Konjunktur: Killt das Corona-Comeback den Wirtschaftsaufschwung?

Weihnachtsmarkt: In Berlin gibt es das noch. Irene Osenbrügge bietet an ihrem Stand am Gendarmenmarkt Baumschmuck und Anhänger an.

Weihnachtsmarkt: In Berlin gibt es das noch. Irene Osenbrügge bietet an ihrem Stand am Gendarmenmarkt Baumschmuck und Anhänger an.

Frankfurt/Main. Ein harter Winter kommt auf uns zu. Das ist nicht meteorologisch gemeint, sondern wirtschaftlich. Für namhafte Ökonomen und Ökonominnen steht fest, dass die rasant steigende Zahl der Covid-Infektionen die Konjunktur spürbar eintrüben wird. Gastronomie, Tourismus und der Einzelhandel würden das in den nächsten Wochen zu spüren bekommen. Aber auch die Industrie wird es wohl treffen.

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„Ein dynamisches Pandemiegeschehen dürfte die wirtschaftlichen Aktivitäten einschränken, da vielerorts aus Sorge vor Ansteckung auf Konsum verzichtet wird“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Stimmung der Konsumenten ist derzeit jedenfalls nicht gerade himmelhoch jauchzend. Das geht auch aus einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zum Weihnachtsgeschäft hervor: Die Budgets für Geschenke schrumpfen. Viele Verbraucher rechnen zugleich mit steigenden Preisen wegen diverser Lieferengpässe. Und die Vorfreude auf das Fest und das dazugehörige Shopping werde dadurch getrübt, dass Weihnachtsmärkte und andere Veranstaltungen gar nicht oder nur mit Einschränkungen stattfinden.

Auch Michael Grömling vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), sieht, dass „der personennahe Dienstleistungsbereich noch ein weiteres Mal aus dem Tritt gerät“, so der Konjunkturexperte gegenüber dem RND. Und dafür brauche es noch nicht einmal neue Lockdowns: „Allein die Präferenzänderungen bei Konsumenten, die mit den enormen Inzidenzzahlen einhergehen, werden dazu führen, dass zumindest im Winterhalbjahr noch einmal die wirtschaftliche Entwicklung spürbar gebremst wird.“ Selbst viele jüngere Menschen trauten sich mittlerweile kaum aus dem Haus, scheuen beispielsweise den Besuch von Konzerten und anderen Veranstaltungen.

Keine Impulse mehr von der Industrie

Seine Prognose für die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung fällt düster aus. Und zwar nicht nur wegen abgesagter Weihnachtsmärkte: „Wir müssen die Erwartungen für das vierte Quartal deutlich zurückschrauben.“ Aufgrund der Produktionsstörungen in vielen Sektoren sei das ohnehin schon angezeigt gewesen. Dies habe sich wegen der Pandemie nun noch einmal verschärft, auch vielfach weil Arbeitskräfte fehlten. „Wir erwarten nun, dass von der Industrie im vierten Quartal keine Impulse kommen“, betonte Grömling – das IW stellt nächste Woche seine aktualisierte Konjunkturprognose vor.

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Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK, betont ebenfalls: „Das Wachstum im vierten Quartal 2021 und im ersten Quartal 2022 hängt nicht nur von den Kontaktbeschränkungen ab, sondern zentral von den Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten, insbesondere bei Halbleitern.“ Wegen des Materialmangels dürfte 2021 etwa ein Drittel der Autos nicht gebaut werden, für die Bestellungen vorlägen. Dullien hofft aber, dass sich die Engpässe in den nächsten Monaten auflösen und die deutsche Wirtschaft so an einer Rezession vorbeischrammen kann.

Doch auch unter den Börsianern, die lange Zeit euphorisch waren, wachsen Zweifel. Der Lockdown in Österreich habe Anlegern erst einmal die Laune verdorben, erläutert Stephan Weibel, Experte für die Stimmungen an den Finanzmärkten. Nach dem Allzeithoch des Deutschen Aktienindexes am Mittwoch voriger Woche ging es ziemlich mau weiter. Gestern sank das wichtigste hiesige Börsenbarometer abermals – bis zum späten Nachmittag zeitweise fast ein halbes Prozent. Die Ölpreise, ein weiterer wichtiger Indikator für die weitere Entwicklung, haben sich weit von ihren Notierungen von Ende Oktober entfernt – das Fass (159 Liter) der Referenzsorte Brent kostete am Montag weniger als 78 Dollar. Vor gut drei Wochen waren es noch mehr als 86 Dollar gewesen.

Mit Kurzarbeit die Beschäftigung stabilisieren

Über weitere Beschränkungen diskutiert die Politik indes immer intensiver. Und was wird mit den Unternehmen? Grömling rät der neuen Bundesregierung sich an Bewährtes zu halten: „Da wo Kurzarbeit greifen kann, muss sie genutzt werden, um auf Sicht gesteuert durch diesen Winter zu kommen. Da wo es geht, müssen wir Beschäftigungsverhältnisse stabilisieren.“ Grimm macht derweil auf Folgendes aufmerksam: „Lockdowns würden bedeuten, dass der Staat weiter Überbrückungszahlungen für die betroffenen Unternehmen leisten müsste. Wichtig dürfte auch sein, noch von früheren Lockdowns ausstehende Hilfszahlungen zügig zu tätigen. Ansonsten könnten Unternehmen sehr schnell unter Druck geraten.“

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Zwar lobt sie die Berliner Politiker für die Wiedereinführung kostenloser Covid-Tests. „Allerdings ist äußerst zweifelhaft, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichen, um das Pandemiegeschehen in den Griff zu bekommen“, fügt sie hinzu. Es brauche eine mittel- und langfristig tragfähige Strategie. Denn: „Wir können nicht dauerhaft eine große Zahl an Ungeimpften von Aktivitäten ausschließen oder gar wieder den Winter über die Interaktionen massiv herunterfahren, wenn keine langfristige Perspektive in Sicht ist.“ Die aktuelle Impfquote reiche bei weitem nicht aus, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. „Die Diskussion über Impfpflichten ist daher notwendig.“

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