Edge-Computing: So schnell wie das menschliche Nervensystem

Eine Straße mit Binärcode führt zu einer stilisierten Platine (Symbolfoto).

Eine Straße mit Binärcode führt zu einer stilisierten Platine (Symbolfoto).

Frankfurt. Da kann ein Online-Computer-Spieler seinen Controller schon mal vor Wut in die Ecke schmeißen. Wenn‘s beim virtuellen Autorennen mit dem Beschleunigen aus der Kurve ruckelt oder wenn er/sie bei Überholmanövern keine Chance hat. „Latenz“ heißt das Problem. Doch gegen die für Highspeedgamer so ärgerliche Verzögerungszeit gibt es ein Rezept: Edge-Computing wird es genannt. Der Digitalkonzern Vodafone hat am Freitag die ersten Rechner dafür in Betrieb genommen. Auch die beiden anderen Mobilfunknetzbetreiber (Deutsche Telekom und Telefonica/O2) basteln an der neuen Infrastruktur.

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„Echtzeit“ lautet das aktuelle Buzzwort beim finalen Ausbau der Netze mit der neuen 5G-Technik. „Mit Echtzeitservern direkt in unserem Netz komplettieren wir die 5G-Infrastruktur“, sagte Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Er betont: Sein Unternehmen bringe neben hohen Bandbreiten nun auch Echtzeitservices nach Deutschland. Es geht dabei natürlich nicht nur um Spielerisches wie die Autorennen von Onlinegamern. „Echtzeitinternet ist zu Beginn vor allem für die Industrie wichtig, beispielsweise um Maschinen aus der Ferne zu steuern“, erläutert Ametsreiter.

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Mehr noch: Vodafone hat Edge-Computing anhand des Kölner Doms demonstriert. Die Monheimer Firma Northdocks hat die Fassade des Gotteshauses mittels 200.000 Aufnahmen, die Drohnen gemacht haben, bis ins kleinste als sogenannten digitalen Zwilling nachgebaut. Damit ist es den Mitarbeitenden der Dombauhütte möglich, das Äußere des Doms auf Schäden zu inspizieren und Wartungsarbeiten zu planen, ohne auf Gerüste klettern zu müssen. Denn das wird nun mittels Virtual-Reality-Brillen erledigt. Damit das hochaufgelöst und ohne Ruckeln möglich ist, braucht es aber eine enorme Rechenleistung, schließlich müssen gigantische Datenmengen transportiert werden.

Bislang wäre so was nur mit großen Computern im Keller der Dombauhütte möglich gewesen. Nun benötigen die Domreparierer lediglich die VR-Brillen und ein Handy – dank Edge, das mit einer Art Datendirektverarbeitung arbeitet. Herkömmliches Cloud-Computing bedeutet, dass digitale Informationen in der Regel um die halbe Welt geschickt werden. Mit Edge wird eine neue dezentrale Infrastruktur aufgebaut. Vodafone hat gerade seine ersten drei Standorte mit Echtzeitservern in Berlin, Dortmund und München in Betrieb genommen.

Schneller Datentransport durch kurze Wege

Die kürzeren Wege beschleunigen den Datentransport, der mittels 5G funktioniert. Das freut die Onlinegamer, denn so werden Reaktionszeiten auf ein Niveau minimiert, das den Übertragungsgeschwindigkeiten im menschlichen Nervensystem entspricht. Also null Verzögerung. Dass das funktioniert, hat Telefonica/O2 schon im Sommer in München vorgeführt. Selbst die „anspruchsvollsten und grafikintensivsten Spiele“ würden so in bester Qualität laufen, teilt Telefonica mit.

Mit dieser Technik lässt sich noch allerhand mehr anstellen. Virtuelle Trainings für Feuerwehren und Rettungskräfte, die Wartung von Flugzeugen. Energiekonzerne arbeiten daran, die Versorgung von ganzen Städten mit Strom oder Fernwärme so zu steuern – auch hier kommen digitale Zwillinge zum Einsatz.

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Natürlich können auch Roboter, ganze Autofabriken oder Chemieparks kontrolliert werden. Die Deutsche Telekom hat auf dem Gelände der Deutschen Messe in Hannover bereits ein Demonstrations-Echtzeitnetz eingerichtet. Unternehmen soll damit die Gelegenheit gegeben werden, den neuen ultraschnellen Datentransport ausprobieren zu können.

Der Elektronikverband ZVEI sieht dann auch „komplett neue Anwendungsmöglichkeiten“: So könnten Maschinen „ortsunabhängig“ über Ländergrenzen hinweg bedient und analysiert werden – mit nichts weiter als einem Tablet. 5G werde immer mehr wichtiger Bestandteil moderner Industrieanlagen, was nur zusammen mit der Verwendung des digitalen Zwillings möglich sei“, so ZVEI-Experte Gunther Koschnick.

Auch für Start-ups und Entwickler geeignet

Vodafone-Chef Ametsreiter betont indes, dass all dies nicht nur etwas für Großkonzerne sei. Mit 5G-Edge-Computing in Kombination mit der Cloudtechnologie von Amazon Web Services könnten nun eben auch „Gamer, Start-ups und Entwickler, die keine eigene Serverinfrastruktur vor Ort aufbauen und pflegen können, einfach und von jedem Ort auf Echtzeitdienste zugreifen und diese wiederum ihren Kunden bereitstellen“.

So lassen sich Kosten enorm drücken. Einen weiteren Vorteil sehen die Mobilfunker in einem verbesserten Datenschutz. Durch viele dezentrale Server bleiben die digitalisierten Informationen ganz physisch in der Nähe und werden nicht mehr an einem unbekannten Ort irgendwo in der großen weiten Welt verarbeitet und gespeichert.

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Die mutmaßlich für viele Verbraucherinnen und Verbraucher einschneidendsten Neuerungen durch Edge-Computing dürften sich in naher Zukunft aber auf den Straßen zutragen: Beim vollautonomen Fahren mit Roboterautos braucht es den superschnellen Mobilfunk, damit Fahrzeuge mit Fahrzeugen kommunizieren und sich gegenseitig beispielsweise vor Gefahren oder vor Kindern auf der Fahrbahn hinter der nächsten Straßenecke warnen.

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