Strompreisdeckel der Bundesregierung: Wie er funktionieren soll – und was noch unklar ist
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Ein Stecker wird in eine Steckdose gesteckt.
© Quelle: Sina Schuldt/dpa
Frankfurt. 13 Seiten hat die Ampelkoalition benötigt, um ihr Entlastungspaket zu Papier zu bringen. Gleich zwei davon befassen sich mit der geplanten Reform des Strommarktes. Die Koalitionäre wollen die massiven Gewinne abschöpfen, die derzeit bei den Stromkonzernen auflaufen, und Kundinnen sowie Kunden mit einem Preisdeckel entlasten. Trotz der zwei Seiten in dem Koalitionspapier sind viele Fragen noch offen. Ein Überblick:
Wie wird der Preisdeckel für Strom aussehen?
Laut einer Twitter-Nachricht von Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist vorläufig geplant, dass der Strompreisdeckel bei 30 Cent pro Kilowattstunde liegen soll und für 75 Prozent des Durchschnittsverbrauchs je nach Haushaltsgröße gelten soll. Für Singles werden dabei 1400 Kilowattstunden pro Jahr zugrunde gelegt, für Familien sollen es 3100 Kilowattstunden sein. Außerdem sollen die Gebühren für die Nutzung der Netze um 2 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde reduziert werden.
Womit müssen Kunden bei den Strommengen rechnen, die über dem Basisverbrauch liegen?
Für diese Strommengen muss dann der aktuelle unsubventionierte Strompreis gezahlt werden. Hier lag der Wert laut Vergleichsportal Check 24 im August bei einem Neuvertrag bei knapp 40 Cent pro Kilowattstunde. Wobei für Experten und Expertinnen klar ist, dass es in den nächsten Monaten noch weitere Aufschläge geben könnte. Für September etwa hätten weitere 150 Versorger Preiserhöhungen von durchschnittlich 44 Prozent angekündigt, so Check 24.
Wie viel Geld können Stromkunden durch den Deckel sparen?
Nach Berechnungen von Check 24 spart eine Familie, die 5000 Kilowattstunden verbraucht, auf Basis der aktuellen Preise dann rund 340 Euro im Jahr. Bei einem Singlehaushalt (Verbrauch: 1500 Kilowattstunden) wären es rund 140 Euro. Immer im Vergleich zu einer Situation ohne einen Preisdeckel.
Was treibt die Preise in die Höhe?
Der wichtigste Faktor ist im Moment das teure Gas, das verstärkt für die Stromerzeugung genutzt wird. Der leicht flüchtige Brennstoff war zuletzt zeitweise noch vor der Kohle die wichtigste Quelle zur Gewinnung der elektrischen Energie hierzulande – nach den Daten der Denkfabrik Agora Energiewende mit einer Leistung von bis zu rund 15 Gigawatt, was etwa einem Dutzend Atomreaktoren entspricht. Gaskraftwerke sind derzeit die mit Abstand teuerste Quelle zur Erzeugung von Strom. Und am Strommarkt bestimmt der jeweils höchste erzielbare Preis den Preis für alle Erzeugungsarten.
Warum lassen sich die hohen Preise nicht vermeiden?
Weil der Gasstrom im europäischen Netzverbund benötigt wird, um ausgefallene französische AKW zu ersetzen. Derzeit ist weniger als die Hälfte der dortigen 56 Kernkraftwerke am Netz, da es massive Sicherheitsprobleme in vielen Reaktoren gibt. Hinzu kommt unter anderem, dass hierzulande Gas vom Gemeinschaftsunternehmen der Ferngas-Netzbetreiber (THE) zu buchstäblich jedem Preis eingekauft wird, um die unterirdischen Gasspeicher für den Winter möglichst schnell zu füllen.
Wie werden Strompreisdeckel und die Absenkung der Netzentgelte finanziert?
Die Bundesregierung will dafür eine neue Umlage einführen. Diese soll von den Stromerzeugern gezahlt werden, die derzeit von den extrem hohen Preisen am Strommarkt profitieren und deshalb Rekordeinnahmen erzielen. Dabei handelt es sich einerseits um die konventionellen Kraftwerke, die mit Stein- und Braunkohle oder mit Kernkraft die elektrische Energie erzeugen. Hinzu kommen die Erneuerbaren – also Windräder an Land und im Meer sowie Solar-, Wasserkraft- und Biogasanlagen.
Wie hoch soll diese Umlage ausfallen?
Das hat die Bundesregierung in ihren Beschlüssen zum Entlastungspaket III offen gelassen. Es müssen Kriterien gefunden werden, wie die viel zitierten „Zufallsgewinne“ der Energieunternehmen bewertet und quantifiziert werden. In der Diskussion ist, dies jeweils für jede Erzeugungsart festzusetzen, da zum Beispiel auch die Beschaffung von Kohle derzeit eine enorm teure Angelegenheit ist. Windmüller hingegen müssen keinerlei Schwankungen bei ihren Erzeugungskosten befürchten. Eine einfachere Variante wäre schlicht eine einheitliche Preisobergrenze für jeglichen an der Börse gehandelten Storm festzusetzen. Einnahmen, die Erzeuger mit Strom jenseits dieser Grenze erzielen, müssten sie dann in die Umlage zahlen. Ein Maßstab könnte der Durchschnittspreis pro Monat aus der Zeit vor dem Krieg in der Ukraine sein. Ein Beispiel: Im August 2021 kostete laut Check 24 eine Megawattstunde zur Lieferung am nächsten Tag 82 Euro. Im August 2022 waren es 455 Euro.
Ampeleinigung: Drittes Entlastungspaket umfasst mehr als 65 Milliarden Euro
Um Haushalte bei den Strompreisen zu entlasten, soll unter anderem eine Strompreisbremse eingeführt werden.
© Quelle: Reuters
Wo liegen die Tücken?
Der Dachverband der Energieunternehmen (BDEW) hat bereits gewarnt, dass die Umlage die dringend notwendigen Investitionen in Erneuerbare bremsen könnte, weil mit dem Kappen der Gewinne weniger Kapital für Windräder und Solaranlagen zur Verfügung stehen würde.
Wie ist die aktuelle Lage beim Gas?
Der Börsenpreis für europäisches Gas ist am Montag zeitweise um gut 35 Prozent in die Höhe geschossen. Die Megawattstunde zur Lieferung im Oktober kostete für den Referenzkontrakt Dutch TTF an der Londoner Energiebörse Intercontinental Exchange (ICE) in der Spitze knapp 285 Euro. Händler begründeten den Aufschlag mit dem Lieferstopp für russisches Gas über die Pipeline Nord Stream 1, der am Freitagabend bekannt gegeben wurde. Experten und Expertinnen erwarten für die nächsten Monate weitere Preissprünge.
Wie kann dem entgegnet werden?
Die EU-Kommission sammelt derzeit Ideen für Regelungen in der Union. Von der Leyen hat unter anderem eine Preisbremse für russisches Gas vorgeschlagen. Auch sollen die Mitgliedsstaaten eigene Mechanismen für Strompreisbremsen entwickeln. So ist in der Diskussion, dass Strom aus Gaskraftwerken aus dem Handel an der Börse herausgenommen wird.