Müssen „eine gewisse Sterblichkeit hinnehmen“: Institut für Wirtschaft legt Corona-Strategie vor
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„Wir müssen ökonomisch abwägen, was gesellschaftlich eine ethische Dimension hat, nämlich die Frage, wie viele Corona-Fälle und auch Corona-Tote in einer Welt mit umfassend verfügbarem Impfstoff hinnehmbar sind“, fordern Ökonomen des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaft.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/
Wie mit der Pandemie umgehen – darüber diskutieren auch Deutschlands Ökonomen. Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaft (IW) in Köln, plädiert dafür, eine gewisse Sterblichkeit hinzunehmen. Schließlich gehe es letztendlich um eine Abwägung: Auf der einen Seite die sozialen und wirtschaftlichen Kosten von Lockdowns, auf der anderen Seite die möglichen Vorteile für die Gesundheit.
Hüther trat in den vergangenen Monaten immer wieder als Gegner von No-Covid-Ansätzen auf. Dem etwa von Ifo-Direktor Clemens Fuest und mehreren Virologen geforderten Konzept erteilt Hüther auch in einem nun erschienenen Paper eine Absage. „Dass die Randlösung einer vollständigen Risikobeseitigung durch kurzzeitige, aber harte Maßnahmen zu langfristiger Sicherung vor Ansteckung führt und damit auch die wirtschaftlich überlegene Option ist, ist nicht wahrscheinlich”, schreiben die IW-Experten Hubertus Bardt und Hüther. Letzterer berät auch den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet.
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No Covid als Sackgasse
„Das Ziel der absoluten und dauerhaften Eliminierung des Coronavirus in Deutschland führt realistischerweise in eine Sackgasse“, sind die Autoren überzeugt. „Wir müssen ökonomisch abwägen, was gesellschaftlich eine ethische Dimension hat, nämlich die Frage, wie viele Corona-Fälle und auch Corona-Tote in einer Welt mit umfassend verfügbarem Impfstoff hinnehmbar sind”, fordern Hüther und Bardt stattdessen. “Deshalb müssen wir ein gewisses Gesundheitsrisiko und leider auch eine gewisse Sterblichkeit hinnehmen, um dauerhaft zur Normalität zurückkehren zu können,” bekräftigte Hüther laut der “Welt”.
Die beiden Autoren postulieren, dass sich drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens wirtschaftlich nicht lohnen. Ein kurzer und harter Lockdown offeriere nur theoretisch Erfolge, heißt es. Dabei stützen sich die Autoren auf Untersuchungen des Stanford-Professors Eran Bendavid. Der hatte in einer kürzlich veröffentlichten Studie festgestellt, dass es im internationalen Vergleich kaum Hinweise auf die Wirksamkeit von Lockdowns gebe – was im Widerspruch zu anderen Untersuchungen sowohl von Epidemiologen als auch Ökonomen steht.
Zugleich betonen Hüther und Bardt, dass sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Folgen der drastischen Einschränkungen im Alltag die Bundesrepublik teuer zu stehen kommen. Dabei verweisen sie neben den hohen wirtschaftlichen Kosten auch auf Studien, denen zufolge Lebensqualität und psychische Gesundheit von Kindern unter dem Lockdown leiden. Weil besonders viele beschäftigungsintensive Branchen geschlossen seien, treffe der Lockdown zudem Geringqualifizierte härter als Akademiker und Facharbeiter. „Diese ohnehin schlechtergestellten Gruppen leiden damit stärker”, heißt es.
Infektionszahlen nach unten drücken
Den Autoren zufolge ist es deshalb sinnvoller, die Infektionszahlen auf ein beherrschbares Maß zu drücken. Dazu brauche es einerseits eine bessere Datenerhebung, um gezielter gegen Hotspots vorzugehen. Auch müsse die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung gestärkt werden. Die gerade von der Bundesregierung geplante bessere Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests ist ein weiterer Baustein der vorgeschlagenen Strategie, ebenso wie der Aufbau eines leistungsfähigen Impfwesens.
Eine grundsätzliche Absage an Lockdowns erteilen indes auch Hüther und Bardt nicht. Bei hoher Inzidenz seien diese eine Option – allerdings unter der Bedingung schneller und unbürokratischer Hilfe für von Schließungen betroffene Unternehmen. Auch sollten bei Lockdowns Auswirkungen auf die Industrie vermieden werden, weil dies besonders hohe Folgekosten mit sich bringe.