Glasfasersektor: „Die Branche kann Subventionen vielfach nicht mehr gebrauchen“
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Bunte Leerrohre für Glasfaserkabel: So kommt das Hochgeschwindigkeitsinternet auch auf dem Land in die Häuser.
© Quelle: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa
Frankfurt/Main. In der Telekommunikation tut sich Bemerkenswertes. Jahrelang kam der Ausbau der Glasfaserleitungen für superschnelles Internet nur sehr langsam voran – insbesondere im ländlichen Raum. Doch jetzt ist das Interesse von Investoren enorm. Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, fordert deshalb im RND-Interview von der neuen Bundesregierung: Die staatliche Förderung für den Netzausbau muss komplett umgekrempelt werden. Die Branche könne die staatlichen Subventionen in vielen Fällen nicht mehr gebrauchen, da sie kontraproduktiv wirken würden.
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Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM.
© Quelle: vatm
Herr Grützner, der Ausbau der Festnetze mit superschnellen Glasfaserleitungen kommt heftig in Bewegung. Wieso?
Wir können tatsächlich von einer Wende sprechen. Einerseits sehen Nutzer, wie attraktiv hohe Bandbreiten sind. Andererseits entdecken immer mehr Investoren den großen deutschen Markt, der noch nicht allzu stark besetzt ist. Reine Glasfaseranschlüsse haben noch einen relativ geringen Marktanteil. Für die Politik ist wichtig: Investoren gehen jetzt bewusst in den ländlichen Bereich, weil dort viel besser geplant werden kann, mit welchen Kosten und welchen Einnahmen sie rechnen können.
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Der Tag
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Was sind die Faktoren für erfolgreiche Investments in der Provinz?
Ganz entscheidend ist die Zahl der Kunden, die einen Anschluss bestellen wollen. Und diese Zahl wächst. Zudem können Investoren sicher sein, dass sie nicht mit starken anderen Infrastrukturen als Konkurrenz kalkulieren müssen. Ferner haben sich die Investoren verändert: Ihnen geht es nicht mehr um den schnellen Euro. Versorgungsfonds mit einem langfristigen Anlagehorizont zeigen großes Interesse. Da geht es um niedrige, aber verlässliche Renditen. Jetzt sind Regionen eigenwirtschaftlich ausbaubar, die es vorher nicht waren.
Der Glasfaserausbau kommt quasi von selbst in Schwung.
Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung für die Länder und die Kommunen. Denn der eigenwirtschaftliche Ausbau geht schneller als der geförderte. Alle Investoren haben jetzt das Interesse, möglichst schnell zu bauen. Weil sie vor anderen zum Zuge kommen wollen. Wir haben jetzt ein Windhundrennen der Investoren, auch weil sehr viel Geld angelegt werden will.
Warum dauern Förderverfahren so lange?
Bei einer staatlichen Förderung müssen Kommunen ein sehr aufwendiges Verfahren vorschalten, mit dem sie offiziell den Markt erst einmal erkunden. Daraus muss dann die Höhe der Förderung abgeleitet werden. Mit den dann noch erforderlichen Ausschreibungs- und Genehmigungsverfahren dauert das oft zwei bis drei Jahre länger.
Wir müssen jetzt alles daransetzen, dass diese zeitraubenden und kostspieligen Markterkundungsverfahren vermieden werden. Wir müssen einen Weg finden, dies klüger zu gestalten. Denn es ist doch aberwitzig, dass Regionen, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau jetzt möglich ist, fälschlicherweise zu Fördergebieten erklärt werden, was den Ausbau der Glasfasernetze nicht voranbringen, sondern ihn verlangsamen würde.
Eine kuriose Situation. Normalerweise können Unternehmen von Subventionen gar nicht genug kriegen.
Wir haben eine geradezu ideale Win-win-Situation, die es bislang nicht gab. Die Branche kann staatliche Subventionen in vielen Fällen nicht mehr gebrauchen, sie würden kontraproduktiv wirken. Weit über 90 Prozent der Gebiete hierzulande sind mittlerweile eigenwirtschaftlich mit Glasfasernetzen erschließbar und damit schneller ausbaubar als mit Förderung.
Wie soll künftig die Erschließung einer Region laufen?
Man muss sich Kommunen wie eine Perlenkette vorstellen. Dorf A hat derzeit die höchste Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen. Deshalb wird das Netz da zuerst errichtet. Wenn die Infrastruktur dort steht, wird es auch leichter, eine Leitung ohne Subventionen ins Nachbardorf zu legen, wo die Nachfrage etwas geringer ist. Und wenn dort die Kabel liegen, kann auch das Dorf C mit noch geringerer Nachfrage etwas später erschlossen werden.
Nach dem jetzigen Förderregime, das nur einen Planungshorizont von drei Jahren vorsieht, was inzwischen vollkommen sinnlos ist, würde hingegen zuerst in Dorf C viel mit Förderung gebaut, obwohl es zum Beispiel nach vier Jahren problemlos ohne Förderung erreicht werden könnte.
Und die beiden anderen Dörfer müssten wegen begrenzter Baukapazitäten hinten anstehen, obwohl da die Nachfrage vielleicht größer ist. So etwas müssen wir verhindern, weil dies einen ökonomisch sinnvollen Ausbau verhindert und die Versorgung mit schnellem Internet ganz dramatisch verzögert.
Also die staatliche Förderung ganz streichen?
Nein, wir brauchen die Förderung weiterhin – auch das Markterkundungsverfahren –, aber nur in den wenigen Gebieten, wo man eine Förderung wirklich noch braucht. Dabei handelt es sich um Kommunen, in denen auch mittel- und langfristig – also zumindest in den nächsten fünf Jahren – kein eigenwirtschaftlicher Ausbau möglich ist.
Das hört sich anspruchsvoll an. Wie kann die nächste Bundesregierung all dies umsetzen?
Es braucht ein Instrument, das der Markterkundung und dem komplexen Förderverfahren quasi vorgeschaltet wird. Eine Art Landkarte – wir nennen es Mapping plus: Es müssen die Regionen gekennzeichnet werden, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau innerhalb von fünf Jahren möglich ist.
In diesen Gebieten muss zudem gewährleistet sein, dass die Leitungen in den Orten zuerst gelegt werden, die die größte Nachfrage nach Glasfaser aufweisen. Es gilt dann, nach zwei oder drei Jahren zu entscheiden, welche Ortschaften nachfragegesteuert als nächste zum Zuge kommen. Um solch ein planvolles Vorgehen zu gewährleisten, kommt den Kommunen tatsächlich eine anspruchsvolle Koordinierungsaufgabe zu.
Wie bewerten Sie die Relevanz von all dem?
Es ist eines der wichtigsten Projekte in der neuen Legislaturperiode, denn es geht um maximales Tempo für die Basisinfrastruktur unserer Digitalisierung. Und die gehört ganz nach oben auf die politische Agenda.