Von der Symbolfigur zum Feindbild: RB Leipzig, Eberl und das Wiedersehen mit Gladbach
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Max Eberl trifft mit RB Leipzig auf seinen Ex-Club Mönchengladbach.
© Quelle: Jan Woitas
Leipzig. Ein leichter Nachmittag dürfte es nicht werden für Max Eberl. Vor dem Wiedersehen mit Ex-Club Borussia Mönchengladbach steht der Geschäftsführer Sport von RB Leipzig im Rampenlicht – ohne dieses aktiv zu suchen. Dabei gäbe es viel zu bereden. Das Bundesliga-Spiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) wäre aber wohl eher ein Randthema, sportlich gesehen. Vielmehr ginge es um wohl Glaubwürdigkeit, Anfeindungen und Menschlichkeit.
Eberl holt sozusagen die Vergangenheit ein. In Gladbach war er 23 Jahre lang der Kämpfer gegen die Übermächtigen der Branche. Der Borussia, die lange Zeit außer Tradition und einem verklärten Blick in die Vergangenheit nicht viel zu bieten hatte, verhalf Eberl erst als nimmermüder Spieler und später als umtriebiger Manager zu einer kleinen Renaissance. Er war nicht weniger als eine Identifikationsfigur. Doch irgendwann lief nicht mehr alles rund. Dann kam der 28. Januar 2022. „Ich will einfach raus, ich will mit Fußball nichts zu tun haben. Ich will Max Eberl sein“, sagte Eberl – und ging.
Spiel der Kategorie „gelb“ – Keine Extra-Maßnahmen
Als wenige Monate später die ersten Gerüchte über ein Engagement in Leipzig aufkamen, schlug das Mitgefühl gegenüber dem heute 49-Jährigen vielerorts in tiefe Abneigung um. Daran hat sich bis heute wenig geändert, und so sieht sich sein Ex-Club vor dem Spiel in Leipzig dazu genötigt, die eigene Anhängerschaft zur Vernunft zu rufen. „Wir wollen niemandem das Recht zur Meinungsäußerung absprechen, aber wir erwarten, dass dies oberhalb der Gürtellinie stattfindet“, sagte Geschäftsführer Stephan Schippers.
Ihnen schwant offenbar Böses. Mindestens 4300 Fohlen-Fans werden in der Red Bull Arena erwartet. Ihrer allgemeinen Abneigung gegen das Konstrukt Rasenballsport machten sie bereits in der Vergangenheit regelmäßig Luft, beispielsweise durch Transparente. Nun kommt der Eberl-Wechsel quasi obendrauf. Bereits bei den Spielen in Köln und gegen Union Berlin waren äußerst unappetitliche Plakate gegen den RB-Geschäftsführer gezeigt worden. „Es tropft bei mir ab. Wen es mehr trifft: meine Eltern“, kommentierte Eberl eine Aktion. Trainer Marco Rose appellierte nach dem Duell mit den Eisernen, „diesen Hohlrollern“ nicht weiter eine Plattform zu geben, sie im besten Fall mit Nichtachtung zu strafen.
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Sportdirektor Max Eberl und Geschäftsführer Stephan Schippers (r.), Geschäftsführer auf der Jahreshauptversammlung von Borussia Mönchengladbach 2019.
© Quelle: Roland Weihrauch/dpa
Der Club orientiert sich an diesem Gedankengang, will die Stimmung nicht zusätzlich anheizen. RB hat nicht vor, die Gäste-Anhängerinnen und -Anhänger vor Betreten des Stadions gründlicher zu untersuchen. Das Spiel sei wie schon die anderen Partien gegen Gladbach in die Kategorie „gelb“ eingestuft, hieß es vorab. Entsprechend der Einstufung passt der Club bei jedem Heimspiel Dinge wie Personalaufwand und Taschenkontrollen an.
