Emissionshandel der EU: Wie ein großer Schritt für mehr Klimaschutz gelingen soll
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Dampf aus Industrieschornsteinen zieht über den Industriepark Höchst.
© Quelle: Hannes P. Albert/dpa
Frankfurt am Main. Die EU-Staaten haben sich auf eine Reform des sogenannten Emissionshandels geeinigt. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet.
Worum geht es beim Handel mit den sogenannten Verschmutzungszertifikaten?
Das System wurde innerhalb der EU schon 2005 eingeführt. Das Grundprinzip: Industrieunternehmen und Kraftwerke, die Treibhausgas – vor allem CO₂ – in die Luft blasen, müssen dafür bezahlen, indem sie sich für jede emittierte Tonne entsprechende Zertifikate kaufen. Das soll die Unternehmen dazu ermuntern, „sauberer“ zu werden und weniger Kohlendioxid auszustoßen. Diese Papiere werden an den Energiebörsen gehandelt.
Ein größerer Teil wird den Unternehmen bislang aber kostenlos zugeteilt. Das soll Wettbewerbsnachteile gegenüber Industrieunternehmen von außerhalb der EU verhindern. Dies führte jahrelang zu extrem niedrigen Preisen von unter 10 Euro pro Tonne, was das Handelssystem praktisch wirkungslos machte. Erst eine deutliche Verknappung der Zertifikate führte zu höheren Notierungen. Aktuell kostet die Tonne um die 88 Euro.
Was ist nun beschlossen worden?
Die EU-Staaten haben sich nun darauf verständigt, die Zahl der Zertifikate weiter zu senken. Von 2034 an soll es keine kostenlosen Verschmutzungsrechte mehr geben. Ziel ist, dass sich die Preise für die Papiere steigen, was Investitionen in klimafreundliche Technologien fördern soll. Firmen, die nicht investieren, müssen also mit steigenden Kosten rechnen.
Auch der See- und der Luftverkehr sollen in das System integriert werden. Wie stark dies auf die Preise für Verbraucher durchschlägt, lässt sich nicht vorhersehen. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sprach im Deutschlandfunk von einem „Durchbruch“, der immerhin für einen europaweiten Kohleausstieg noch vor 2030 sorgen könnte.
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Gibt es weitere Komponenten?
Es soll von 2027 ein zweiter Emissionshandel installiert werden, der die Verbraucher unmittelbar betrifft. Denn er wird die Emissionen des Straßenverkehrs und des Heizens von Gebäuden bepreisen. Ein derartiges System wurde hierzulande bereits 2021 eingeführt. Aktuell sind es 30 Euro pro Tonne, dabei soll es auch im nächsten Jahr bleiben. Diese CO₂-Steuer ist in den Preisen für Heizöl, Kraftstoff und Erdgas bereits enthalten. Pro Liter Benzin macht das rechnerisch knapp 10 Cent aus.
Geplant ist, dass der hiesige Preis von 2026 an auf 55 bis 65 Euro pro Tonne steigt. Das steht im Widerspruch zu den EU-Beschlüssen. Hier läuft es nach Edenhofers Einschätzung auf eine Art Deckel von 45 Euro hinaus. Wird es teuer, könnten zusätzliche Zertifikate auf den Markt geworfen werden, um den Preis zu drücken. Wie die beiden Systeme miteinander kompatibel gemacht werden, ist noch völlig offen.
Gibt es weitere Absicherungen für Verbraucher?
Es wird ein sogenannter Sozialfonds für Verbraucher eingerichtet, die besonders stark unter der CO₂-Bepreisung leiden. Unterhändler des EU-Parlaments und der Staaten haben beschlossen, dass der Topf für die Zeit von 2026 bis 2032 mit knapp 87 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Zertifikate gefüllt werden soll. Die EU will damit unter anderem höhere Heizkosten abfedern. Zudem sollen aber auch Investitionen in effizientere Gebäude oder den Ausbau des klimafreundlichen öffentlichen Verkehrs finanziert werden. Der Fonds und die beiden Handelssysteme sind das Herzstück des EU-Klimapakets „Fit for 55″, das zum Ziel hat, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu drücken, was wiederum helfen soll, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Bislang wurden die Emissionen seit 1990 um 33 Prozent gesenkt.
Wie wird sichergestellt, dass die Unternehmen nicht von Rivalen außerhalb der EU unterboten werden?
Dafür soll eine Art CO₂-Zoll eingeführt werden. Offiziell ist von einem Grenzausgleich die Rede – von 2034 an, also dem Jahr, da es keine kostenlosen Zertifikate mehr gibt. Wer Produkte in der EU verkaufen will, muss einen Aufschlag beim Import in die Union zahlen.
Wie wirksam werden die beschlossenen Maßnahmen sein?
Edenhofer hat den zweiten Emissionshandel (für Gebäude und Verkehr) als „viel zu weich“ bezeichnet. Dennoch verteidigt er den Kompromiss, weil auf diesem Feld die Einführung einer EU-weiten Bepreisung dringend notwendig sei. Er hofft, dass da noch nachgeschärft wird. Wenn es jetzt aber keine Einigung gegeben hätte, wäre dieses Instrument in weite Ferne gerückt, so der Klimaökonom. Umweltschützer hatten bereits vor längerer Zeit darauf aufmerksam gemacht, dass Preise notwendig seien, die sogar noch weit über den deutschen Plänen liegen müssten, um eine wirksame Reduzierung des CO₂-Ausstoßes zu erreichen. Mehrfach wurden 100 Euro pro Tonne genannt. Gut möglich, dass sich beim Thema Straßenverkehr die Sache quasi von selbst erledigt, wenn die Elektromobilität in den nächsten Jahren dynamisch wächst. Die Beschlüsse müssen noch endgültig durch das EU-Parlament und die nationalen Regierungen bestätigt werden. Änderungen werden aber nicht mehr erwartet.