Rheinmetall im Dax – vom einstigen Schmuddelkind zum Liebling der Anleger
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Armin Papperger (rechts), Vorstand von Rheinmetall, und ein "Infanterist der Zukunft" stehen vor einem Kampfpanzer Panther KF51 (links) des Rüstungskonzerns Rheinmetall.
© Quelle: picture alliance/dpa
Noch vor zwei Jahren hätten die Gäste beim Businessfrühstück im altehrwürdigen Hamburger Überseeclub oder im Düsseldorfer Wirtschaftsclub leicht pikiert auf die vor ihnen stehenden Weingläser geschaut, hätte ein Gastredner von den großartigen Perspektiven deutscher Rüstungsschmieden wie Rheinmetall oder Thyssenkrupp geschwärmt.
Wie der Politik, so fiel es damals auch Anlegerinnen und Anlegern schwer, sich zur Rüstungsindustrie zu bekennen oder sich gar für deren Produkte zu begeistern, auch wenn man ihr die Existenzberechtigung nie wirklich absprach.
Doch Rheinmetall, das Schmuddelkind von einst, ist zum Darling von Politik sowie Anlegerinnen und Anlegern aufgestiegen. Wie ein Ritterschlag erscheint daher der am Montag erfolgte Aufstieg der Aktie in den deutschen Leitindex Dax, in die „Bundesliga“ oder „Top 40“ der deutschen Wertpapiere. Und das hat, wie vieles in unserer Zeit, mit dem 24. Februar 2022 zu tun, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Selbst die internationale Politik umschmeichelt Deutschlands größten „reinen“ Rüstungskonzern, denn viele Länder investieren jetzt in ihre „Sicherheitsvorsorge“. Und selbst ein Teil der deutschen Öffentlichkeit scheint die Abneigung gegen die ungeliebte traditionelle Rüstungsschmiede Rheinmetall, der vor zwei Weltkriegen 1889 gegründet wurde, allmählich abzulegen.
Krieg hat die Börse erreicht
„Wir werden geflutet mit Bewerbungen“, äußerte Rheinmetall-Chef Armin Papperger vergangene Woche in Düsseldorf. Der 60-Jährige leitet das Düsseldorfer Unternehmen seit 2013. Bei einer Umfrage von Globeone im Vorjahr unter 4300 Konsumentinnen und Konsumenten, gefragt wurde nach „Purpose“, also dem Daseinszweck von Unternehmen jenseits des schnöden Profitmachens, konnte sich Rheinmetall im Vergleich zum Vorjahr von 56,4 Punkten auf 60,4 Punkte deutlich verbessern.
Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Der zunehmende Bedarf an militärischer Ausrüstung sowie steigende Verteidigungsausgaben in Deutschland und anderen Nato-Staaten beinhalten ein „attraktives mittelfristiges Potenzial für das Unternehmen“, betonte Analyst Holger Schmidt von der DZ Bank. Seit der russischen Invasion in die Ukraine hat sich der Börsenkurs der Aktie mehr als verdoppelt.
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Wie Putin Revanche für eine empfundene Kränkung nimmt
Schon 2005 bezeichnete Russlands Präsident Wladimir Putin den Zerfall der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Während viele der ehemals 15 Sowjetrepubliken das Ende auch als Chance begriffen, trauern alte russische Eliten dem kollabierten Gebilde bis heute nach. Für Putin stellt er auch persönlich eine Kränkung dar. Seit Jahren arbeitet der Kremlchef zielstrebig an einem Comeback des untergegangenen Imperiums.
Dass das Düsseldorfer Unternehmen im Dax jetzt ausgerechnet den Dialysespezialisten FMC ersetzt, ein Unternehmen für Medizintechnik also, versinnbildlicht geradezu den von Olaf Scholz geprägten Begriff „Zeitenwende“: Ein Stück weit hat der Krieg längst schon die Börse erreicht.
