Prämiensparverträge: Verbraucherschützer und Bafin gegen Sparkassen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/UNMVBT3HKZBBFMMDXQ5QPYI7GQ.jpg)
Es sind neun Klagen wegen falsch berechneter Zinsen und Kündigung von Prämiensparverträgen gegen verschiedene Sparkasse eingereicht worden.
© Quelle: dpa
Es ist die neunte Klage gegen eine deutsche Sparkasse wegen falsch berechneter Zinsen und Kündigung von Prämiensparverträgen, aber wohl nicht die letzte. Per Musterfeststellungsklage zerren die Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) und ihr bayerischer Ableger nun die Stadtsparkasse München vor das Gericht. Die ist ein Schwergewicht aus dem Sparkassenlager, die viertgrößte ihrer Art bundesweit. „Nach unseren Berechnungen belaufen sich die Ansprüche auf durchschnittlich mehr als 4.600 Euro pro Vertrag“, sagt Finanzexperte Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern zu diesem Fall. Die Gesamtsumme der potentiell zu wenig bezahlten Zinsen rechnet er auf mehrere hundert Millionen Euro hoch. Das ist aber nur die Spitze eines riesigen Eisbergs im Meer der Sparkassen.
Bafin empfiehlt Verbrauchern, die Prämiensparverträge zu überprüfen
Denn bundesweit beschreiten mehr und mehr dieser Institute den Weg, den Sparkassen in Sachsen begonnen und solche in Bayern sowie Nordrhein-Westfalen fortgeführt haben. Weitere Sparkassen stehen in den Startlöchern, fürchten Verbraucherschützer. Die Banken kündigen heute Kunden, die vor gut 15 Jahren damals mäßig rentierliche, aber heute hoch lukrative Prämiensparverträge abgeschlossen haben und zahlen Sparern dabei seit Jahren zu wenig Zins. Zumindest sehen das Verbraucherschützer so. Die Sparkassen bestreiten beides, haben aber nun einen weiteren mächtigen Gegner. Das ist die deutsche Finanzaufsicht Bafin, die Ende 2020 einen Verbraucheraufruf gestartet hat.
„Die Bafin empfiehlt Verbrauchern, ihre Prämiensparverträge sorgfältig zu überprüfen“, lautet schon der erste Satz. Viele Altverträge enthielten Klauseln zur Zinsanpassung, mit denen Kreditinstitute zugesicherte Verzinsung einseitig abändern könnten. Diese Klauseln seien nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) unwirksam. „Wichtig ist, dass betroffene Sparer jetzt selbst aktiv auf ihre Institute zugehen und sich erläutern lassen, welche Klauseln ihr Vertrag konkret enthält“, rät Bafin-Vize Elisabeth Roegele auch mit Blick auf etwaige Verjährungsfristen. Zur Prüfung der Rechtskonformität der Klauseln verweist sie Sparer auf Verbraucherschutzzentralen oder alternativ einen Rechtsanwalt.
Bislang keine kundengerechte Lösung gefunden
Betroffen seien vor allem langfristig variabel verzinste Sparverträge aus 2004 und früher, sagt die Bafin. Sie ergreift öffentlich für Prämiensparer Partei, weil ein Runder Tisch Ende November 2020 mit Sparkassenverband und Verbraucherschützern keine kundengerechte Lösung gebracht hat. Das Sparkassenlager hatte sich verweigert. Die Bafin prüft deshalb nun weitere Optionen, ohne sie näher zu beschreiben.
Straub hat eine Vorstellung. Die Bafin könne eine Allgemeinverfügung erlassen und darin Sparkassen anweisen, ihre Kunden aktiv darüber zu informieren, ob rechtswidrige Zinsklauseln zur Anwendung gekommen sind. Sparkassen könnten auch verpflichtet werden, alles im Detail vorzurechnen, sobald es eine verbindliche Berechnungsgrundlage für die Zinsen gibt. Die ist umstritten.
Bislang haben Sparkassen ihre Zinsen für Prämiensparer „unbegrenzt einseitig“ geändert, moniert die Bafin. 2004 hat der BGH geurteilt, dass das so nicht geht. Der genaue rechtskonforme Weg ist aber noch offen. Zwar hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden im April 2020 klargestellt, dass sich die Verzinsung für Prämiensparer an einem Referenzzins orientieren muss und monatlich anzupassen sei. Als solchen sieht das OLG die neun- bis zehnjährige Zinsreihe der Bundesbank mit dem Kürzel WX 4260. Rechtskräftig ist das OLG-Urteil aber noch nicht, weil der Streit zum BGH eskaliert wurde. Der entscheidet wohl final dieses Jahr.
Sparkassen zeigen kein Einlenken
Die Zinsreihe WX 4260 hat auch die Verbraucherzentrale Bayern im Fall der Stadtsparkasse München verwendet. Die so errechneten gut 4.600 Euro Zinsen, die pro Vertrag zu wenig bezahlt wurden, haben also seriösen Hintergrund. Erst im August 2020 wurde auch die Sparkasse Nürnberg mit einer Musterfeststellungsklage bedacht. Auch dort wurde berechnet, dass im Schnitt über 4.000 Euro zu wenig Zinsen bezahlt wurden. Allein in Bayern seien mehr als 40 Sparkassen ähnlich vorgegangen, weiß Straub. „Aber das ist ein bundesweites Phänomen“, stellt er klar. „Die Zahl der betroffenen Institute hat einen erheblichen Umfang“, sagt die Bafin ohne eine Zahl zu nennen. Sie dürfte in jedem Fall dreistellig sein, die betroffener Sparer sechsstellig. Die Summe der bundesweit von Sparkassen vorenthaltenen Zinsen erreiche eine Milliardendimension, schätzt Straub, und kündigt weitere Klagen an.
Zugleich hoffen er, Kollegen und Sparer auf weitere Schützenhilfe der Bafin. Die ist wohl nur eine Frage der Zeit, wenn Sparkassen weiter mauern. „Wir sind der Ansicht, dass unser Haus die höchstrichterlichen Vorgaben bei der Zinsberechnung vollständig umgesetzt hat“, erklärt die Stadtsparkasse München als jüngste Beklagte und zeigt keine Zeichen für ein Einlenken. Falls Gerichte entscheiden müssen, dauert das pro Sparkasse zwei bis drei Jahre, schätzen Juristen. Schneller ginge es, falls die Bafin das Sparkassenlager zum Einlenken bringt.