Gibt es schon bald eine Wasserstoffbrücke zwischen Deutschland und Australien?
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Vor Helgoland soll ein Wasserstoffwindpark entstehen – möglicherweise mit Wasserstoff aus Australien.
© Quelle: AquaVentus/Jakob Martens
Seit Ende 2020 hat ein deutsch-australisches Wasserstoffprojekt untersucht, ob es Sinn ergibt, grünen Wasserstoff, also Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien produziert wird, von Australien bis nach Deutschland zu transportieren. Das Projekt namens Hysupply wurde von der deutschen und der australischen Bundesregierung gemeinsam in Auftrag gegeben.
Erste Zwischenergebnisse zeigen inzwischen: In großen Mengen macht der Import von nachhaltig produziertem australischem Wasserstoff durchaus Sinn. So sollte es weder technisch noch ökonomisch größere Probleme geben und das trotz der großen Distanz von 20.000 Kilometern. Für die Strecke liegen die Transportkosten bei etwa 0,09 bis 0,12 australischen Dollar (0,06 bis 0,08 Euro) pro Kilogramm Ammoniak, das als Wasserstoffspeicher angedacht ist. Zudem konnte eine Studie, die das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) im Auftrag von Hysupply erarbeitet hat, klären, dass dem Transport über den Schiffsweg auch keine rechtlichen Hindernisse im Weg stehen.
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© Quelle: Reuters
Demnach könnte Deutschland also bereits heute Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen aus Australien importieren. Eine Einschränkung gibt es aber noch: Für einen effektiven Aufbau der Wasserstoff-Lieferketten muss die EU ihre Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich vereinfachen. Beispielsweise müssen Importterminals oder eine effektive Verteilerstruktur innerhalb Europas aufgebaut werden.
Wegbereiter der Klimaneutralität
Wasserstoff, der gerne als das „Öl von morgen“ oder der „Champagner der Energiewende“ bezeichnet wird, wird seit Längerem als neue Energiealternative anvisiert. Laut einer Analyse der International Renewable Energy Agency (Irena) könnte Wasserstoff bis 2050 bis zu 12 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs decken. „Wasserstoff könnte sich als das fehlendes Bindeglied zu einer klimasicheren Energiezukunft erweisen“, sagte Francesco La Camera, der Generaldirektor von Irena. Vor allem grüner Wasserstoff könne sich „als Wegbereiter für das Erreichen der Klimaneutralität“ herausstellen, ohne dass industrielles Wachstum und soziale Entwicklung gefährdet wären.
Wichtig ist dabei jedoch, dass es sich um den sogenannten grünen Wasserstoff handelt, der über erneuerbare Energien produziert wird und nicht um grauen Wasserstoff, für den nach wie vor fossile Brennstoffe herhalten müssen. Australien beispielsweise hat mehrere großangelegte Solar- und Windprojekte in Planung, die große Mengen grünen Wasserstoff produzieren könnten: Der Western Green Energy Hub an der Südküste Westaustraliens, der mit 15.000 Quadratkilometern etwa so groß wie Thüringen ist, ist nur eines von mehreren Beispielen.
Deutschland beschleunigt Verhandlungen
Grüner Wasserstoff hat das Potenzial, große Energiemengen zu speichern. In der Industrie statt Gas eingesetzt können Emissionen minimiert werden, vor allem bei Raffinerien oder bei der Herstellung von Ammoniak, Methanol und Stahl. Wasserstoff-Brennstoffzellen können Autos antreiben, aber auch Schifffahrt und Luftfahrt können mit Wasserstoff arbeiten.
Deutschland hat die internationalen Verhandlungen zum Kauf von Wasserstoff in den letzten Wochen beschleunigt, da es aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine seine Energieabhängigkeit von Russland verringern muss. Einige Unternehmen sind bereits vorgeprescht und haben erste Absichtserklärungen zur Lieferung von Wasserstoff unterzeichnet, darunter der Chemiekonzern Covestro oder der Netzbetreiber und Versorger Eon. „Deutschland spielt in Australien die Doppelrolle des technischen Wegbereiters und des Abnehmers“, sagte Florence Lindhaus, eine Wasserstoffexpertin der Deutschen Auslandshandelskammer in Australien. Deutsche Technologiefirmen wie Siemens, Linde und Thyssenkrupp würden zu den besten Anbietern von Elektrolyseanlagen weltweit gehören.
