzepte investiert. Der Trend zum Deutschlandurlaub und zum regionalen Tourismus wird sich weiter fortsetzen. Wichtig ist jetzt, dass die zugesagten Hilfen bei den notleidenden Unternehmen ankommen und die Betriebe den Winter überleben.

Bis Mitte Februar sollen Bund und Länder eine Öffnungsstrategie aus dem Lockdown erarbeiten. Arbeitet der Dehoga als Verband mit daran?

Wir begrüßen, dass in den Bundesländern Öffnungsstrategien diskutiert werden, insbesondere mit Blick auf die Fragen, wann und unter welchen Voraussetzungen Lockerungen für unsere Branche möglich sind. Zuständig sind dafür die Länder. Hinzu kommt auch, dass die Ausgangssituation hinsichtlich der Zahl der Infektionen und der Geimpften und damit der Sachstand in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich sind. Bei der Erarbeitung der Konzepte ist der Dehoga wie auch andere Verbände und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen eingebunden. Für die Akzeptanz aller Maßnahmen ist es enorm wichtig, dass sie nachvollziehbar, begründet und im Rechtssinne verhältnismäßig sind.

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Wie muss eine Exit-Strategie für den Bereich Tourismus denn konkret aussehen?

Notwendig sind Re-Start-Konzepte mit praxistauglichen und verständlichen Regeln für Gäste wie Gastgeber. Ein Regelungschaos wie im Frühjahr oder bei den Beherbergungsverboten im Herbst muss auf jeden Fall vermieden werden. Bundeseinheitlich sollten von der Politik die Voraussetzungen definiert werden, wann Hotellerie und Gastronomie wieder öffnen dürfen. Die Regeln, die für Reisende innerhalb Deutschlands gelten, sollten ebenfalls bundesweit einheitlich geregelt werden. Das erhöht die Akzeptanz.

Es wird inzwischen über Vorteile für Geimpfte diskutiert, einige Länder streichen bereits die Quarantänepflicht für Geimpfte und Genesene. Wie stehen Sie dazu?

Die Debatte ist verfrüht, da noch nicht alle, die sich impfen lassen wollen, dies auch können. Wann jüngeren Menschen unter 50 Jahren ein Impfangebot gemacht werden kann, ist derzeit noch völlig offen. Aufgrund dieser Sachlage ergibt es keinen Sinn, den Zugang zu unseren Betrieben auf Geimpfte zu beschränken, weil relevante Zielgruppen noch keine Impfung erhalten haben oder in absehbarer Zeit erhalten. Bis dahin sind zahlreiche Rechtsfragen zu klären. Dies betrifft die Frage, ob Unternehmer jüngeren Menschen, die noch keine Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen, im Rahmen des Hausrechts den Zutritt verweigern dürften oder auch die Frage, ob der Gastwirt einen Anspruch auf Vorlage des Impfpasses hat. Es ist Aufgabe der Politik, für Klarheit zu sorgen. Wir erwarten rechtskonforme und praxistaugliche Lösungen. Denn generell und unabhängig von der Thematik einer Impfung gegen das Coronavirus gilt, dass gastgewerbliche Unternehmer frei sind in ihrer Entscheidung, wen sie bewirten und beherbergen wollen. Absolute Priorität hat jetzt aber erst einmal die erfolgreiche Umsetzung der Impfstrategie.

Wären Corona-Schnelltests für Hotelgäste eine Alternative?

Parallel zum konsequenten Vorantreiben der Impfungen muss auch eine intelligente Teststrategie greifen. Konkret geht es um die Frage, ob auch Hotels, so sie denn wollen, Schnelltests für Hotelgäste oder im Rahmen von Veranstaltungen einsetzen können.

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