Leopard, Puma, Panzerhaubitze 2000
Zu den bekanntesten Produkten von Rheinmetall zählen die Panzer. Kampfpanzer wie der Leopard 2, der Schützenpanzer Puma, die Panzerhaubitze 2000 sowie die gepanzerten Transportfahrzeuge Boxer oder Fuchs. Ihre Namen sind, auch das eine Folge des Krieges, längst einer breiten Öffentlichkeit geläufig. Hinzu kommen Drohnen wie die Heron 1, Flugabwehrsysteme, Schutzsysteme, Ladesysteme, Groß- und Mittelkaliberwaffen, die dazugehörige Munition sowie viele militärische Hightechprodukte mehr..
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Bekanntestes Produkt: ein Panzer des Typs Leopard 2 A4.
© Quelle: Csaba Krizsan/MTI/AP/dpa/Archivb
Derzeit produziert das Unternehmen in Deutschland an 42 Standorte. Seit Kriegsbeginn wurden 1200 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Insgesamt hat das Unternehmen weltweit rund 30.000 Beschäftigte, etwa die Hälfte davon in Deutschland.
Vor dem Krieg, also 2021, machte das Unternehmen einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro. Der Kriegsbeginn war für Europa wie ein Weckruf, was die Nachfrage nach Rheinmetall-Produkten 2022 um ein Achtel auf 6,4 Milliarden Euro wachsen ließ. Der Betriebsgewinn legte um ein Viertel auf den Rekordwert von 754 Millionen Euro zu. Der Auftragsbestand erreichte mit 26,6 Milliarden Euro ebenfalls eine Bestmarke.
Im laufenden Jahr soll der Wert der Bestellungen in den Büchern sogar die Marke von 30 Milliarden Euro knacken. Der Umsatz soll um gut eine Milliarde Euro zulegen. Trotz allem: Verglichen mit dem US-Giganten Lockheed Martin, dem Spitzenreiter weltweit, ist Rheinmetall (im globalen Ranking der Rüstungskonzerne auf Platz 35) immer noch ein Zwerg.
Kriegsgewinnler? Eher Krisenhelfer
Ein „Kriegsgewinnler“ also? Vorstandschef Papperger würde das so nie sagen, „Krisenhelfer“ klingt irgendwie geschmeidiger. Tatsächlich helfen Unternehmen wie Rheinmetall, Thyssenkrupp oder Kraus-Maffei Wegmann momentan vor allem einer Institution aus der Krise: der Bundesregierung.
Der schlechte Zustand der Bundeswehr, den die Regierung mit einem 100-Milliarden-Euro-Programm verbessern will, ließe sich ohne eigene Rüstungsindustrie kaum bewerkstelligen. „Man braucht eigene Rüstungsindustrie, sonst ist man von anderen Nationen abhängig“, äußerte Christian Mölling, Rüstungsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, gegenüber „tagesschau.de“.
Der Puma-Panzer und seine Probleme: Krisengespräch nach Pannenserie
Nach einer Pannenserie beim Schützenpanzer Puma sollen Vertreter der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie an diesem Montag über das weitere Vorgehen beraten.
© Quelle: dpa
Doch nicht alles in der Düsseldorfer Rüstungsschmiede läuft oder rollt wie geschmiert: Für den nachhaltigsten Imageschaden sorgten die Pannen beim Schützenpanzer Puma, den Rheinmetall zusammen mit Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gebaut hat.
Mitte Dezember wurde bekannt, dass bei einer Übung der Bundeswehr alle 18 beteiligten Puma-Panzer ausgefallen waren. Und beim Auslandsgeschäft, für zwei Drittel des Umsatzes verantwortlich, spielen oft politische Nickligkeiten eine Rolle: Nachbar Polen, der gerade aufwendig seine Verteidigung modernisiert, bevorzugt südkoreanische Panzer, Haubitzen und Kampfflugzeuge.
Keine Frage der Qualität – Polens nationalkonservative Regierung vermeidet es, sich in zu große Abhängigkeit von deutschen Rüstungsschmieden zu begeben.
Mit Material von dpa und AP