Gastronomie, Dienstleistungen, Tourismus: Diese Jobs gefährdet die Coronakrise
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Besonders für die Gastronomie stellt das Coronavirus ein großes wirtschaftliches Risiko dar.
© Quelle: Marc Tirl/ZB/dpa
Das Coronavirus breitet sich in Europa aus – und die Sorgen um die Folgen für die Wirtschaft sind groß. Längst plant die Bundesregierung stützende Maßnahmen. So soll etwa das Kurzarbeitergeld verhindern, dass in Schwächephasen Beschäftigte entlassen werden. Auch könnten Überbrückungskredite grundsätzlich gesunden, aber zeitweise strauchelnden Unternehmen helfen. Ob das reichen wird, ist allerdings unklar.
Die Chefökonomen der wichtigsten deutschen Wirtschaftsinstitute traten am Mittwoch gemeinsam vor die Presse, um die aktuellen Risiken zu konkretisieren. Denn aus Sicht des Münchener Ifo-Instituts, des IfW in Kiel, des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) und anderer Einrichtungen gibt es aktuell zahlreiche Probleme. Denn einerseits sind ihnen zufolge Unternehmen gefährdet, die auf Zulieferer aus vom Coronavirus betroffenen Gebieten angewiesen sind. Auch drohen laut den Spitzenökonomen hierzulande teure Produktionsausfälle, wenn wegen des Coronavirus ganze Betriebe zeitweise schließen müssen, wenn Beschäftigte erkrankt sind.
Andererseits könnte das Coronavirus auch die Nachfrage nach Dienstleistungen und Konsumgütern schmälern – weil Veranstaltungen ausfallen und weil Verbraucher wegen der Krise weniger Geld ausgeben. “Im ersten Halbjahr werden wir mit hoher Sicherheit eine Rezession haben“, sagte deshalb der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr.
Insgesamt zeichnet sich ab, dass das Coronavirus die Beschäftigten in unterschiedlichen Branchen unterschiedlich treffen wird.
Industrie
Wie sich das Coronavirus auf die heimische Industrie auswirkt, ist noch weitgehend unklar. Wie in allen Wirtschaftszweigen können Coronafälle zu zeitweisen Betriebsschließungen führen, was aber mit Kurzarbeitergeld und möglicherweise Entschädigungen sowie Überbrückungskrediten zeitweise aufgefangen werden könne, schreiben die Ökonomen. Die Spielräume dafür erweitert die Bundesregierung gerade. Die Hoffnung ist, dass wegen des Coronavirus möglichst niemand seinen Job verliert. Allerdings geht das Kurzarbeitergeld mit bis zu 40 Prozent weniger Entgelt einher, wie die IG Metall warnt.
Internationale Unternehmen
International besonders vernetzte Wirtschaftszweige wie die Automobilindustrie und der Maschinenbau stehen vor einer weiteren Herausforderung: Sie sind auf Lieferungen aus China angewiesen – die wegen dortiger Fabrikschließungen zum Teil auf sich warten lassen. Auch gibt es erste Unternehmen, die Probleme mit Lieferanten aus Italien haben. “Vieles spricht dafür, dass der deutschen Volkswirtschaft der Höhepunkt dieser Produktionsausfälle noch bevorsteht”, schreiben die führenden Wirtschaftsforscher in ihrer gemeinsamen Prognose. Die Bundesregierung erwägt, Unternehmen in solchen Fällen mit kurzfristigen Krediten über Wasser zu halten. Auch Kurzarbeit kommt bei solchen Engpässen infrage.
