„Armutslöhne sind weiblich"

Frauen sind in gutbezahlten Jobs stark unterrepräsentiert – mit einer Ausnahme

Frauen arbeiten öfter in schlechter bezahlen Jobs.

Frauen arbeiten öfter in schlechter bezahlen Jobs.

Hannover. Frauen verdienen in Deutschland weiterhin schlechter als Männer: Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der stellvertretenden Linken-Fraktionsvorsitzenden Susanne Ferschl hervorgeht, sind sie in den Berufen mit den niedrigsten Entgelten „stark überrepräsentiert“. Bei den Berufsgruppen mit den höchsten Einkommen dominieren demnach hingegen Männer – lediglich Ärztinnen seien häufiger als Ärzte. „Armutslöhne sind weiblich“, sagte Ferschl dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Erfragt hatte Ferschl den Frauenanteil in den Berufen mit dem höchsten und dem niedrigsten Medianentgelt – also dem, was durchschnittliche Vollzeitbeschäftigte jeweils verdienen. Unter den Bestverdienenden mit mehr als 6000 Euro monatlichem Bruttoeinkommen machten Frauen bei Positionen in Geschäftsführung und Vorstand laut Bundesregierung 22 Prozent aus, bei Pilotinnen und Piloten 6,5 Prozent und in Forschung und Entwicklung 14,4 Prozent. Unter Betriebs- und Volkswirten waren es immerhin 47,4 Prozent, in der Medizin 53,6 Prozent.

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Bei den Berufsgruppen mit dem niedrigsten Einkommen, in denen durchweg weniger als 2000 Euro monatlich verdient werden, prägten hingegen Frauen das Bild: 84,5 Prozent aller Beschäftigten im Lebensmittelhandel, 95,4 Prozent aller Floristikbeschäftigten und 86 Prozent der Angestellten in Körperpflegeberufen waren Ende 2020 weiblich. Auch in der Pferdewirtschaft (63,4 Prozent) sowie in der Gastronomie (60,4 Prozent) sind Frauen der Bundesregierung zufolge in der Mehrheit.

„Gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischer Irrsinn“

„Notwendig und überfällig“ sei deshalb die geplante Erhöhung des Mindestlohns, erklärte Ferschl. Für „gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitischen Irrsinn“ hält sie hingegen die geplante Erhöhung der Verdienstgrenzen bei Minijobs, in denen ebenfalls mehrheitlich Frauen tätig seien. „Statt die Mindestlohnerhöhung zu nutzen, um den Arbeitsmarkt zu regulieren, wächst prekäre Beschäftigung also fortan mit dem Mindestlohn mit“, kritisierte Ferschl. Die Entscheidung zu den Verdienstgrenzen bedeute keinen Fortschritt, sondern „Stillstand mit fatalen Folgen für die Gleichstellung“.

Die Anhebung der Verdienstgrenzen bei Minijobs stand im Wahlkampf auf der Wunschliste der FDP, im Zuge der Mindestlohnerhöhung soll sie im Oktober auf 520 Euro steigen. Für Frauen gibt es so womöglich mehr Anreize, Minijobs anzunehmen – obwohl sie schon jetzt häufiger in geringfügigen und schlecht abgesicherten Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, wie Yvonne Lott, Gleichstellungsexpertin bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bestätigte.

Sorgen um die Altersvorsorge bei Frauen

Sie betonte, dass das vor allem eine Folge der mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei. Frauen nähmen wegen der Kindererziehung oft Minijobs an, „dabei sollten sie sich eigentlich um eine gute Beschäftigung bemühen – nicht zuletzt, damit später auch die Rente stimmt“. In der Ausweitung der Verdienstgrenzen sieht auch Lott einen Fehlanreiz: „Eigentlich müsste man Minijobs weniger attraktiv machen.“

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Zugleich bekräftigte Lott, dass sich die Gehaltsunterschiede auch abseits von Minijobs nicht damit erklären lassen, dass Männer in anstrengenderen Berufen tätig sind. Befragungen würden immer wieder zeigen, dass die Arbeitsintensität vergleichbar groß sei. „Die Arbeit einer Pflegekraft ist genauso anstrengend wie die eines Industriearbeiters, das schlägt sich aber nicht in den Gehältern nieder“, so Lott.

Um den Frauenanteil in gut bezahlten Berufen zu steigern, plädiert Lott für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Teilzeitmöglichkeiten und mehr Transparenz bei Entgeltfragen. Dass Frauen anders oder schlechter verhandeln würden, sei hingegen ein vernachlässigbares Phänomen: „Die Ungleichheit bei der Entlohnung hat vor allem strukturelle Ursachen,“ bekräftigte Lott.

Gleichstellung in Deutschland weiterhin eine Baustelle

Insgesamt hat es Lott zufolge zuletzt leichte Verbesserungen gegeben, was Einkommen und Erwerbstätigkeit von Frauen anbelangt. So ist der unbereinigte Gender-Pay-Gap, also der durchschnittliche Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, laut statistischem Bundesamt seit 2006 von 23 auf 18 Prozent gesunken. „Im internationalen Vergleich steht Deutschland aber immer noch schlecht da“, fasste Lott die jüngsten Erhebungen zu Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt zusammen.

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Ausdrücklich „genervt“ ist Lott außerdem von Diskussionen über den statistisch erhobenen Gender-Pay-Gap, wie sie dem RND sagte: Einerseits erfasse der unbereinigte Wert nun mal die Folgen struktureller Probleme, die es zweifellos gebe. Und andererseits sei auch der bereinigte Gender-Pay-Gap groß: „Es sind nicht nur, sondern immer noch 6 Prozent Lohnunterschied“, so die Wissenschaftlerin.

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