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Können Arbeitnehmer sich für den Impftermin freistellen lassen?

Noch ist der mögliche Impftermin für die meisten in weiter Ferne. Können Arbeitnehmer sich für den Impftermin freistellen lassen? Diese Frage wird sich für viele stellen, wenn der Tag kommt.

Noch ist der mögliche Impftermin für die meisten in weiter Ferne. Können Arbeitnehmer sich für den Impftermin freistellen lassen? Diese Frage wird sich für viele stellen, wenn der Tag kommt.

Hannover. Bis zum Ende des Sommers am 21. September 2021 soll jedem Bürger ein Impfangebot gemacht werden – das ist zumindest das Ziel von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wie realistisch dieses Vorhaben ist, stellt das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) in Frage. Wer tatsächlich wann an der Reihe ist hängt noch von einigen unsicheren Faktoren ab. Dennoch wird der Tag kommen, an dem auch diejenigen, die nicht berufsbedingt vorher schon gepikst wurden, ein Impfangebot erhalten. Dann allerdings stellt sich den meisten die Frage: Kann ich mich für meinen Impftermin von der Arbeit freistellen lassen? Arbeitsrechtler sind sich da noch uneinig.

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Ferdinand Brüggehagen ist Anwalt für Arbeitsrecht in Hannover. Für ihn sei die Sache rechtlich klar: „Meine Antwort wäre nein. Er ist ja nicht arbeitsunfähig. Das ist eine rein vorbeugende Maßnahme. Aus meiner Sicht wäre der Arbeitnehmer verpflichtet, sich einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu besorgen. Das ist ja auch nicht unmöglich.“ Er sieht bei dem Impftermin einen Unterschied zu einem normalen Arzttermin, da der Angestellte dort im Normalfall bereits krank ist und somit arbeitsunfähig. Generell davon ausgenommen sind aber natürlich alle, die gesundheitlich oder berufsbedingt, wie medizinisches Personal oder Erzieher, als Risikogruppe gelten.

Impftermin könnte als Sonderurlaub gelten

Rechtsanwältin Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), sieht das allerdings anders: „Gemäß § 616 BGB darf der Arbeitnehmer sich freistellen lassen, wenn der Impftermin nicht außerhalb der individuellen Arbeitszeit gelegt werden kann.“ Der Paragraph 616 regelt, dass Angestellte zu bestimmten Anlässen, wie Beerdigungen oder Hochzeiten, einen Anspruch auf Sonderurlaub haben. Das betreffe auch dringende Arzttermine, die außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich sind.

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Möglicherweise stellt der Arbeitgeber auch aus Kulanz frei, um mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung die Impfungen zu unterstützen.

Nathalie Oberthür,

Rechtsanwältin und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)

Diese Regelung gelte allerdings nur, wenn sie im Arbeitsvertrag nicht außer Kraft gesetzt wurde. Eine Freistellung sollte auf jeden Fall mit dem Arbeitgeber abgestimmt sein, sagt Oberthür. Ausgenommen sind allerdings die Fälle, bei denen der Beschäftigte einen Angehörigen zum Impftermin bringt. „Dazu müsste man zum Beispiel Urlaub oder einen Freizeitausgleich nehmen“, sagt Oberthür. „Möglicherweise stellt der Arbeitgeber auch aus Kulanz frei, um mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung die Impfungen zu unterstützen.“

Moralisch betrachtet ist Brüggehagen der selben Meinung: „Aus meiner Sicht ist es mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dafür freistellt, aber das ist mehr eine moralische Verpflichtung.“ Ihn selbst betreffe diese Fragestellung als Arbeitgeber der Kanzlei schließlich auch. „Wenn eine Mitarbeiterin fragt, ob sie zu ihrem Impftermin gehen kann, sage ich natürlich ja.“

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