Greencard für IT-Experten aus Russland: Wie gefährlich wäre das?
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Ein Branchenverband wirbt dafür russischen und belarusischen IT-Fachkräften Greencards auszustellen (Symbolbild).
© Quelle: Silas Stein, dpa
München. Bundesweit fehlen fast 100.000 IT-Fachkräfte, was immer mehr zur Wachstumsbremse wird. Deshalb fordert der Digitalverband Bitkom nun möglichst Zehntausende auswanderungswilliger IT-Expertinnen und ‑Experten aus Russland und Weißrussland abzuwerben. „Indem wir Fachkräfte aus Russland und Belarus zu uns holen, wird der Aggressor spürbar geschwächt und gleichzeitig der Standort Deutschland gestärkt“, betont Bitkom-Chef Achim Berg.
Von einer Million russischer IT-Expertinnen und ‑Experten hätten bereits 170.000, also ein Sechstel, seit dem Überfall auf die Ukraine ihrem Heimatland den Rücken gekehrt. Gut 50.000 von ihnen könnten in die Bundesrepublik gelockt werden, schätzt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Bislang fänden sie vor allem in der Türkei und Georgien Zuflucht, wissen die beiden Bitkom-Manager. Zudem habe Zypern soeben ein Programm zur Abwerbung russischer IT-Fachleute gestartet. Die USA planten das, auch um Russland zu schaden. Derzeit könnten IT-Fachkräfte noch relativ frei aus Russland oder Weißrussland ausreisen. Nach Deutschland kämen sie bislang dennoch kaum, weil deutsche Einreiseregeln das weitgehend verhinderten.
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Die Revolution der radikalen Robenträger
Einst galt der ehrwürdige Supreme Court als ausgleichende Instanz im amerikanischen Politsystem. Damit ist es seit Donald Trump vorbei. Immer extremer torpedieren die ultrarechten Richter die Grundwerte der liberalen Gesellschaft. Nach Waffenverbot, Abtreibungsrecht und Klimaschutz könnten sie demnächst sogar das gleiche Wahlrecht kippen.
Die deutsche Sprache sollte nicht das Problem sein
Das will Bitkom mit einem Sofortprogramm namens Greencard 22 nun ändern. Das müsse eine Aufenthaltserlaubnis binnen Wochenfrist enthalten, Verfahren zum Visa-Erhalt und zur Berufsanerkennung beschleunigen. Rasch eingebürgert und integriert werden müssten nicht nur die IT-Expertinnen und ‑Experten selbst, sondern auch Familienangehörige wie Partnerin oder Partner und Kinder.
Russinnen und Russen könnten derzeit in Deutschland kein Bankkonto eröffnen, was IT-Fachleute von dort ermöglicht werden müsse. Auch auf deutsche Sprachkenntnisse dürfe man bei ihnen nicht bestehen. Die internationale Sprache von IT-Fachkräften sei ohnehin Englisch. Deutsche Sprachkenntnisse für den Alltag ließen sich auch noch später erwerben.
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© Quelle: Reuters
Kommen durch die Greencard auch Spione?
Das Vorhaben hat Charme, aber auch heikle Seiten. Ein Anwerben russischer IT-Fachkräfte könnte von dortigen Geheimdiensten genutzt werden, um Spione und Saboteure in dafür prädestinierten Positionen nach Deutschland zu schleusen. Berg und Rohleder sehen das Risiko. Sie wollen deshalb eine behördliche Sicherheitsprüfung, ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie eine ausdrückliche Ablehnung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zur Voraussetzung für eine Greencard machen.
Ganz ausschließen könne man ein Unterwandern dadurch nicht, räumte Berg ein. Aber wenn Russland wolle, werde es das auch auf anderem Weg erreichen. Die Chancen überträfen aus seiner Sicht jedenfalls klar die Risiken.
IT-Fachkräftemangel in Deutschland verschlimmert sich
Denn der Mangel an IT-Expertinnen und ‑Experten sei hierzulande massiv. Zwei Drittel aller soeben befragten Unternehmen in Deutschland würden mit weiterer Verschärfung rechnen. Das kommt auch daher, dass etwa ein Fünftel aller deutschen IT-Firmen in der Ukraine extern Entwicklungsteams für IT-Probleme und Computerprogramme beschäftigen und das durch den Krieg erschwert wird.
In Russland und Weißrussland gelte das für 7 bis 8 Prozent befragter Firmen. Diese Kooperationen drohten nun ganz und auf Dauer weg zu brechen, was den IT-Fachkräftemangel kurzfristig verstärkt.
Der Plan kann aufgehen – zeigt eine Studie
Was möglich sei, wenn man nur wolle, habe die Deutsche Bank gezeigt, betont Berg. Sie habe jüngst rund 1.500 zuletzt in Russland beschäftigte IT-Spezialisten nach Deutschland geholt. Das müsse nun staatlich orchestriert im großen Stil geschehen.
Was ein Anheuern solcher Expertinnen und Experten unserem Land bringen könne, habe eine ähnliche Initiative Anfang der 2000er-Jahre gezeigt. Damals seien rund 13.000 IT-Fachkräfte in die Bundesrepublik gekommen. Jede von ihnen habe in Folge den Aufbau zweieinhalb weiterer Stellen ausgelöst, wie eine Studie belegt habe.
Aus eigener Kraft könne Deutschland den Mangel an IT-Fachleuten auf Sicht nicht beheben, fürchtet Bitkom. Gerade einmal 29.000 Informatikerinnen und Informatiker hätten 2020 ihr Studium beendet, darunter nur 6.000 Frauen. Demnächst gingen zudem geburtenstarke Jahrgänge in Rente. Nur jede zweite frei werdende IT-Stelle könne derzeit wieder besetzt werden, stellt Rohleder klar. IT-Fachkräfte seien von strategischer Bedeutung, assistiert Berg. Beide Manager wollen nun bei der Bundesregierung für ihren Plan werben.