Hurra, Tankrabatt! Wie aus Steuergeldern Dividenden werden
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7AQXJXT5INEMPGQROFZS5XPRKE.jpeg)
Eine Anzeigetafel einer Tankstelle kurz vor Mitternacht am 31. Mai, bevor der Tankrabatt am 1. Juni in Kraft trat. Die Preise sind seitdem jedoch nicht stark gesunken.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Hurra, Tankrabatt! Dieser Jubel erschallt derzeit nicht an den Zapfsäulen, wo Menschen mit niedrigem Einkommen trotz der hohen Preise ihr Auto tanken müssen. Dieser Jubel erschallt bei den Shareholdern der Mineralölkonzerne. Es kommt wie erwartet: Die Gewinne steigen. Der Tankrabatt verpufft. Statt eines sozialen Ausgleichs findet eine absurde Umverteilung statt. Steuergeld wird private Dividende.
Es ist Zeit für eine „Übergewinn-“ oder auch „Kriegssteuer“. Eine solche Steuer ist nicht neu. In Zeiten von Kriegen und Krisen wurden derartige Steuern immer wieder eingeführt, um die Diskrepanz zu reduzieren zwischen einzelnen Unternehmen, die von der Krise profitieren, und der großen Mehrheit von Unternehmen und Privatpersonen, die unter ihr leiden.
Denn die Unternehmen profitieren nicht von ihrem ökonomischem Geschick, sondern allein vom Zufall der Krise. „Windfall Profits“ sind unverhoffte Gewinne. Vom russischen Überfall auf die Ukraine profitiert derzeit vor allem das fossile Imperium, allen voran die Mineralölbranche. Die Margen der Konzerne steigen unaufhörlich, derzeit um bis zu 80 Prozent.
SPD und Grüne fordern Extra-Steuer für Mineralölkonzerne
Angesichts rasant steigender Energiepreise mehren sich in der Ampelkoalition Stimmen für eine zusätzliche Abgabe für Mineralölkonzerne.
© Quelle: dpa
Andere Länder haben bereits eine Sondersteuer eingeführt
Europa hat grünes Licht gegeben, dass solche Extrarenditen im Energiesektor durch eine zeitlich begrenzte Sondersteuer abgeschöpft werden. Griechenland und andere erheben bereits eine solche Übergewinnsteuer. Italien hat eine Sondersteuer eingeführt, aber nicht auf die Gewinne, sondern auf zusätzliche Umsätze. So werden die Steuereinnahmen nicht erst rückwirkend am Jahresende, sondern kurzfristig generiert. Und es wird verhindert, dass die Gewinne mittels Steuertricks kleingerechnet werden können.
Großbritannien besteuert die Öl- und Gasförderung stärker, andere Förderländer haben ähnliche Pläne. Auch Deutschland sollte die Förderabgabe erhöhen und könnte so bis zu 40 Prozent des Marktpreises abschöpfen. Außer in Niedersachsen. Dort hat sich die Landesregierung aufgrund eines fragwürdigen Deals mit der heimischen Öl- und Gaswirtschaft dieser Möglichkeit beraubt. Die Einnahmen allerdings dürften allerdings deutlich geringer ausfallen als bei einer echten Übergewinnsteuer.
Die wäre auch in Deutschland möglich – trotz eines engeren juristischen Korsetts, wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kürzlich erläutert hat. Die Übergewinnsteuer darf nicht rückwirkend und erdrosselnd sein und muss dem Gleichheitsgrundsatz genügen. Deutschlands Sonderabgabe müsste also für alle Übergewinne gelten, die aber wohl in erster Linie die Energiebranche macht.
Statt durch einen Tankrabatt die Gewinne noch zu vergrößern, sollte eine sozial- und klima-gerechte Fiskalpolitik besser temporär sofort die Steuern für fossile Energien deutlich erhöhen – mit der Zusatzauflage, diese nicht an die Endkunden weiterreichen zu dürfen. Das wäre eine echte Übergewinnsteuer für die Mineralölbranche. Überfällig.
Claudia Kemfert ist Energieprofessorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie schreibt an dieser Stelle im wöchentlichen Wechsel mit Holger Krawinkel, Kerstin Andreae und Frank-Thomas Wenzel über den grünen Umbau der Wirtschaft.