Konjunktur: Der Daumen zeigt nach unten
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Ein Dachdecker mit Dachlatten. Holz ist zum Symbol für Engpässe bei wichtigen Materialien geworden. Die diversen Knappheiten sind weltweit eine Bremse für die Konjunktur.
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Frankfurt. Die Sorgen über die konjunkturelle Entwicklung wachsen. Sowohl bei den Volkswirten des Internationalen Währungsfonds (IWF) als auch bei den hiesigen Finanzmarktprofis. Der IWF hat seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum weltweit gering, aber für viele Industrieländer deutlicher korrigiert.
Deutschland trauen die Experten für dieses Jahr nur noch eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 3,1 Prozent zu. Im Juli war es noch ein halber Prozentpunkt mehr. Für die USA, dem wichtigsten Handelspartner der Unternehmen hierzulande, wird die Prognose um einen ganzen Prozentpunkt auf nur noch 6 Prozent reduziert. Die Lokomotive für die Weltkonjunktur bleibt die zweitgrößte Volkswirtschaft China: Dem Reich der Mitte trauen Chefvolkswirtin Gita Gopinath und ihre Leute ein Wachstum von 8 Prozent zu.
Indes sehen die IWF-Experten insgesamt immer deutlicher, dass sich die Erholung von der Corona-Seuche verlangsamt. Einerseits verbreite sich die hochinfektiöse Delta-Variante weiterhin sehr schnell in vielen Ländern. Heftige Ausbrüche in verschiedenen Regionen hätten zu Unterbrechungen der globalen Liederketten in einem stärker als erwarteten Maß geführt. Dies wiederum befeuere die Inflation in vielen Ländern.
Ein anschauliches Beispiel ist das Geschäft mit Sneakers. Ein großer Teil der Turnschuhe wird im Süden Vietnams zusammengenäht. In mehreren großen Produktionsstätten kam es zu Ausbrüchen mit der Delta-Variante. Die Regierung hat Werke ganz dichtgemacht oder die Zahl der zulässigen Arbeitskräfte stark reduziert. Die Sneakerproduktion stockt: Viele Turnschuhe, die auf Wunschzetteln gelistet sind, werden wohl nicht unter den Weihnachtsbäumen liegen. Weltmarktführer Nike hat seine Geschäftsprognosen zurückgeschraubt. Zugleich steigen die Preise für die Schuhe.
Mit der steigenden Inflation hat sich auch Gopinath intensiver befasst. Die hohen Werte, hierzulande erstmals seit vielen Jahren jenseits der 4 Prozent, seien eine Kombination aus hoher Nachfrage, Lieferengpässen und steigenden Rohstoffkosten. Zudem seien die Preise in der Vorjahreszeit wegen Corona extrem niedrig gewesen. Vor allem wegen Letzterem rechnet sie denn auch mit einer Entspannung bei der Teuerung im Laufe des kommenden Jahres.
Allerdings kalkuliert der IWF auch damit, dass sich hohe Inflationsraten in zahlreichen Schwellenländern noch länger halten werden. Höhere Ölpreise würden dort heftiger durchschlagen, für Nahrungsmittel gebe es massive Aufschläge – auch eine Spätfolge der Pandemie, weil weniger angebaut werden konnte.
Und schließlich litten viele Länder unter ihren schwachen Währungen, was Einfuhren verteuert, also Inflation importiert. Hier sieht der IWF die große Gefahr, dass die Schere zwischen den entwickelten Industriestaaten und den armen Ländern in Afrika oder Asien größer wird.
Arme Länder fallen weiter zurück
Die Folge: Nach aktuellen Schätzungen des Währungsfonds werden die reichen Staaten mit ihrer Wirtschaftsleistung 2024 ein knappes Prozent über dem Vor-Corona-Niveau liegen. Während die Entwicklungsländer dann immer noch 5,5 Prozent darunter rangieren würden. Das Rezept dagegen liegt für Gopinath auf der Hand: „Die Beschleunigung der Impfung der Weltbevölkerung bleibt die höchste politische Priorität.“
Die Folgen der Pandemie sind auch für Finanzmarktprofis hierzulande das aktuell dominierende Thema: Angesichts enormer Engpässe bei wichtigen Materialien schätzen sie die Aussichten für die deutsche Konjunktur so trüb ein wie seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr. Das Barometer des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sinkt im Oktober im fünften Monat in Folge, und zwar deutlich stärker, als viele Experten erwartet hatten – befragt wurden 172 Analysten und professionelle Anleger.
ZEW-Präsident Achim Wambach sagte, die Finanzmarktexperten erwarteten vor allem bei den exportorientierten Branchen wie dem Fahrzeugbau sowie der Chemie- und Pharmabranche eine Verschlechterung der Ertragslage. „Zudem belasten der Chipmangel im Fahrzeugbau und die Ressourcenverknappung am Bau.“
Die Preise für den Neubau von Wohngebäuden sind laut Statistischem Bundesamt im August um fast 13 Prozent gestiegen. Dies sei das Ergebnis der stark gestiegenen Materialpreise, erläuterte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. Für die Unternehmen bedeutet dies aber keine Ergebnissteigerung. Die für den Bau notwendigen Materialien hätten sich in kürzester Zeit aufgrund deutlich gestiegener Nachfrage stark verteuert. So habe der Erzeugerpreisindex für Bauholz im August um 120 Prozent über dem Vorjahresniveau gelegen.