Corona-Folgen: 160 Millionen Menschen rutschen in Armut
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Ein obdachloses Kind im indischen Kalkutta schläft mit einem Straßenhund auf dem Boden eines Bahnsteigs: Die Corona-Pandemie hat Millionen Menschen in Armut abrutschen lassen.
© Quelle: Indranil Aditya/ZUMA Press Wire/
München. Der Titel des Jahresreports zur Entwicklung sozialer Ungleichheit ist im englischsprachigen Original drastisch gewählt. „Inequality kills“ – Ungleichheit tötet – hat ihn die internationale Nothilfeorganisation Oxfam genannt und in deutscher Übersetzung „Gewaltige Ungleichheit“ daraus gemacht.
Eigentlich sollte der Bericht zum Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos vorgestellt werden. Das ist der neuen Corona-Variante Omikron zum Opfer gefallen, weshalb der Oxfam-Sozialreport nur in digitaler Form veröffentlicht wird.
Die Spuren der Pandemie durchziehen ihn auch inhaltlich. Seit deren Ausbruch ist das Vermögen aller 2755 Milliardärinnen und Milliardäre weltweit laut Bericht um 4,4 auf gut 12 Billionen Euro gestiegen. Das sei ein größerer Zuwachs als in den 14 Jahren vor der Pandemie zusammen. „Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch“, sagt Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei Oxfam Deutschland.
Biontech-Gründer Ugur Sahin neu in der Liste der Superreichen
Auch zwischen Nordsee und Alpen haben Superreiche ihr Vermögen seit März 2020 massiv vermehrt, was vor allem auf Aktienbesitz und die Werte von ihnen kontrollierter Firmen zurückgeht. So verfügt mittlerweile allein ein Stamm der Aldi-Familie Albrecht über ein Vermögen von rund 38 Milliarden Euro. Er rangiert damit auf Rang 31 der weltweit Superreichsten.
Ugur Sahin als Miteigner und Chef des Corona-Impfstoffherstellers Biontech hat es mit einem geschätzten Vermögen von 11,5 Milliarden Euro 2021 neu auf Rang 161 der globalen Reichenliste geschafft. Schon fast bescheiden nimmt sich das allerdings aus im Vergleich zum reichsten Weltbürger Elon Musk. Dem US‑Milliardär, der Elektroautos und Raketen baut, wird ein Vermögen von fast 257 Milliarden Euro zugeschrieben.
Blickt man auf die Geldspeicher der zehn Superreichsten weltweit, konnten die deren Inhalt sogar verdoppeln, sagen die Studienmacher. Sie berufen sich dabei auf Schätzungen der US‑Zeitschrift „Forbes“.
Zugleich seien binnen zwei Jahren weltweit 163 Millionen weitere Menschen in Armut abgerutscht. Damit lebten nun weltweit rund 3,4 Milliarden Menschen unterhalb der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 4,80 Euro am Tag. Zum Todesfallrisiko erhebt Oxfam Armut, weil Menschen, die sich keine medizinische Versorgung leisten können, jedes Jahr millionenfach sterben würden.
Frauen leiden besonders unter den Corona-Folgen
Nach Oxfam-Erkenntnissen leiden vor allem Frauen unter den Folgen der Pandemie. Mindestens 13 Millionen hätten seit ihrem Ausbruch Arbeit und Einkommen verloren. Für Menschen nicht weißer Hautfarbe sei das Risiko, an Corona zu sterben, um bis zu dreimal größer als für Hellhäutige, so die Hilfsorganisation.
Oxfam ist mit solchen Vergleichen nicht allein. „Während Milliardäre zu Spritztouren ins All aufbrechen, haben Millionen von Menschen Hunger“, hat António Guterres als Generalsekretär der Vereinten Nationen vor Kurzem beklagt.
Ungerecht ist nach Ansicht von Oxfam nicht nur die weltweite Verteilung von Reichtum, sondern auch die von Corona-Impfstoffen. Mittlerweile seien drei Milliarden Menschen vorwiegend in Industrienationen doppelt gegen das Virus geimpft. Dagegen hätte nicht einmal jeder Zehnte mit niedrigem Einkommen eine Impfdosis erhalten. Oxfam fordert deshalb eine Aufhebung des Patentschutzes auf Impfstoffe.
Nur so könne die Pandemie im weltweiten Maßstab eingedämmt und das Risiko des Entstehens neuer und dann möglicherweise impfstoffresistenter Varianten verhindert werden. Die Bundesregierung solle dazu einen Vorstoß bei der Welthandelsorganisation WTO unterstützen, fordert der deutsche Oxfam-Ableger. Die Gesamtorganisation fordert von Regierungen weltweit, Konzerne und Superreiche zur Finanzierung sozialer Grunddienste stärker zu besteuern.