Steigende Zinsen: Interaktiver Rechner zeigt, was auf Immobilienkäufer zukommt
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Im Umland von Großstädten sinken die Immobilienpreise kaum.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Bereits Monate bevor die Europäische Zentralbank begonnen hat, die Inflation mit höheren Leitzinsen zu bekämpfen, haben die Banken die Zinsen für Immobiliendarlehen angehoben. Im Laufe des Jahres 2022 sind die Bauzinsen von unter einem Prozent auf fast 4 Prozent in die Höhe geschnellt.
Zwar liegen die Kreditzinsen damit immer noch auf einem Niveau, auf dem sie sich vor zehn Jahren schon befanden. In früheren Jahrzehnten waren sie sogar noch deutlich höher. Aber das Tempo des Anstiegs ist bisher einmalig in Deutschland.
Viele potenzielle Hauskäufer mussten deshalb im vergangenen Jahr immer wieder neu kalkulieren, denn eine Vervielfachung der Kreditzinsen verändert die Bedingungen der Immobilienfinanzierung grundlegend, wie der interaktive Kreditrechner des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) zeigt.
Der Kreditrechner ist zunächst mit den derzeitigen Durchschnittswerten eines Immobilienkredits in Deutschland gefüttert. Ein durchschnittliches Darlehen für den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses belief sich zuletzt auf 281.000 Euro, hatte eine Laufzeit von 13 Jahren und einen Zinssatz von 3,74 Prozent pro Jahr.
Vereinfachend geht der Rechner davon aus, dass der Kredit bis zum Ende der Laufzeit komplett zurückgezahlt wird und somit keine Restschuld bleibt. Um das zu schaffen, muss der Kreditnehmer monatlich 2.277 Euro an die Bank überweisen. In der Realität liegt die sogenannte Annuität für einen Kredit dieser Größenordnung häufig niedriger.
Anfänglich ist mehr als ein Drittel der monatlichen Zahlung für die Zinsen reserviert. Mit den Jahren wird die Restschuld aber immer kleiner und damit kann ein größerer Betrag für die Tilgung verwendet werden. Die letzte der 156 Monatsraten fließt dann fast vollständig in die Rückzahlung des Kredits und nur 2 Euro davon sind für die Zinszahlung reserviert.
In Summe sind am Ende der Laufzeit des Darlehensvertrags neben den 281.000 Euro für die Tilgung 74.254 Euro an Zinszahlungen geflossen, also fast 21 Prozent.
Zinseffekt sehen: So funktioniert der Rechner
Um sich nun den Effekt der gestiegenen Bauzinsen vor Augen zu führen, verschieben Sie den Regler für den Zinssatz oberhalb der Grafik auf etwa einen Prozent. Auf diesem Niveau bewegten sich die Zinssätze für Immobiliendarlehen noch zu Beginn des Jahres 2022. Im März 2020, als Deutschland gerade erstmals mit der Ausbreitung eines neuartigen Virus beschäftigt war, betrugen die Bauzinsen zeitweilig sogar nur 0,7 Prozent.
Lässt man die übrigen Konditionen unverändert, so ergibt sich aus der Drehung der Zinsschraube eine monatliche Belastung von 1922 Euro, immerhin 355 Euro weniger als zuvor.
Am Ende von 13 Jahren Rückzahlungen steht in diesem Fall eine Zinszahlung von 18.778 Euro statt der 74.254 im ersten Fall. Der Anteil der Zinsen an der gesamten Belastung beträgt 6 Prozent statt zuvor 21 Prozent.
In der Realität können beide Ausgangsbedingungen auch zu anderen Ergebnissen führen, denn in der Regel erlauben Banken Sondertilgungen, die die Zinslast deutlich reduzieren können. Je früher der Kunde die Sondertilgung vornimmt, desto größer fällt am Ende die Zinsersparnis aus.
Zudem ist es Gläubigern gesetzlich erlaubt, den Kreditvertrag nach zehn Jahren zu kündigen – unabhängig davon, was mit der Bank vereinbart ist. Wenn die Zinsen in der Zwischenzeit wieder gesunken sein sollten und nach zehn Jahren ein neuer Kredit mit besseren Konditionen winkt, dann kann die Rechnung am Ende freundlicher aussehen.
Nichtsdestotrotz hat in der Regel eine zusätzliche Zinslast in der Größenordnung von mehr als 55.000 Euro wie in der Beispielrechnung das Potenzial, den Traum vom Eigenheim platzen zu lassen.
Wenig Linderung durch sinkende Immobilienpreise
Immerhin einen lindernden Effekt haben die gestiegenen Zinsen aus Sicht der Immobilienkäufer: Weil sich viele Menschen den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung nicht mehr leisten können, ist die Nachfrage gesunken, was wiederum die Preise zuletzt etwas gedrückt hat.
Den Daten von Immoscout 24 zufolge sind die auf dieser Onlineplattform zum Kauf angebotenen Wohnungen im vierten Quartal 2022 etwas günstiger geworden. Eine Neubauwohnung mit 80 Quadratmetern kostete im dritten Quartal 2022 durchschnittlich noch 4170 Euro pro Quadratmeter, am Ende des Jahres nur noch 3901 Euro.
Damit liegen die Wohnungspreise aber immer noch höher als ein Jahr zuvor und erst recht über dem Niveau früherer Jahre. Der Effekt ist zudem längst nicht überall in Deutschland spürbar. In den Speckgürteln der Metropolen ist in der Regel nichts von Preissenkungen zu spüren. Die Bauzinsen hingegen haben in kürzester Zeit ein Niveau erreicht, das sie seit zehn Jahren nicht mehr hatten.
Zu wenig Neubau hält das Angebot knapp
Die Geschäftsführerin von Immoscout 24, Gesa Crockford, beurteilt die gesunkenen Preise deshalb zurückhaltend: „Verglichen mit dem Preisanstieg der letzten fünf Jahre ist die Korrektur auf dem Immobilienmarkt als moderat einzuordnen.” Die Immobilienexpertin erwartet keinen dauerhaften Preisrückgang, zumal die Neubauziele der Bundesregierung in weite Ferne gerückt sind. „Wir rechnen mittelfristig mit einer Verknappung des Angebots, die den Markt wieder drehen kann”, so Crockford.
Die Fakten sprechen für diese Sicht: Von Januar bis November 2022 wurden insgesamt 321.757 Wohnungen genehmigt. Dies waren 5,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, meldet das Statistische Bundesamt. Auch bereits genehmigte Projekte werden immer häufiger storniert.
Angesichts gestiegener Zinsen und teurer Materialien ist der Wohnungsbau in Deutschland ins Stocken geraten. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat bereits eingeräumt, dass die Ampelkoalition ihr Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen verfehlen wird. Rund 280.000 Wohnungen wurden in 2022 gebaut – 120.000 weniger als von der Bundesregierung anvisiert.