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Mangel an wertvollem Rohstoff: Droht bald eine globale Sandkrise?
Sand ist einer der wichtigsten Rohstoffe der Erde. Ob zum Küstenschutz, in der Bauwirtschaft in Form von Beton oder zur Herstellung von Computerchips – überall braucht es die feinen Gesteinskörner. Die Nachfrage nach Sand ist in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen. Die Folge: Die Bestände schrumpfen.
„Sehr interessant sind aber auch die mittelständischen deutschen Unternehmen, die Kompressoren, Spezialventile oder Gassensoren zur Lieferkette beitragen.“ Andersherum besteche Australien als Rechtsstaat mit einer transparenten Marktwirtschaft und seinem „schier unendlichen erneuerbaren Strompotenzial“.
Wasserstoffbrücke könnte „in wenigen Jahren Realität werden“
Ende Mai reiste eine deutsche Delegation aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nach Perth, Sydney und Brisbane, um Projekte und Möglichkeiten zu besprechen. Auch eine etwa zeitgleich stattfindende Australian Hydrogen Conference in Adelaide wurde unter anderem von der deutschen Bundesregierung gefördert. „Die Reise nach Australien war eine lohnende Investition in Deutschlands Zukunftsenergie“, sagte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Zuge der Australien-Reise. In den Gesprächen mit australischen Regierungsvertretern, Unternehmen und Wissenschaftlern sei deutlich geworden, dass eine Wasserstoffbrücke zwischen Deutschland und Australien „keine ferne Zukunftsmusik“ mehr sei. „Australischer Sonnenschein und Wind lassen sich mithilfe deutscher Spitzentechnologie bestens abfüllen und verschiffen“, sagte sie. „Wir haben die große Chance, hier Vorreiter zu sein.“
Dafür müssten die Länder jetzt aber vom Konzeptionieren zum Handeln übergehen: Vonseiten der deutschen Bundesregierung müsse zügig die „Nationale Wasserstoffstrategie“ überarbeitet und die Zertifizierung von grünem Wasserstoff vorangetrieben werden. Die Wirtschaft müsse von Absichtserklärungen zu möglichst großen gemeinsamen Projekten und Anlagen übergehen und die Wissenschaft müsse Forschungslücken bei grünem Wasserstoff identifizieren und angehen. Wichtig dabei wäre, „die Akteure noch enger zu vernetzen und groß zu denken“. Dann könne „eine Wasserstoff-Lieferkette von Australien nach Deutschland in wenigen Jahren Realität werden“, sagte die Ministerin.
Hilfe bei der Klimawende
Die Regierung in Canberra hofft dabei in erster Linie auf neues Geschäft, doch gleichzeitig soll der Wasserstoff im eigenen Land natürlich auch die Klimawende bringen. Denn die derzeitigen australischen Klimaziele – ein Nullemissionsziel bis 2050 und eine Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 43 Prozent unter das Niveau von 2005 – müssen erst einmal erreicht werden.
„Australien ist bislang einer der weltgrößten Exporteure für fossile Energie“, sagte die Expertin Lindhaus. 90 Prozent der Abnehmer hätten jedoch wie Australien selbst auch Nullemissionsziele bis 2050 oder 2060 festgesteckt. „Schon heute muss sich das Land also umstellen, um auch in Zukunft Energie exportieren zu können – nur eben in anderer Form.“ Expertinnen und Experten schätzen, dass Wasserstoff als neuer Energieträger die „Schmerzen“ bei der Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien deutlich lindern könnte. Ein Blick auf die bisher geplanten australischen Wasserstoffcluster zeigt dann auch, dass diese sich mit den bisherigen Zentren für die Kohle- und Gasgewinnung überschneiden. Immerhin befindet sich dort bereits die richtige Infrastruktur sowie das nötige Ingenieurwissen.
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