Neues aus der Luxusklasse: Das erwartet Sie beim Bentley S1 Flying Spur
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Die Emily von Rolls-Royce mag immer noch bekannter sein, aber auch Modelle mit dem geflügelten B stehen bei Sammlern hoch im Kurs.
© Quelle: Bentley/dpa-tmn
Beverly Hills/Crewe. „Ein Bentley, wie er im Buche steht“ – als der britische Luxushersteller 1955 seinen Standard Steel Saloon vorgestellt hat, waren Kritiker wie Archie Vicar vom „Motorist’s Compendium and Driver’s Almanack“ wieder versöhnt. Denn nachdem die Ingenieure mit dem R-Type ein zumindest für Vicar vergleichsweise enttäuschendes Auto abgeliefert hatten, brachte die S1 genannte Limousine die Welt der Hautevolee wieder in Ordnung.
Elegant und richtig teuer
Als elegant, exklusiv und „effortless“, was viel majestätischer klingt als das deutsche „mühelos“, hat der Motorjournalist den Zwilling des Rolls-Royce Silver Cloud gelobt. Und die mindestens 3295 Britische Pfund dafür als ausgesprochen gute Investition gepriesen. Selbst wenn das damals mehr als dem Doppelten des durchschnittlichen Jahresverdienstes auf der Insel entsprach. Aber so sehr Vicar auch ins Schwärmen geraten sein mag, war selbst der beste Bentley manchen Besserverdienern noch nicht gut genug. Oder zumindest zu gewöhnlich.
Daher kauften viele Kunden ihren S1 so, wie es bis vor dem Krieg noch bei jedem Bentley der Fall war, zitiert Pressesprecher Wayne Bruce aus den Archiven: als nacktes Fahrgestell. Denn auch wenn die Briten seit 1946 selbst Karosserien entworfen und gebaut haben, wollten diese Kunden an der Tradition des Coachbuilding festhalten. Kein Auto von der Stange sollte vor ihrem Schloss oder Stadthaus parken.
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m Frack und Sauseschritt: Manche halten den Bentley S1 für die schönste Limousine der 1950er.
© Quelle: James Lipman/Bentley/dpa-tmn
Schniekes Alublechkleid und doppelter Preis
Besonders hoch im Kurs stand damals offenbar der Karosseriebauer H.J. Mulliner, der die ohnehin schon elegante Limousine mit einer neuen Aluminium-Karosserie noch etwas sportlicher eingekleidete.
Zwar verdoppelte sich der Preis dadurch und es standen schnell mal 8000 Pfund auf der Rechnung, berichtet Bruce. Doch zu den 2972 Standard Steel Saloons, die vom S1 zwischen 1955 und 1959 in Crewe gebaut wurden, kommen deshalb noch einmal 217 mit der schnittigen Mulliner-Karosse.
Deren Name hat den Oldtimer lange überlebt. Denn inspiriert von seinem Familienwappen, hat Mulliners Managing Direktor Arthur Talbot Johnstone die Limousine damals auf den Namen Flying Spur getauft. Bei Bentley hat man das nie vergessen.
Bei Bentley fliegt der Sporn bis heute
Als die Briten im Bieterstreit zwischen VW und BMW von ihrer Schwestermarke Rolls-Royce getrennt wurden und eigenständige Autos entwickeln mussten, gruben sie den Namen 2005 für ihre neue Limousine wieder aus – und haben ihn bereits in dritter Generation übernommen.
Probleme mit den Namensrechten hatten die Briten dabei nicht zu befürchten. Seit 1959 ist Mulliners Teil von Bentley. Bis heute übernimmt man dort die exklusiven Extrawürste bei Ausstattung und Lackierung, auf die Millionäre rund um den Globus offenbar so viel Wert legen. Auch die jüngste Auflage des Viertürers schwebt wieder als Flying Spur durch die höchsten Sphären des Automarktes. Als Plug-in-Hybrid mittlerweile auch rund 50 Kilometer rein elektrisch.
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Der aktuelle Flying Spur (r) trifft auf seinen Urahn der 1950er Jahre (l).
© Quelle: James Lipman/Bentley/dpa-tmn
Der Vergleich mit der Vergangenheit
Verführerisch funkeln dessen LED-Strahler bei der Premiere im noblen Peninsula Hotel in Beverly Hills hinter ihren wie aus Kristallglas geschliffenen, pfannengroßen Gläsern. Der Chrom glänzt blitzblank in der kalifornischen Sonne. Wohlig temperiert diffundiert der Luxus aus der mit feinem Leder und noch mehr Chrom dekorierten Kabine heraus – so wie Parfum aus einem mundgeblasenen Flacon.
Und doch: Wenn die Mechaniker aus dem Museumsfuhrpark der Briten das alte Original daneben stellen, verliert das aktuelle Modell alle Anziehungskraft. Majestätisch schiebt das schwarze Schmuckstück seinen langen Bug ins Bild und fängt mit seinem mächtigen Kühler alle Blicke. Selbst der Rolls-Royce Ghost, der sich als offizielle Hotel-Limousine wie ein Kuckuckskind aus alter Verbundenheit heimlich in die Parade geschmuggelt hat, wird geflissentlich ignoriert.
Leder, Holz und tiefe Teppiche
Dann öffnen sich die erschreckend kleinen Türen und geben den Blick frei in einen Salon wie aus dem Museum. Dickes, aber von den Jahren etwas brüchig gewordenes Leder lockt in tiefe Sessel. Tiefe Teppiche schlucken den Schall und die Augen wandern über ein Cockpit, das man noch mit Fug und Recht als Armaturenbrett bezeichnen darf. Die funkelnden Uhren der Instrumente sind tatsächlich in massivem Holz eingelassen. Selbst die Klimaanlage ist original und funktioniert noch.