Grundlegender Meinungsumschwung bei Max Eberl
Was die Abneigung gegen Eberl befeuert, ist sein Meinungsumschwung. Stellte er 2016 noch fest, dass ihn bei RB „dieses Geschiebe von Spielern von Salzburg nach Leipzig“ störe und einen “faden Beigeschmack“ habe, so verpflichtete er bei seinem allerersten Transfer in Leipzig Nicolas Seiwald vom österreichischen Serienmeister. „Ich habe damals als Kontrahent was dazu gesagt“, erklärte Eberl in der vergangenen Woche darauf angesprochen und ergänzte: „Am langen Ende versuche ich einfach, die besten Spieler nach Leipzig zu bekommen - und wenn eben der beste Spieler für einen möglichen Ersatz von Konni Laimer in Salzburg spielt, dann werde ich mich da auch weiter umschauen.“
Wirtschaftlich und sportlich ist das nachvollziehbar. Eberls Glaubwürdigkeit bei den Fans hat es dennoch geschadet. Hinzu kommt, dass er bei seinem Abschied aus Gladbach betonte, er wolle „raus aus der Mühle“. Dass er in Leipzig nun auf einem Posten mit noch mehr Macht, Verantwortung und Erfolgsdruck sitzt als zuvor, bildet da ebenfalls einen scheinbaren Widerspruch.
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Luft nach oben bei RB Leipzig in Sachen Transfers
Am Spieltag gegen Gladbach ist Eberl 100 Tage als sportlicher Alleinherrscher bei RB im Amt. Wäre er Politiker, wäre die Schonfrist vorbei und der Zeitpunkt für eine Bilanz gekommen. Wie die aussehen könnte? Die Angestellten schwärmen vom Menschen Eberl, er vereint Offenheit und Kompetenz. Vom ersten Tag an sprach Eberl öffentlich von „Wir“, machte somit unmissverständlich klar, für wen sein Herz nun zumindest temporär schlägt.
Bisher ist er das von Ex-Boss Oliver Mintzlaff gewünschte Gesicht des Vereins, der sportliche Erfolg erleichterte diesen Teil der Arbeit natürlich. Eberl schuf sich ein Umfeld nach seinen Wünschen, das mit der jüngsten Verpflichtung seines Freundes Rouven Schröder als Sportdirektor komplettiert wurde.
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Wird RB Leipzig ab 1. April als Sportdirektor verstärken: Rouven Schröder.
© Quelle: Guido Kirchner/dpa
In Sachen Transfers ist Luft nach oben. Abgesehen von der Verpflichtung Seiwalds gelang es im Januar nicht, den von Trainer Rose oftmals als klein beschriebenen Kader aufzustocken. Eberl kassierte Absagen, unter anderem vom Liverpool FC für eine Rückholaktion von Naby Keita. Andere Optionen ließen sich ebenfalls nicht realisieren, auch aus finanziellen Gründen. Zur Wahrheit gehört auch. „Unser Kader funktioniert so, dass wir unsere Spieler ein Stück weit verschieben können, um Veränderungen in der Anpassung und in der Grundordnung vorzunehmen“, hatte Rose vor Schließen des Transferfensters gesagt und Optimismus verbreitet.
Die Ausfälle von Dani Olmo, Xaver Schlager und erneut Christopher Nkunku waren da so nicht absehbar. Dass alle drei fehlen ist schmerzhaft und kaum zu kompensieren. Die Tatsache, dass der Spanier inzwischen wieder auf dem Trainingsplatz steht, gibt immerhin Hoffnung. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Muskelfaserriss des Franzosen ebenfalls nicht das Saisonaus bedeutet.
Die Saisonziele dürften deswegen nicht in Gefahr geraten. Ein heißer Sommer steht RB in Sachen spielendem Personal dennoch bevor. Wie Eberl dann agieren will, wir er womöglich am Sonntag erklären. Dann ist der zu Gast im Sport1-Doppelpass.
Mit: Tom Bachmann
LVZ