70 Jahre Tupperparty: Wie ein geniales Konzept noch heute den Direktvertrieb prägt

Der Direktvertrieb ist nach wie vor das Erfolgsrezept von Tupperware – hier in einer Wohnmobilanlage in Eustis (Florida).

Der Direktvertrieb ist nach wie vor das Erfolgsrezept von Tupperware – hier in einer Wohnmobilanlage in Eustis (Florida).

Eine Hand hält eine große Plastikschüssel im Diamantlook in die Kamera, im Hintergrund sind eine Küchenzeile aus hellem Holz und einige Spülutensilien zu erkennen. „Diamonds are a girls best friend”, sagt Sandra Lechner und lässt die Schüssel langsam sinken, „und somit herzlich willkommen bei unserer Whatsapp-Tupperparty!” Dann bewirbt die 40-Jährige die verschiedenen Bestandteile der sogenannten Diamantserie von Tupperware, ehe sie zu anderen neuen Produkten des Herstellers übergeht.

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Das Video ist Teil einer virtuellen Tupperparty. Sandra Lechner, eine fröhliche Frau aus einer mittelfränkischen Kleinstadt, ist eine von zahlreichen sogenannten Partymanagern und -managerinnen in Deutschland, die als Markenbotschafter für Tupperware Brands Corporation unterwegs sind. Wie viele es genau sind, lässt sich schwer sagen – leider stellt das Unternehmen auch auf wiederholte Nachfrage keinerlei Zahlen zur Verfügung. Jedoch warb es vor einigen Jahren damit, dass alle paar Sekunden irgendwo auf der Welt eine Tupperparty stattfindet.

Tupperware: Umsatz vor allem durch Direktvertrieb

Zwar hat Tupperware auch einen Onlineshop. Dennoch landet der Großteil der Produkte über den Direktvertrieb beim jeweiligen Endkunde – also durch die Tupperpartys. Ins Leben gerufen hat diese die Amerikanerin Brownie Wise. Um ihr Leben als geschiedene Frau und allein erziehende Mutter zu finanzieren, begann sie Ende der 1940er-Jahre, diverse Haushaltsgegenstände zu verkaufen, zunächst auch von der Firma Stanley Home Products. Nachdem sie nach Florida gezogen war, bot sie bei ihren Hauspartys auch Tupperware-Produkte an. Bald darauf wurde der Unternehmensgründer Earl Tupper auf sie aufmerksam, der zuvor vergeblich versucht hatte, seine Waren über den normalen Handel an die Frau zu bringen. Im Jahr 1951 ernannte Tupper Brownie Wise zur Vizepräsidentin seiner neu gegründeten Unternehmenssparte Tupperware Home Parties, woraufhin die erste offizielle Tupperparty stieg. Das war vor 70 Jahren.

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Partys als eine der erfolgreichsten Verkaufsstrategien

„Oft kopiert – nie erreicht”, lautet der erste Teil eines beliebten Tupperware-Werbespruchs. Was die Produkte angeht, ist die Aussage nur bedingt haltbar. In verschiedenen Qualitätstests lagen oft andere Frischhaltedosen vor denen von Tupperware, wobei Letztere oft auch um ein Vielfaches teurer sind als vergleichbare Dosen von Emsa, Ikea oder Aldi. Doch was die Verkaufsstrategie angeht, scheint der Werbespruch durchaus treffend. Denn kaum ein anderes Unternehmen hat es so sehr geschafft, das Partyprinzip in einen regelrechten Kult zu verwandeln. Dabei nutzen auch zahlreiche andere Unternehmen wie „Partylite”, „Pampered Chef”, „Stampin Up!” oder Vorwerk mit seinem Thermomix vermehrt die Verkaufsparty als Vertriebsweg, und das recht erfolgreich: Den Erhebungen des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland zufolge steigen die Gesamtumsätze in der deutschen Direktvertriebsbranche stetig an, zuletzt auf insgesamt 18,55 Milliarden Euro im Jahr 2019. Mehr als die Hälfte dieser Umsätze generieren die jeweiligen Unternehmen dabei durch Heimpräsentationen oder Onlinepartys.

