Audi e-tron GT im Test: Ein vollelektrischer Sportwagen für Influencer
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MIUGNSW5VBBUDK5PHGNFQUMW2E.jpeg)
Ein Audi e-tron GT quattro an der Ladesäule: Nach mindestens 20 Minuten Ladezeit kann der Spaß weitergehen.
© Quelle: Sagmeister_Potography/Audi AG/dp
Wenn sich ein Mercedes-Fahrer nach einer kilometerlangen Verfolgungsfahrt breitbeinig vor einem aufbaut und erklärt, die Audis, die seien bislang so gar nicht sein Ding gewesen, aber das Heck von diesem hier, das sei einfach „geil“, dann ist klar, dass bei dem guten Mann das Koordinatensystem irgendwie ins Rutschen geraten ist. Auslöser für den denkwürdigen Auftritt auf einem Hamburger Hotelparkplatz ist der e-tron GT, von dem Audi-Chefdesigner Marc Lichte sagt, das sei das schönste Auto, das er jemals gezeichnet habe. Nun muss man berücksichtigen, dass jener Herr Lichte kein Mensch ist, der von übergroßen Selbstzweifeln geplagt wird. Trotzdem kann man ihm nur beipflichten: Ja, der e-tron ist schön. Er ist nicht nur schön, er ist spektakulär. Mit einem Grundpreis von 99.800 Euro für den quattro und 138.200 für die RS-Version sollte er das auch sein.
Um es gleich vorwegzunehmen: Auf öffentlichen Straßen und Autobahnen verputzt der Audi e-tron GT so ziemlich alles, was sich ihm an Verbrennern in den Weg stellt. Den Spurt des quattro in 4,1 Sekunden (RS: 3,3 Sec.) von null auf 100 km/h erledigen viele andere auch, aber wenn denen langsam die Puste ausgeht, säuselt der e-tron urgewaltig weiter – bei dem Elektrofeger sprühen nur so die Funken. Kein Wunder: Unterm Blech teilt sich der Ingolstädter Schönling die technische Basis mit dem Porsche Taycan. Beide zusammen ziehen gegen das Model S von Tesla ins Feld.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FIACMMOXGZB23C5QHLCAVJRBXM.jpg)
Das Cockpit: Wer hier das erste Mal Platz nimmt, ahnt noch nicht, was alles möglich ist.
© Quelle: Audi AG
Im e-tron steckt Technik von Porsche
Dass im e-tron tatsächlich ganz viel Technik von Porsche steckt – von der Dreikammer-Luftfederung (beim quattro optional) bis zu den 18-Wege-Sitzen –, hat der Lust am Entwickeln ganz offensichtlich nicht geschadet: Das Auto ist laut Pressesprecher Christian Hartmann „das neue elektrische Flaggschiff“, das den Weg in die Zukunft der Marke skizzieren soll, ein Game Changer. Auch wenn das Fahrzeug gerade mal 1,40 Meter hoch misst, hat es doch monumentalen Charakter. Im Gegensatz zu so vielen anderen Elektroautos hat man für den Fahrer auf digitalen Firlefanz verzichtet und das Bedienpaneel mit manuellen Elementen bestückt. Hartmann: „Da wollen wir uns von den Internetfahrzeugen unterscheiden.“
Mit Leistung und grünem Gewissen ködern
Dass das Netz trotzdem eine wichtige Rolle spielt, zeigt ein Blick auf die Kunden, die man mit dem e-tron erreichen will: Außer der üblichen, gut situierten Klientel, die sich über die ganze Welt verteilt, bevorzugt aber in den USA, in China und Großbritannien ansässig ist, hat man eine ganz neue Zielgruppe ins Auge gefasst: Influencer. Stefan Holischka von Produktmarketing sagt: „Da sehen wir teilweise sehr junge Leute, die es früh zu viel Geld gebracht haben.“ Die will man nicht nur mit einem grünen Gewissen, sondern auch mit Leistung ködern.
Mit 390 kW/530 PS beziehungsweise 475 kW/645 PS (RS) und Drehmomenten von 640 bis 830 Newtonmeter gibt es davon reichlich und immer genug, um bei Bedarf der klassisch motorisierten Konkurrenz zu zeigen, wo der Hammer hängt. Bei der ungehemmten Kraftentfaltung bis zum Erreichen zur V-Max-Grenze verschwinden all die Premiumimageträger im Rückspiegel wie dahingerafft. Und selbst der hartgesottene Leistungsverweigerer muss jetzt zugeben: Das macht Spaß. Kaum einmal hat der Spruch vom Leben auf der Überholspur so viel Sinn ergeben.
Aufladen in mindestens 20 Minuten
Da der e-tron mit Strom betrieben wird, hat das alles mal ein Ende, spätestens dann, wenn die Akkus leergesaugt sind. Die zählen mit 93,4 kWh zwar zu den großen und reichen bei einem Durchschnittsverbrauch zwischen 19,9 und 22,6 kWh (WLTP) laut Hersteller für 433 bis 487 Kilometer Reichweite, doch schwindet die entsprechend dahin, wenn die Leistung abgerufen wird. Als High-Performance-Maschine können das schon mal 35 bis 37 kWh sein. Jetzt spielt der Verbrenner seinen einzigen Vorteil aus: Er tankt in zwei Minuten während der e-Tron trotz maximaler Ladeleistung von bis zu 270 kW für 400 Kilometer Reichweite mindestens zwanzig Minuten braucht – unter idealen Bedingungen. Doch ist das erledigt, geht der Spaß von vorn los. Autos wie de e-tron – und es werden immer mehr Modelle dieses Zuschnitts auf den Markt kommen – schicken eine ganz bestimmte Botschaft auf die Straße: E-Autos sind längst nicht mehr die überhöhten Spielzeuge für verkopfte Idealisten, sondern inzwischen auch etwas für die weniger braven Jungs mit ihrem Hang zu sägenden Achtzylindern.