Geldsorgen und Betrugsvorwürfe: BSG Chemie hat kriselnden Chemnitzer FC zu Gast
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Miro Jagatic (r.) hofft, dass sein Team die Dynamik des Saisonstarts gegen die kriselnde Elf von Christian Tiffert (li.) beibehalten kann.
© Quelle: Fotos: Sven Sonntag, Christian Modla Collage: LVZ
Leipzig. Als Miro Jagatic am Mittwochabend sein Auto in Richtung Leipzig steuert, liegen wieder einmal drei Tage intensive Fußballkunde beim Pro-Lizenz-Lehrgang des DFB hinter ihm. Inspirierend sei das gewesen, sagt der Coach der BSG Chemie und schiebt im kratzigen Sound seiner Freisprechanlage hinterher: „Der wirklich stressige Teil ist vorbei, in dem man viel aufarbeiten muss. Wenn die Prüfungen anstehen, wird das vielleicht nochmal anders.“
Ende des Jahres ist es soweit, dann will Jagatic die höchste Trainerlizenz in Deutschland in der Hand halten. Bis dahin muss er immer wieder den Abstecher nach Frankfurt am Main machen, um dann rechtzeitig in der zweiten Wochenhälfte sein Team auf das anstehende Regionalliga-Match einzustimmen. Dort steht für die Leutzscher am Samstag (16:05 Uhr, der MDR überträgt live) das nächste Highlight an: der Chemnitzer FC kommt in den Alfred-Kunze-Sportpark.
Angespannte Gäste aus Chemnitz
Wie vor dem Hinspiel der vergangenen Saison, Chemie gewann damals 1:0, könnten die Vorzeichen bei beiden Teams kaum unterschiedlicher sein. Die BSG ist erneut gut in die Saison gestartet, Jagatic lobt vor allem den Zusammenhalt im Team. Nach fünf Spieltagen, sieben Punkten und Tabellenplatz zehn sei ein Zwischenfazit aber verfrüht. Die Himmelblauen holten hingegen am Dienstag gegen den SV Babelsberg erst ihr zweites Pünktchen der Saison, stehen mit einem Torverhältnis von 2:10 auf dem 16. Platz.
Tatsächlich hätte die Elf von Christian Tiffert im Chemnitzer Dauerregen gegen Babelsberg gewinnen müssen, nur die mangelhafte Chancenverwertung trennte den CFC vom ersten Dreier. Dementsprechend entgeistert zeigte sich der Trainer im triefenden Pullover nach dem Spiel. Wie weit sein Team hinter den eigenen Ansprüchen hinterher sei, wurde er am MDR-Mikrofon gefragt. „Ich nehme dann die nächste Frage“, antwortete Tiffert mit weit aufgerissenen Augen. Die himmelblaue Fußballglückseligkeit, sie ist wolkenverhangen.
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Die sportlichen Schwierigkeiten liegen auch in der desolaten Finanzlage des CFC begründet: 600.000 Euro fehlten am Ende der vergangenen Saison, Verträge mit wichtigen Leistungsträgern wurden nicht verlängert. Der gesamte Vorstand trat daraufhin im Juni zurück. Inzwischen wurden sogar Betrugsvorwürfe gegen Ex-Präsidentin Romy Polster laut, deren Firma das Catering beim CFC stellte.
Im Schatten der Missstände versucht Tiffert mit einem jungen Team den Umbruch. Erschwert wird das, weil mit Robert Zickert, Chris Löwe, Robert Berger und Leon Ampadu wichtige Leistungsträger verletzt ausfallen. Die Diagnose einer Krise bei den Chemnitzern will Jagatic lieber den Medien überlassen. „Das wäre ein Trugschluss“, sagt der 47-Jährige jedoch mit Verweis auf den frühen Saisonzeitpunkt. „Chemnitz hat enorme Qualitäten, deshalb kann ich nur den Finger heben und mahnen. Sie werden ihre Punkte holen. Unsere Aufgabe wird sein, dass das nicht gegen uns passiert.“
Vorkommnisse beim Sachsenpokalfinale 2022 im Hinterkopf
Fit genug sollten die Leipziger nach der Abwehrschlacht gegen Energie Cottbus dafür sein, glaubt man Innenverteidiger Paul Horschig. Seine müden Knochen habe der Torschütze seit dem 1:1 in der Lausitz wieder regeneriert. „Wir haben am Dienstag angefangen, uns auf Chemnitz vorzubereiten. Am Samstag wollen wir wieder das Beste rausholen“, sagt der 23-Jährige. „Aus dem vorherigen Spiel nehme ich mit: Wenn wir alles raushauen, hat es jeder Gegner gegen uns schwer und das müssen wir beibehalten.“
Diese Kontinuität fordert auch Jagatic ein: „Es wird darauf ankommen, die aktuelle Dynamik beizubehalten. Auch wenn die Beine im Herbst und Winter müder werden.“ Unterstützung von den Rängen des AKS ist da sicher nötig. Am Samstag werden beim grün-weißen Anhang wohl noch die Vorkommnisse vom Sachsenpokalfinale 2022 in Chemnitz in den Köpfen sein, als Ultras des CFC selbstermächtigt Einlasskontrollen durchführten und Leipziger Fans nach eigenen Aussagen bedroht wurden.
Eine besonders heiße Atmosphäre erwartet Jagatic derweil nicht. „Die Stimmung ist immer grandios bei uns.“ Na dann, der ganz normale Leutzscher Wahnsinn wartet schon.
LVZ