Fifa verbietet WM-Shirt der Dänen: Der Weltverband hat seine „balls“ nur auf dem Platz
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7RZQO6E45RDQ7DHB4SBAS3YDEY.jpeg)
Hier war es erlaubt: Die DFB-Elf vor einem Spiel gegen Island.
© Quelle: Tobias Schwarz/AFP-Pool/dpa
Der Edelmut steht in ihren Statuten ganz vorn: „Die Fifa bekennt sich zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein.“ So der Wortlaut der dritten der Allgemeinen Bestimmungen im Reglement der „Fédération Internationale de Football Association“, des Weltfußballverbands, vom Juni 2019.
Dem Menschenrechtsaspekt vorangestellt sind eigentlich nur noch eine Bestimmung über „Name und Sitz“ des Vereins und eine über dessen „Zweck“. Und auch an dieser Stelle schon wird der „völkerverbindende, erzieherische, kulturelle und – humanitäre – Stellenwert des Fussballs“ betont. Fußball ist, wenn man der Platzierung dieser Bereiche in den Statuten einen Rang beimisst, sportlicher Humanismus.
Love, Peace & Ball? Von wegen!
Love, Peace & Ball. Und jetzt wollte das dänische WM-Team die eigene hehre Haltung und die offizielle Position seines Weltverbands per Textilien zum Ausdruck bringen und – freilich nur im Training – in Katar ein Trikot mit der Aufschrift „Human Rights for All“ (Menschenrechte für alle) tragen. Ordnungsgemäß wurde ein Antrag bei der Fifa gestellt. Die dieses Bekenntnis – und damit, das sei betont, ihr eigenes – ablehnt. Schon in der Vorwoche hatte der Verein die WM-Teams aufgefordert, sich „auf den Fußball zu konzentrieren“. Das Spiel solle nicht „in jede ideologische oder politische Schlacht“ gezogen werden.
Tatsächlich steht in Bestimmung 4, Absatz 2 der Fifa-Statuten, man sei „politisch und religiös neutral“. Aber natürlich machen die Dänen, die wegen der menschenrechtlichen Unzulänglichkeiten des Landes gegen den Austragungsort Katar waren und auch im Turnier mit einem sloganfreien schwarzen Trikot ihren Protest gegen das Gastland zum Ausdruck bringen wollten, zu Recht darauf aufmerksam, dass ein Eintreten für die Menschenrechte über aller Politik steht.
Die Menschenrechte stehen über aller Politik
Die Menschenrechte sind universell und nicht für Parteien oder Ideologen reserviert, sie sind auch nicht gesondert für die Menschen Katars anders definierbar. Sie sind ein Menschheitsziel, sie sollten Gegenstand guter Politik aller Parteien aller Länder sein, aber auch idealerweise das Agieren von Menschen überhaupt und Tag für Tag bestimmen. Auch das von Fußballern. Sie offensichtlich „für alle“ zu reklamieren und diese Forderung für alle Welt sichtbar zu machen, ist eine gute Tat der dänischen Nationalmannschaft und keinesfalls eine „politische Schlacht“.
Aber keiner will Katar dumm kommen, keiner will dem Gastland, dessen WM-Botschafter Khalid Salman Homosexualität erst jüngst ungeniert als „geistigen Schaden“ bezeichnet hat, ein PR-Problem bereiten. Um die Diskriminierung von LGTBQ+-Menschen in Katar, wo es noch die Todesstrafe gibt, wo Homosexualität verboten ist und Homosexuelle mit bis zu sieben Jahren Haft bedroht werden, nicht offen zu kritisieren, muss Deutschlands Torwart Manuel Neuer denn auch mit einer Herzchenarmbinde auflaufen statt mit dem Regenbogen der Pride-Flagge.
Eine große Chance für die Menschenrechte geht verloren
Das Herz wiederum ist angeblich eine Idee der Uefa, mit der man sich gegen jedwede – auch über Sexualität hinausreichende – Diskriminierung wenden will. Das aber mangels Bekanntheit zugleich nichts bedeutet, verpufft, und den Herren von Katar somit auch nicht sauer aufstoßen dürfte. Man könnte es auch einen faulen Kompromiss nennen.
Solange der Torjubel um die Welt schallt, wird die Unterdrückung in dem Land am Persischen Golf weitgehend pausieren, danach aber dürfte man schnell zum Missachten der Menschenrechte zurückkehren. Schon immer nahmen sich Diktatoren für die Dauer von Sportgroßereignissen in ihrem Reich etwas zurück mit der Verfolgung von Minderheiten – aus denselben Prestigegründen wie jetzt.
Das Stream-Team
Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Eine große Chance geht also verloren. Hätten die Funktionäre der Fifa ihre „balls“ nicht nur auf den Fußballplätzen der WM, würden sie sämtliche teilnehmenden Mannschaften auffordern, ihre Trikots während des Turniers mit Statements für die Einhaltung der Menschenrechte zu schmücken. Sie würden Kapitäne zu Regenbogenarmbinden ermutigen und wären stolz darauf, damit ihren Ansprüchen an ihren Sport, ihren niedergeschriebenen Werten gerecht zu werden.
Und anders: Würde die Fifa Menschenrechte tatsächlich als Politikum sehen, bezüglich derer man neutral sein müsste, würden sich ihre Bestimmung 3 und ihre Bestimmung 4 widersprechen.
Ausnahmen sind in den Fifa-Statuten durchaus möglich
Ein Zusatz zum politisch-ideologischen Neutralitätsabsatz der Fifa-Statuten lautet übrigens: „Ausnahmen sind in Belangen möglich, die mit dem statutarischen Zweck der Fifa zusammenhängen.“ Der statutarische Zweck nun – siehe Bestimmung 2 – ist unter anderem humanitär. Auch diese Möglichkeit, Position für die Menschenrechte zu beziehen, wird unterlaufen. Alles ist möglich – nichts wird getan.
Die Dänen bedauern die Position des Weltfußballverbands und fügen sich, um Geldstrafen und Sanktionen zu vermeiden. Vielleicht hätten sie ihren Spruch ja auf Dänisch durchbekommen.
Fußball ist jedenfalls, so will es scheinen, wohl doch nicht sportlicher, sondern nur gespielter Humanismus.