Nur dass aus dem antiquierten Radio tatsächlich die aktuellen Charts plärren und nicht zumindest Frank Sinatra oder Elvis Presley, will so recht nicht passen. Doch dann fallen satt die Türen ins Schloss wie bei einem Tresor in der Bank von England. Ganz gediegen setzt sich die Limousine mit ihrer samtig schaltenden Automatik in Bewegung und fädelt sich wie in Zeitlupe ein in den dichten Verkehr auf dem Santa Monica Boulevard. Während die anderen Autofahrer ehrfürchtig Abstand halten, dreht die innere Uhr mit jeder Sekunde ein paar Jahre zurück.
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Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie diese Sitze sehen? Ja, richtig: "Die müssen ja knautschig weich sein."
© Quelle: Bentley/dpa-tmn
Sechs Zylinder – gestern wie heute
Treibende Kraft dabei ist ein Motor, der aktueller ist denn je. Denn unter der Haube steckt ein Sechszylinder, wie er nach zweieinhalb Generationen V8- und W12-Motoren nun auch im modernen Flying Spur wieder zum Einsatz kommt. Allerdings haben die beiden Aggregate nicht viel mehr als die Zahl der Zylinder gemein.
Wo heute 2,9 Liter Hubraum reichen, mussten es damals 4,8 Liter sein. Wo beim modernen Luxusliner ein E-Motor für souveräne Stille beim Bummel über den Hollywood Boulevard oder den Rodeo Drive sorgt, musste damals die Reihenanordnung der Zylinder die nötige Laufruhe garantieren. Und statt mit heute 306 kW/416 PS aus dem V6 oder gar einer Systemleistung von 400 kW/544 PS im Hybrid, bescheidet sich der alte Bentley mit gerade mal 132 kW/180 PS.
Von den 285 km/h Spitzentempo der aktuellen Limousine kann man deshalb am Steuer des Oldtimers nur träumen. Aber selbst heute ist sie noch gut unterwegs und schwimmt locker im Verkehr mit. Erst recht, weil sogar auf dem Pacific Coast Highway niemand schneller als 100 Sachen fährt. Schließlich haben die Cops ihre Radarpistolen hier in Kalifornien locker sitzen.
Aber wer damals Vollgas gab, fuhr den meisten anderen Limousinen locker davon. Auch denen, aus dem eigenen Hause. Mit höherer Kompression und anderer Übersetzung erreichte der Flying Spur von 1958 bereits über 160 km/h, erzählt der begleitende Mechaniker.
Die vielleicht schönste Limousine der 1950er Jahre?
Dass die Tester damals wie heute aus dem Schwärmen nicht mehr heraus kamen, kann Frank Wilke gut verstehen. Der Chef vom Marktbeobachter Classic Analytics ist schließlich nicht nur Spezialist für die Wertbestimmung von Oldtimern. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er auch Mitglied im Rolls-Royce Owners Clubs.
In dieser Zeit hat er sein Herz an den S1 verloren. „Denn vielen galt der Zwillingsbruder des Silver Cloud als die schönste Limousine der 1950er“, sagt Wilke über erzählt von einer eher ungewöhnlichen Klassiker-Karriere.
Denn absolut alltagstauglich, auch im hohen Alter noch konkurrenzfähig und obendrein grundsolide und bei den seltenen Problemen leicht zu reparieren, sei der S1 direkt vom Neuwagen zum Sammlerfahrzeug geworden. „Die übliche Delle, in der solche Autos plötzlich mal bezahlbare Gebrauchtwagen werden, hat der Flying Spur so nie erlebt“.
Und auch der vornehme Zwilling hat dem S1 nicht geschadet. Früher mag Bentley mal im Schatten von Rolls-Royce gestanden haben. Und wahrscheinlich ist die Spirit of Ecstasy auf dem tempelhaften Bug etwa eines Ghost als Kühlerfigur noch immer berühmter als das geflügelte B auf dem Kühlergrill eines Flying Spur.
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Kann es noch klassischer werden? Nein, vermutlich nicht, so dass sich der Bentley S1 nun in Ruhe im Schatten von der Ausfahrt abkühlen kann.
© Quelle: James Lipman/Bentley/dpa-tmn
Die Preise der Luxusschwestern liegen gleichauf
Doch je abgehobener sich Rolls Royce gibt und je begehrter die Briten bei Neureichen oder den Rap-Millionären werden, desto mehr interessieren sich zumindest die Sammler für Bentley, hat Wilke beobachtet. Das schlägt sich auch in den Preisen nieder.
Oldtimer der beiden Marken liegen bei ähnlichen Zustand längst gleichauf, sagt der Experte. Für den ersten Flying Spur rechnet er sogar mit einem gewaltigen Zuschlag. Wo es einen gewöhnlichen S1 heute ab 50.000 Euro gibt, muss man für einen Flying Spur laut Wilke mit 250.000 Euro rechnen.
Wem das zu teuer ist, dem sei ein Besuch beim Neuwagen-Händler empfohlen. Denn angesichts solcher Preise wirken die dort mindestens aufgerufenen 210 987 Euro für das aktuelle Modell mit Plug-in-Hybrid plötzlich nicht mehr ganz so überzogen.
RND/dpa