Bafin-Entscheidung: Prämiensparer könnten Tausende Euro Zinsen erstattet bekommen
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Im jahrelangen Streit um die Verzinsung von Prämiensparverträgen greift die Finanzaufsicht Bafin durch.
© Quelle: Daniel Karmann/dpa
München. Viele Prämiensparer können auf satte Zinsnachzahlungen von ihren Banken oder Sparkassen hoffen. Grund ist ein seit Jahren anhaltender Rechtsstreit, in dem die Finanzaufsicht Bafin gestern ein Machtwort gesprochen hat.
Sie hat eine Verfügung an rund 250 deutsche Kreditinstitute geschickt, deren Inhalt es in sich hat. Denn darin werden die Sparkassen und Banken verpflichtet, ihre Prämiensparer darüber zu informieren, ob in der Vergangenheit nicht zulässige Zinsanpassungsklauseln verwendet wurden.
Ist dies der Fall, müssen die Institute eine Zinsnachberechnung liefern, also erklären, wie viel Geld sie ihren Kunden zu wenig bezahlt haben. Das könnte addiert branchenweit eine Milliardensumme ergeben. Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Hunderttausende Sparer und Sparerinnen betroffen sind.
Ein Prämiensparvertrag ist eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung und gleichbleibender Sparleistung. Kunden erhalten zusätzlich zum Zins eine Prämie, die meist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Es geht um Verträge, die Institute zwischen 1990 und 2010 anboten. Diese enthalten Klauseln, die Geldhäusern das Recht einräumten, die zugesicherte Verzinsung einseitig zu ändern.
Dagegen klagten betroffene Sparer und Verbraucherzentralen. Schon 2005 erklärte der Bundesgerichtshof die umstrittenen Klauseln für nichtig. Details waren aber weiter umstritten. Verbraucherschützer werfen vor allem Sparkassen vor, die Zinsen eigenmächtig mithilfe von Zinsanpassungsklauseln gesenkt zu haben.
Da eine einvernehmliche Lösung mit den Banken gescheitert ist, mussten wir auf diesen verbraucherschutzrelevanten Missstand mittels Allgemeinverfügung reagieren.
Thorsten Pötzsch,
Bafin-Exekutivdirektor
„Da eine einvernehmliche Lösung mit den Banken gescheitert ist, mussten wir auf diesen verbraucherschutzrelevanten Missstand mittels Allgemeinverfügung reagieren“, erläuterte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch.
Ein runder Tisch der Aufsicht mit Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschützern war Ende November 2020 ohne Ergebnis geblieben. Jetzt wird eine branchenweite Lösung erzwungen, was den angeschlagenen Ruf von Kreditinstituten weiter ramponieren dürfte.
Ein Novum für die Bafin
Eine Verfügung wie diese sei in der Bafin-Geschichte bislang noch nicht erlassen worden, heißt es bei der Bafin. Nach dem Skandal um den ehemaligen Dax-Konzern Wirecard will sich die Bafin offenbar nicht mehr nachsagen lassen, nicht genau genug hinzusehen.
Um wie viel Geld pro Sparer es im Schnitt geht, hat die Verbraucherzentrale Bayern in zwei Beispielfällen vorgerechnet. Die Münchner Stadtsparkasse hat demnach im Schnitt pro Vertrag 4600 Euro zu wenig bezahlt, bei der Stadtsparkasse Nürnberg sollen es im Schnitt 4000 Euro gewesen sein.
Die betroffenen Institute und ihr Spitzenverband Deutsche Kreditwirtschaft sowie Deutscher Sparkassen- und Giroverband hielten das eigene Vorgehen dagegen bis zuletzt für rechtens.
Betroffene Institute können noch binnen eines Monats Widerspruch erheben und vor das Verwaltungsgericht Frankfurt ziehen. Jedoch werden die widerspenstigen Geldhäuser derzeit in die Zange genommen. Denn auch der Bundesgerichtshof will sich demnächst erneut zu dem Streitfall äußern. Er soll eine verbindliche Berechnungsgrundlage für Zinsänderungen in Prämiensparverträgen liefern.
Aus beiden Komponenten, der Bafin-Verfügung und der BGH-Berechnungsgrundlage, können betroffene Sparerinnen und Sparer dann relativ einfach individuelle Forderungen geltend machen. Den Spruch des BGH erwarten Bafin und Verbraucherschützer noch 2021.
mit dpa