Auftragshoch trotz Inflation: Siemens trotzt den Krisen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TUNFYPT3MRC3DFDRL4ID5HNCTM.jpeg)
Das Logo von Siemens ist an der Firmenzentrale zu sehen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
München. Die Menschheit kämpft gerade an vielen Fronten, manche tun es im wahrsten Sinn des Wortes. Die Sätze, die man zur Bilanzvorlage am Münchner Firmensitz von Siemens hört, klingen da wie aus einer anderen Welt. „Wir gewinnen Marktanteile und können liefern, wo Wettbewerber das nicht können“, sagt Konzernchef Roland Busch. Von einem Rekordauftragsbestand von 102 Milliarden Euro schwärmt er und einem operativen Rekordgewinn von 10,3 Milliarden Euro im vorigen Geschäftsjahr 2021/2022 (zum 30. September). Es läuft gerade bei Siemens, egal, was in der Welt passiert.
In der Tat sind die vor allem digitalen Kerngeschäfte der Münchner auch in Krisenzeiten gefragt. Denn mit ihnen kann man nicht nur Treibhausgase, sondern auch Energie und damit Kosten einsparen, was derzeit sehr angesagt ist. Den Vogel schießt deshalb nicht von ungefähr der Siemens-Geschäftsbereich digitale Industrie mit einer operativen Gewinnmarge von fast 20 Prozent ab. Konzernweit sind es immer noch mehr als ordentliche gut 15 Prozent. Selbst der kostspielige Ausstieg aus dem ertragreichen Russland-Geschäft konnte das nicht verhageln.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/PAIFOHGMVFF45POJASPJQ2X3DM.jpeg)
Wie die EU-Spritpreisbremse funktionieren soll
Die G7-Staaten und die EU planen eine massive Intervention am globalen Ölmarkt. Gelingt die Operation, sinken auch die Spritpreise. Und Putin muss mit Einbußen für seine Kriegskasse rechnen. Das Experiment ist riskant, könnte aber gelingen – dank eines Tricks.
Siemens Aufträge sind auf Rekordhöhe
Siemens fertigt entscheidende Komponenten zum Bau solarthermischer Kraftwerke in China oder Züge für Ägypten. Es liefert Software und Steuerungen für neue Batteriegigafabriken in Frankreich und Deutschland. Mit Shell baut der Konzern in Rotterdam Europas größte Anlage für grünen Wasserstoff. Solche Geschäfte haben 2021/2022 zu einem um gut 8 Prozent auf 72 Milliarden Euro erhöhten Umsatz und noch wichtiger zu einem um 17 Prozent auf 89 Milliarden Euro gesteigerten Auftragseingang geführt. Der gesamte Auftragsberg liegt bei von Busch erwähnten 102 Milliarden Euro.
„Das ist eine hervorragende Basis für das laufende Geschäftsjahr“, stellt der klar. Das gelte vor allem auch im Vergleich zur Konkurrenz, die Siemens zum Teil einmal als Vorbild galt. Jetzt ist es umgekehrt. Im Stil des vorigen Geschäftsjahres soll es mit dem Polster des Auftragsbestands weitergehen, obwohl sich die Nachfrage – auf hohem Niveau – nun normalisiert.
Kein Kerngeschäft mehr
Portfoliounternehmen nennt Siemens ein Sammelsurium von Firmen, die nicht mehr zum Kerngeschäft zählen und verkauft oder an die Börse gebracht werden sollen. Jetzt wird eine größere Einheit dafür vorbereitet. Firmenintern wird sie Large Drives Applications (LDA) genannt, was man mit großen Antriebssystemen übersetzen kann. LDA gilt als Erfinder der Dynamomaschine und hat Elektromotoren sowie Umrichter im Programm. Dieses Geschäft will Siemens nun mit zwei weiteren Einheiten verschmelzen. Das Trio, das dann einen Umsatz von jährlich rund 3 Milliarden Euro vereint und weltweit rund 14.000 Leute beschäftigt, soll in den nächsten Monaten zu einer eigenen Rechtsform geformt werden. Damit entsteht im Bereich Elektroantriebe und Motorspindeln ein globaler Champion, sagt Siemens-Finanzchef Ralf Thomas. Der könnte dann an die Börse gebracht oder aber an einen strategischen Investor verkauft werden. Mit Blick auf den Umfang der Vorbereitungsarbeiten dürfte das nicht mehr im laufenden Geschäftsjahr geschehen.
Was China angeht, empfiehlt Busch Handel und Kooperation auf Augenhöhe, schon weil drängende globale Probleme nicht ohne das bevölkerungsreichste Land der Erde zu lösen seien. Er ist sich dabei offenbar mit Olaf Scholz (SPD) einig, an dessen Seite der Manager bei der jüngsten China-Reise des Bundeskanzlers stand. Wenn Siemens zugleich Geschäfte mit Taiwan macht, sehe China das nicht kritisch, glaubt Busch.
Siemens Energy ist das Haar in der Suppe
Für Siemens erwartet er 2022/2023 insgesamt 6 bis 9 Prozent mehr Umsatz. Die Gewinne sollen um bis zu 4 Prozent zulegen, was auf den ersten Blick moderat aussieht. Aber das Vorjahr brachte per saldo Sondererlöse nach Steuern von 800 Millionen Euro. Das zu kompensieren macht die Gewinnprognosen dann ambitioniert. „Wir haben großes Vertrauen in unseren Ausblick“, versichert Thomas zudem. Stornierungen von Kunden lägen weiter bei nahe null.
Wer ein Haar in der Suppe sucht, wird dennoch fündig. Denn der Jahresüberschuss von Siemens ist um ein Drittel auf 4,4 Milliarden Euro gesunken. Das geht ausschließlich auf eine Abschreibung in Höhe von 2,7 Milliarden Euro auf den Restanteil an der abgespaltenen Siemens Energy zurück. Der Kraftwerksbauer steckt in einer tiefen Krise und schreibt hohe Verluste. Ein Viertel an Siemens Energy hält der Mutterkonzern als Ankeraktionär noch.
Siemens-Energy-Chef Christian Bruch hatte am Vortag öffentlich nach einem anderen Ankeraktionär verlangt. „Die einen wünschen sich einen anderen Ankeraktionär, die anderen eine bessere Performance“, merkte Thomas dazu spitz an. Die Restanteile an Siemens Energy würden gewinnmaximierend abgestoßen, sobald der Aktienkurs der Siemens-Abspaltung danach sei, ließ Busch wissen. Im erweiterten Siemens-Kosmos gibt es dann doch noch Dissonanzen.
Siemens-Aktionäre bleiben da außen vor. Ihre Dividende für das vorige Geschäftsjahr steigt um 25 Cent auf 4,25 Euro je Aktie. Auch die Beschäftigten bei Siemens können derzeit relativ ruhig schlafen. Ihre Zahl ist binnen Jahresfrist vor allem auch durch Zukäufe um 7.000 auf global 311.000 Siemensianerinnen und Siemensianer gestiegen. In Deutschland arbeiten unvermindert 86.000 Leute für den 175 Jahre alten Technologieriesen.