Gastronomie und Kulturveranstaltungen
Gastronomie und Kulturveranstaltungen dürften aus Sicht der führenden Wirtschaftsforscher zu den am heftigsten betroffenen Branchen zählen. Die Experten prognostizieren, dass die Nachfrage nach Restaurantbesuchen und Kulturveranstaltungen deutlich abnimmt. Zusätzlich belasten die zahlreichen Absagen von Messen und anderen Großveranstaltungen die Geschäfte von Hotels und Restaurants massiv, wie jüngst der Gastronomieverband Dehoga warnte. Anders als bei Anschaffungen rechnen die Fachleute nicht damit, dass dieser sogenannte “soziale Konsum” in vollem Umfang nachgeholt wird – weshalb Restaurants, Cafés, Theatern, Kinos und Veranstaltungshallen ein mageres Jahr bevorstehen dürfte. Festangestellte können deshalb auf Kurzarbeitergeld hoffen, bei Ausfällen wegen Anordnungen zur Quarantäne kann es zudem Entschädigungen für Unternehmen geben. Unklar ist, wie es um die zahlreichen Freiberufler im Kulturbereich bestellt ist – derzeit melden etwa reihenweise Musiker und Autoren, dass ihre Auftritte wegen des Coronavirus abgesagt werden.
Tourismus und Luftfahrt
Tourismus und Reisebranche trifft das Coronavirus hart. “Schon jetzt leidet die Tourismuswirtschaft mit ihren drei Millionen Beschäftigten enorm unter den Auswirkungen des Coronavirus, und der Höhepunkt der Krise ist voraussichtlich noch nicht erreicht”, warnt etwa der Bundesverband der deutschen Tourismuswirtschaft. Auch die führenden Wirtschaftsforscher sehen den Tourismus – ob Ausland oder Inland – besonders gefährdet, weil einerseits das Virus das Interesse an Reisen hemmt und andererseits Verbraucher in wirtschaftlich unsicheren Zeiten häufig beim Urlaub sparen. Große Airlines haben – auch wegen massenhaft abgesagter Dienstreisen – massive Sparkurse angekündigt, die auch zu Einbußen für die Beschäftigten führen. Auch hier gilt, dass Kurzarbeit und Überbrückungskredite die Auswirkungen abfedern können.
Mode und andere Anschaffungen
Aus Modegeschäften gibt es bereits erste Klagen, dass Lieferungen ausfallen, flächendeckend scheint das aber kein Problem zu sein. Das könnte sich ändern: Zuletzt wurden auch in der Textilbranche zahlreiche Messen abgesagt, zudem gibt es Sorgen bei der Lieferbarkeit kommender Kollektionen, weil in den Herstellerländern ebenfalls das Virus grassiert. In Österreich berichtet der Modehandel zudem über deutlich weniger Kunden, entsprechende Erkenntnisse für Deutschland liegen nicht in aussagekräftiger Form vor. Aus Sicht der Ökonomen gilt das nicht nur den Modehandel: “Verunsicherte Konsumenten könnten dafür aber vor größeren Anschaffungen oder dem Kauf langlebiger Konsumgüter zurückschrecken”, warnen sie. Allerdings bestehe die Hoffnung, dass solche Ausgaben nachgeholt werden, wenn die Krise nachlässt – was möglicherweise schon im zweiten Halbjahr zu einer Belebung der Geschäfte führen würde.
Die Lebensmittelbranche
In der Lebensmittelbranche – egal, ob Handel oder Herstellung – zeichnen sich bislang keine größeren Verwerfungen ab. Im Gegenteil: Durch die Hamsterkäufe seien die Lebensmittelmärkte schwer beschäftigt, dies wiederum erfordere mehr Personal und mehr Lieferverkehr, sagte etwa jüngst Sabine Hagmann vom Handelsverband Baden-Württemberg der “Stuttgarter Zeitung”. Dementsprechend müssen sich die Beschäftigten in der Lebensmittelbranche vergleichsweise wenig Sorgen machen. Zum Teil könnte der Handel sogar zusätzlich davon profitieren, dass wegen des Coronavirus weniger Restaurants aufgesucht werden. “Die Erfahrung bei dramatischen Ereignissen der Vergangenheit wie dem Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 zeigt: Die Leute bleiben dann gern zu Hause und gönnen sich etwas”, sagte jüngst ein Händler der Nachrichtenagentur dpa.