Social Selling durch Tupper-Ladys

Das Konzept der Tupperparty ist bereits seit Jahrzehnten dasselbe: Wer sich für die Produkte interessiert, kann als Gastgeberin eine Partymanagerin sowie Freunde, Verwandte und Bekannte einladen. Die Partymanagerin bringt dann die jüngsten Produkte mit und stellt sie der Gastgeberin und ihren Gästen vor. Nach wie vor sind es wohl meist Frauen, die an den Tupperpartys teilnehmen oder sie veranstalten. Insbesondere aus den 1950er-Jahren gibt es zahlreiche Aufnahmen solcher „Tupperware Home Parties”, bei denen ein Dutzend Frauen mit hochgesteckten Haaren, Etuikleidern und auffälligem Schmuck um einen Tisch mit allerlei Schüsseln, Bechern und Dosen herumsitzt oder -steht, während eine weitere „Tupper-Lady” ihnen die Vorzüge dieses oder jenes Produkts nahebringt. Schaut man sich auf der Firmenwebseite um, hat sich daran im Grunde nicht viel geändert: In den Beschreibungsseiten für die eigene Tupperparty ist nur von Gastgeberinnen und Beraterinnen die Rede. Die dazugehörigen Bilder zeigen vor allem junge hübsche Frauen verschiedener Nationalitäten, selten steht auch einmal ein Mann dabei.

Tupperpartys: Selbstverwirklichung und Nebenverdienst

Damals war die klassische Rollenverteilung noch gängiger als heute, sprich: Während der Mann morgens mit dem Aktenkoffer das Haus verließ und abends zum Dinner wieder heimkehrte, verrichtete die Frau die unbezahlte Arbeit, indem sie sich häuslichen Tätigkeiten und der Kindererziehung widmete. Die Tupperpartys waren daher ideal insbesondere für Mütter, die sich auf diese Weise nebenher etwas dazuverdienen konnten – ein Hauch „American Dream” für die moderne Hausfrau von damals. Auch heute wirbt Tupperware mit flexiblen Arbeitszeiten, Selbstverwirklichung und Prämien für all jene, die besonders viele Produkte vertreiben.

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Virtuelle Partys während des Lockdowns

Auch bei Sandra Lechner hat das Nebengewerbe als Tupperware-Beraterin so angefangen. Sie kannte die Partys und Produkte noch von ihrer eigenen Mutter. Als ihr eigener Sohn dann ein Jahr alt war und die Familie das gerade fertig gebaute Haus bezogen hatte, wünschte sie sich schöne neue Produkte für die neue Küche. Den Ausschlag gab dann eine Tupperparty bei einer Freundin: „Zuerst war vielleicht ein bisschen Eigennutz dabei”, erzählt Sandra Lechner. „Ich fand es toll, so hochwertige Produkte etwas günstiger zu bekommen. Ich liebe es aber auch, zu backen, zu kochen, zu quatschen und neue Menschen kennenzulernen.” Darüber hinaus war es ihr wichtig, sich gerade in den ersten Jahren als Mutter ohne eigenes Einkommen etwas dazuzuverdienen und sich unabhängig vom Gehalt ihres Mannes etwas leisten zu können.

Mittlerweile hat sie wieder angefangen, als Krankenschwester zu arbeiten – „doch dank der flexiblen Zeiteinteilung kann ich mein kleines Business gut mit der Familie und meinem Hauptberuf unter einen Hut kriegen”. Mehr als 160 Tupperpartys hat sie seitdem veranstaltet, während der Lockdownphasen auch in virtueller Form über Whatsapp. Diese virtuellen Partys dauern bis zu einer Woche, während der die Beraterin immer wieder Fotos, Videos und Sprachnachrichten in eine eigens gegründete Whatsapp-Gruppe einstellt. Die Gäste können daraufhin Fragen stellen oder direkt im Chat bestellen. „Richtige Tupperpartys sind mir aber lieber”, sagt die Beraterin Sandra Lechner. Schließlich ist für sie gerade die Geselligkeit, das Unter-Leuten-Sein, das, was zählt bei einer Tupperparty.

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