„Das schärfste Schwert“ bleibt ungenutzt

Sanktionen: Was für einen Swift-Ausschluss Russlands spricht – und was dagegen

Russische Banken würden die Sanktionen hart treffen.

Russische Banken würden die Sanktionen hart treffen.

Hannover. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich Europäer und Amerikaner auf Sanktionen verständigt. Für Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Getreuen dürfte unangenehm sein, dass ihre persönlichen Vermögenswerte im Ausland eingefroren werden, wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn am Freitag ankündigte. Strategisch wichtiger aber sind die Wirtschaftssanktionen – die womöglich nicht ausreichen, wie Kritiker befürchten. Vor allem, dass Russland nicht vom Swift-System ausgeschlossen wird, stößt auf Unverständnis.

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Warum sorgen die Sanktionen für Zwist?

Die am Donnerstag auf den Weg gebrachten Strafmaßnahmen werden, das ist weitgehend Konsens, die russische Wirtschaft hart treffen. Russischen Banken bleibt der Zugang zu wichtigen Finanzplätzen verwehrt, Ausfuhren von Hochtechnologiegütern und Maschinen aus dem Westen nach Russland dürften weitgehend zum Erliegen kommen. Dass kein Ausschluss Russlands vom Swift-System geplant ist, sorgt hingegen für Kritik: Mehrere baltische Staaten forderten dies, ebenso einige EU-Politiker und der ukrainische Regierungschef Wolodymyr Selenskyj.

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Was würde der Swift-Ausschluss bringen?

Swift ist ein System zur Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs. Sind die Geldhäuser eines Landes davon ausgeschlossen, können die dortigen Unternehmen zunächst weder internationale Überweisungen tätigen noch Zahlungen empfangen. Russland würde das von der Weltwirtschaft isolieren. „Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert“, sagte Stefan Kooths, Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

Warum bleibt Russland im Swift-System?

Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, haben sich gegen den Ausschluss Russlands ausgesprochen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit begründete dies am Freitag mit einem hohen technischen Aufwand und massiven Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr deutscher Unternehmen im Geschäft mit Russland. Fachleute gingen am Freitag übereinstimmend davon aus, dass Sorgen um Gas- und Öllieferungen im Vordergrund stehen. Diese können ohne Swift nicht bezahlt werden und würden dann womöglich ausbleiben.

Wie teuer wäre der Swift-Ausschluss?

Die volkswirtschaftlichen Kosten der drohenden Engpässe bei Öl und Gas waren am Freitag für Fachleute nicht bezifferbar. In der kurzen Frist würden steigende Energiepreise sicherlich auf die Inflation durchschlagen, sagte Michael Kötter, Vize-Direktor des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. „In der Folge würden dann auch wirtschaftliche Aktivitäten in Deutschland belastet, was sich etwa in einer geringeren Industrieproduktion, weniger Investitionen und höherer Arbeitslosigkeit niederschlagen könnte“.

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Wäre der Swift-Ausschluss zu teuer?

Die Folgen wären „einschneidend“, sagte auch Veronika Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Aber das Szenario wurde vorbereitet und ist handhabbar“, so die Nürnberger Ökonomin weiter. „Wenn man glaubt, dass die Swift-Sanktion die Eskalationsspirale stoppen kann, wären die Kosten ein schwaches Argument“, betonte Grimm.

Koetter bekräftigte, dass Nichthandeln ebenfalls Belastungen bedeutet: „Ein neuer kalter Krieg brächte schließlich auch hohe Kosten mit sich, etwa wegen neuer Militärausgaben“. Als „Investition in die Zukunft Europas und unserer Demokratie“ bezeichnete auch IfW-Ökonom Christoph Trebesch am Freitag den möglichen Swift-Ausschluss. „Das wäre für Russland um ein vielfaches schmerzhafter als für Deutschland“, so Trebesch.

Wirken die Sanktionen nicht auch so?

Daran mehren sich auch unter Ökonominnen und Ökonomen Zweifel. „Wir müssen handeln, um glaubwürdig zu bleiben“, sagte Grimm. „Auf welche weitere Eskalationsstufe will man denn noch warten?“, fragte Grimm angesichts der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Russland erst im Fall weiterer Eskalationen vom Swift-System ausschließen zu wollen. Sie plädiert deshalb für weitere Strafmaßnahmen ebenso wie Kötter: „Mein Eindruck ist, dass es langfristig günstiger wäre, jetzt unsere gebündelte Sanktionierungskraft in den Ring zu werfen“, sagte dieser dem RND.

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Hat Russland Alternativen zu Swift?

Kurzfristig gibt es Fachleuten zufolge für Russland keine ausgereifte und weitverbreitete Alternative zu Swift. Das russische System SPFS werde von vergleichsweise wenigen ausländischen Banken genutzt, gleiches gelte für das chinesische CIPS-System, sagte Grimm. „Jedoch könnte ein eigenes System dieser beiden Staaten langfristig größere Auswirkungen haben und zu einer Abkehr der globalen Wirtschaft vom Dollar führen“, so Grimm weiter.

Kommen Swift-Sanktionen vielleicht doch?

In der Regierungskoalition in Deutschland herrscht durchaus Unmut über den Verzicht auf einen Swift-Ausschluss Russlands, vor allem bei den Grünen. Ob sich die deutsche Position nochmal ändert, ist aber unklar – zumal auch andere Länder laut Trebesch blockieren. „Deutschland und Italien, die Staaten mit den größten wirtschaftlichen Interessen in Russland, verhindern gerade schärfere Konsequenzen, auf Kosten der gesamten freiheitlichen Welt“, meint der Ökonom.

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