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Die Autoindustrie fürchtet Brüssels Ehrgeiz

VW-Chef Herbert Diess ist für einen deutlich höheren CO₂-Preis.

VW-Chef Herbert Diess ist für einen deutlich höheren CO₂-Preis.

Hannover. Die Autoindustrie blickt nervös auf die nächste Woche. „Wichtige Entscheidungen stehen an“, sagte die Präsidentin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, in Berlin. Die EU-Kommission will am Mittwoch ihre konkreten Pläne für den Klimaschutz vorlegen, und der VDA fürchtet ein faktisches Verbot des Verbrennungsmotors. Müller warnte davor, zu überziehen, und forderte von der Politik bessere Rahmenbedingungen für den Umbau.

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Ein prominentes VDA-Mitglied verfolgt derweil seine eigene Agenda. VW-Chef Herbert Diess meldete sich mit der Europäischen CEO-Alliance zu Wort, einer Gruppe von zwölf europäischen Konzernchefs aus verschiedenen Branchen. Sie loben ausdrücklich den EU-Ehrgeiz in der Klimapolitik und fordern einen allgemeinen CO₂-Preis für alle Branchen in allen Ländern.

Müller fordert Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Machbarkeit

Müller fürchtet dagegen eine Überforderung durch Brüssel. Sie wolle „einen Weckruf absetzen“. Es müsse eine Balance gefunden werden zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Machbarkeit. „Neue Arbeitsplätze müssen auch in der EU entstehen können“, sagte Müller, als sie die Halbjahresbilanz ihres Verbands präsentierte. Wenn die Politik höhere Ziele für den Klimaschutz setze, müsse sie „die Voraussetzungen schaffen, dass sie auch zu erreichen sind“.

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Die erste von Merkels Vertrauten, die dem Lockruf der Wirtschaft erlag, war Hildegard Müller. Die damalige Staatsministerin im Kanzleramt und Ex-Chefin der Jungen Union wechselte 2008 als Hauptgeschäftsführerin zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. 2016 wurde sie Netzvorstand beim Stromriesen RWE, aktuell ist sie Präsidentin des Bundesverbandes der Automobilindustrie.

Die erste von Merkels Vertrauten, die dem Lockruf der Wirtschaft erlag, war Hildegard Müller. Die damalige Staatsministerin im Kanzleramt und Ex-Chefin der Jungen Union wechselte 2008 als Hauptgeschäftsführerin zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. 2016 wurde sie Netzvorstand beim Stromriesen RWE, aktuell ist sie Präsidentin des Bundesverbandes der Automobilindustrie.

Am Mittwoch will die EU-Kommission mit dem Paket „Fit for 55″ mehrere Verordnungen und Richtlinien vorstellen, um den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Für die Autoindustrie kann es auf ein faktisches Verbot von Verbrennungsmotoren – und damit auch Plugin-Hybriden – hinauslaufen.

Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos zu langsam

Die Industrie stehe hinter dem Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu schaffen, sagte Müller. „Gerungen wird über den Weg.“ Sie wirft den Regierungen und der EU massive Versäumnisse vor. Vor allem der Ausbau der Ladenetze für Elektroautos und der Ökostromerzeugung komme zu langsam voran. Außerdem müssten auch andere Technologien neben Batteriefahrzeugen gefördert werden.

Als positives Beispiel nannte sie das Förderprogramm für Wallboxes in Deutschland. Die Ladestationen am eigenen Haus sind so gefragt, dass das Programm aktuell ausgeschöpft sei. Zum Problem werde das Gefälle bei der E-Mobilität innerhalb Europas: Zwei Drittel der europäischen Ladepunkte seien in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland verfügbar – entsprechend dünn ist der Rest des Kontinents bestückt.

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Müller fordert vor allem von der EU-Kommission klarere Rahmenbedingungen und Richtlinien für den Einsatz der Hilfs­milliarden, die im Wiederaufbaupakt nach der Corona-Krise zur Verfügung stehen.

Der Preis für die Transformation: 150 Milliarden Euro

Das Argument, dass viele Autohersteller dank aktuell hoher Gewinne nicht hilfsbedürftig seien, lässt Müller nicht gelten. Die Branche in Deutschland investiere bis 2020 rund 150 Milliarden Euro in die Transformation. Zudem sei die Lage bei vielen Zulieferern völlig anders als bei Herstellern, zum Teil dramatisch. Wer nicht stark in China vertreten sei, habe weiter massive Probleme.

VW dagegen ist stark in China vertreten und verdient gut. Konzernchef Herbert Diess ist der einzige Vertreter der Auto­industrie in der 2020 gegründeten Europäischen CEO-Alliance. Dort haben sich zwölf europäische Konzernchefs aus verschiedenen Branchen zusammengetan, um in gemeinsamen Projekten den CO₂-Ausstoß der Industrie zu senken.

Diess: Stehen „voll und ganz“ hinter den Klimazielen der EU

Bei einem Treffen in Paris bestärkte die Runde ausdrücklich die EU-Kommission. „Die CEO-Alliance steht voll und ganz hinter den Klimazielen der EU-Kommission, für die es keine Alternative gibt“, sagte Diess. Der VW-Chef zeigt sich seit Monaten betont gelassen angesichts schärferer Grenzwerte – nicht zuletzt, weil er sich Wettbewerbsvorteile für seinen Konzern verspricht, den er gerade radikal auf Elektromobilität umstellt.

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Auch Diess sagte aber, es sei jetzt „Zeit, die politische Diskussion dahin zu verlagern, wie diese Ziele erreicht werden“. Einig sind sich Müller und Diess auch beim Thema Tempolimit: Es schade mehr, als es nütze.

Die Topmanager, zu denen aus Deutschland auch SAP-Chef Christian Klein gehört, fordern einen CO₂-Preis für alle Branchen in allen Ländern. Das sei der effizienteste Weg, die Emissionen zu drücken. Im Blick haben sie dabei neben dem Verkehr auch die Heizungen. Im Herbst wollen die Konzernchefs außerdem konkrete gemeinsame Projekte präsentieren und bei einem Gipfel mit „hochrangigen EU-Vertretern“ diskutieren.

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