Autonomes Fahren: Simulator soll Entwicklung von selbstfahrenden Autos revolutionieren

Ein Modell des hochimmersiven Fahrsimulators der Technischen Universität Dresden (undatierte grafische Darstellung).

Ein Modell des hochimmersiven Fahrsimulators der Technischen Universität Dresden (undatierte grafische Darstellung).

Dresden. Vom Level 2 zum Level 3 ist es für Automobilbauer ein großer Schritt. Derzeit brauchen Assistenzsysteme des Fahrzeugs noch eine permanente Überwachung durch den Fahrer (Level 2). „Er kann immer eingreifen und die Systeme außer Kraft setzen. Der Fahrer muss aber stets aufmerksam sein“, erklärt Günther Prokop, Professor an der Fakultät Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Dresden. „Bei Level 3 könnte der Fahrer theoretisch schon ein Buch lesen. Aber wenn er vom System wieder zur Übernahme aufgefordert wird, muss er handeln. Ein Nickerchen auf dem Rücksitz ist nicht drin.“

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TU Dresden entwickelt „hochimmersiven“ Fahrsimulator

Prokop (51) hat an der Technischen Universität München Maschinenwesen studiert und in Technischer Mechanik promoviert. Ein Jahr arbeitete er an der University of California in Berkeley vor allem zum Thema Fahrverhalten. Das betraf etwa Reaktionsmuster von Fahrern und ihre Informationsverarbeitung. Für Prokop folgten Stationen bei Audi als Ingenieur in der Fahrwerkentwicklung und bei BMW in der Fahrzeugentwicklung. Seit 2010 forscht und lehrt er in Dresden.

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Ab Mitte 2022 will er dafür ein besonderes Arbeitsmittel nutzen. Denn die TU Dresden entwickelt mit Partnern einen „hochimmersiven“ Fahrsimulator, mit dem sich automatisierte Fahrfunktionen testen lassen. Der Begriff hochimmersiv stammt aus dem Bereich der Virtual Reality und meint das „Eintauchen“ des Nutzers in die virtuelle Realität, so dass sie vom Bewusstsein als real empfunden wird. Das können bisherige Fahrsimulatoren nur bei wenigen Manövern bieten.

Experte: Projekt wird „Entwicklung von automatisierten Fahrzeugen revolutionieren“

„Weltweit arbeiten die Automobilbranche und ihre Forschungspartner an neuen Technologien und Funktionen für das automatisierte Gefährt der Zukunft“, erklärt die TU Dresden das Projekt. Lange sei es dabei nur um den technischen Fortschritt gegangen. Doch je autonomer die Maschinen würden, desto nachhaltiger wandele sich die Rolle der Fahrenden: „Bei der Mensch-Maschine-Interaktion trifft Hochtechnologie auf menschliche Gefühle und instinktives Handeln.

An diesem Punkt setzen die Dresdner an. In ihrem Simulator kann der Insasse etwa Beschleunigung und Richtungsänderungen empfinden. „Der Fahrsimulator der TU Dresden ermöglicht ein ganz neues, realistisches Erleben von Fahrmanövern. Dadurch lassen sich Übergabesituationen zwischen Mensch und Maschine lebensecht erproben und verbessern – gerade in kritischen Situationen oder sogar bei Unfällen“, zitiert die TU den geschäftsführenden Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Sein Haus unterstützt das Projekt mit sieben Millionen Euro. Die Gesamtkosten liegen bei zwölf Millionen Euro.

„Durch die erstmals realistische Wahrnehmung des Fahrzeugverhaltens wird der neue Fahrsimulator die Entwicklung von automatisierten Fahrzeugen revolutionieren“, ist Prokop überzeugt und nennt die Partner des Projektes. Neben der Firma AMST-Systemtechnik GmbH aus Österreich ist das die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH Dresden. Zudem unterstützt Porsche das Vorhaben mit einem Cockpit. Im Mai 2022 soll der Simulator nach Dresden kommen. Derzeit werden seine Einzelteile zusammengefügt. Dann beginne die spannende Phase der Inbetriebnahme“, sagt TU-Projektleiter Thomas Tüschen. Bis die ersten Testpersonen im Cockpit Platz nehmen könnten, vergehe jedoch noch einige Zeit.

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Simulator kann auf einer Fläche von 70 mal 70 Meter agieren

In dieser Phase müsse man noch zahlreiche Tests und Einstellungen vornehmen, erklärt Tüschen. Erst wenn alles sicher sei, kämen die Probandinnen und Probanden dazu. Im Unterschied zu üblichen Simulatoren ist das Gerät in Dresden mit je fünf Meter Höhe, Breite und Tiefe beweglich – auf Reifen und verschiedenen Bewegungsachsen. Der Simulator kann auf einer Fläche von 70 mal 70 Meter agieren.

Laut Tüschen ermöglicht das System neue Anwendungsfelder für die Fahrsimulation: „Durch die geringen bewegten Massen des Systems ist die Simulation sehr dynamischer Manöver bis hin zu Schleudervorgängen ohne Wahrnehmungsverfälschung möglich.“ Auch Mechanismen zur Entstehung von Unfällen ließen sich in sicherer Umgebung realistisch erforschen und die Wirkung von Assistenzsystemen zur Vermeidung von Unfällen so optimieren.

„Vielleicht in fünf Jahren“: Zeitpunkt für Zulassung für autonomes Fahren noch ungewiss

„In der Entwicklung entsteht ein mächtiges Werkzeug zur Absicherung von Fahrautomatisierungsfunktionen“, erläutert Prokop. Forschungsseitig werde mit dem Simulator die Weiterentwicklung menschlicher Verhaltensmodelle vorangetrieben. In Fahrdynamik, Fahrkomfort und Fahrbarkeit werde der Dresdner Fahrsimulator neue Möglichkeiten eröffnen, schon sehr früh anhand objektiver Maßstäben zu beurteilen, wie sich das Fahrzeug „anfühlen“ wird.

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Prokop will keine Prognose wagen, wann autonomes Fahren Realität ist. „Das wird graduell passieren. Fahrassistenzsysteme werden evolutionär weiterentwickelt. Autobahnfahrten auf Knopfdruck kann ich mir relativ bald vorstellen – vielleicht in fünf Jahren“, sagt er. Das sei kein technisches Thema mehr, sondern eines von Zulassungsvorschriften. Der Audi A8 von 2017 sei bereits auf Level 3. Allerdings sei das System nicht freigeschaltet, weil man es ohne die entsprechende Gesetzgebung nicht zulassen konnte. Gleiches gelte für den BMWix.

RND/dpa

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