Tarifrunde bei der Post: Wie die Gewerkschaften mit den Muskeln spielen
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Mitarbeiter der Deutschen Post demonstrieren bei einem Warnstreik in den Abendstunden vor dem Paketzentrum in Osterweddingen in Sachsen-Anhalt. Damit will die Kommunikationsgewerkschaft DPV vor Beginn der Entgeltrunde 2023 für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten des Unternehmens ein deutliches und starkes Zeichen für eine spürbare Entgeltsteigerung setzen.
© Quelle: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa
Frankfurt am Main. Das war schon mal ein Ausrufezeichen. Bis zu 20.000 Pakete sind in den Regionen Braunschweig und Magdeburg liegen geblieben. Wegen eines Warnstreiks, zu dem die Postgewerkschaft DPV-Kom aufgerufen hatte. 200 Beschäftigte hatten am Donnerstag ganztägig die Arbeit niedergelegt. Also schon vor dem Beginn der Tarifverhandlungen am Freitag. Die Mitglieder der kleineren Arbeitnehmervertretung bei der Deutschen Post wollten damit demonstrieren, wie ernst es ihnen ist.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schloss sich dem verbal an: „Unsere Tarifforderung ist notwendig, gerecht und machbar“, sagte Andrea Kocsis, die Verdi-Verhandlungsführerin. Die Beschäftigten brauchten dringend einen Inflationsausgleich und sie erwarteten darüber hinaus eine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Von den Gewinnen dürften nicht nur die Aktionäre profitieren. Der größte Anteilseigner mit 20,5 Prozent ist der Bund über die Staatsbank KfW.
Die Forderungen haben es in sich. Verdi will 15 Prozent mehr Geld für die knapp 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post hierzulande durchsetzen. DPV-Kom verlangt zwar nur 12 Prozent, aber zusätzlich einen Weihnachtsgeldanspruch ab dem ersten Arbeitstag. Und für untere Entgeltgruppen sollen es mindestens 500 Euro sein. Ferner soll die Inflationsprämie von 3000 Euro ausgezahlt werden – die Bundesregierung hat beschlossen, dass diese Zuwendung des Arbeitgebers steuer- und sozialabgabenfrei ist.
Post wird Rekordgewinn einfahren
Die Sache mit dem Unternehmenserfolg ist quasi eine direkte Ableitung der jüngsten Zwischenbilanz der Post: Der Vorstand rechnet für dieses Jahr mit einem Rekordgewinn aus der betrieblichen Tätigkeit in Höhe von 8,4 Milliarden Euro. Laut Konzernchef Frank Appel könnte es sogar noch ein bisschen mehr werden. Die Post ist mit ihrer DHL-Sparte eines der weltweit führenden Logistikunternehmen. Sie hat einerseits von der Pandemie profitiert wegen eines gesteigerten Onlinehandels. Zugleich haben sich Containerstaus mittlerweile aufgelöst, Unterbrechungen von Lieferketten sind behoben. Allerdings trägt das hiesige Brief- und Paketgeschäft zum Konzernprofit mutmaßlich nur um die 1,3 Milliarden Euro bei – was eine Stagnation im Vergleich zum Vorjahr bedeuten würde.
Das Management hat die Forderungen postwendend als „realitätsfern“ zurückgewiesen. Es sei wichtig, die Balance zwischen Lohnsteigerungen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu finden.
Als eine Art Orientierungshilfe dafür hat das Statistische Bundesamt schon Mitte Dezember Zahlen geliefert: In der Post- und Paketbranche sind die Verdienste zwischen 2011 und 2021 weit unterdurchschnittlich gestiegen. So gab es für Fachkräfte in diesem Zeitraum ein Plus von lediglich 3,6 Prozent. In der gesamten Wirtschaft legten die Löhne und Gehälter aber um fast 24 Prozent zu. Gleichzeitig stiegen die Verbraucherpreise um rund 15 Prozent – die Inflation im vorigen Jahr ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Zudem arbeiten die Frauen und Männer überdurchschnittlich häufig nachts und an Wochenenden. Der teilstaatliche Konzern ist hierzulande der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Branche.
Kocsis betont, die Beschäftigten hätten in den vergangenen Jahren unter höchsten Belastungen gearbeitet und erwarteten nun eine dauerhafte finanzielle Anerkennung. Besonders heftig war der Stress im Sommer und im Herbst, als mancherorts bis 30 Prozent des Personals fehlten. Die Folge war, dass Tausende Briefe mit erheblicher Verspätung oder überhaupt nicht zugestellt wurden. Der Postvorstand erklärte dies mit einem hohen Krankenstand wegen der Covid-Pandemie. Im Sommer seien zudem viele Zusteller wegen der Schulferien in Urlaub gegangen.
Hausgemachter Personalmangel
Verdi spricht hingegen von hausgemachten Problemen. So seien Ende 2021 die Verträge für rund 6000 von insgesamt 24.000 befristet Beschäftigten nicht verlängert worden. Der Personalmangel habe zu einer „krank machenden Dauerüberlastung“ für die Frauen und Männer geführt, die noch hinter den Schaltern und in der Zustellung arbeiteten.
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Bei der Post geht zwar das klassische Briefgeschäft zurück. Das wird aber deutlich überkompensiert durch eine wachsende Zahl von Paket- und Expresssendungen. Verdi hat Neueinstellungen gefordert, um das wachsende Arbeitsaufkommen zu bewältigen. Andreas Kögler, Vizechef von DPV-Kom, hat anlässlich des Warnstreiks darauf hingewiesen, dass zuletzt viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen schlechter Bezahlung gegangen seien.
Beobachter rechnen mit harten Verhandlungen. An weiteren Warnstreiks dürfte kein Weg vorbeiführen. Die Tarifrunde bei der Post hat zudem Signalcharakter für andere Sektoren, wo es ebenfalls um mehr Geld für Beschäftigte geht. So beginnen am 24. Januar die Verhandlungen für den öffentlichen Dienst beim Bund und bei den Kommunen. Verdi und der Beamtenbund fordern dort eine Erhöhung der Entgelte um 10,5 Prozent.