Tennet-Chef: „Brauchen mehr Übertragungsleitungen als bislang geplant“

Hochspannungsmast und Windräder.

Hochspannungsmast und Windräder.

Berlin. Tennet ist einer der größten Übertragungsnetzbetreiber für Strom in Europa. Das Unternehmen ist vor allem Deutschland sowie in den Niederlanden aktiv, wo das Unternehmen seinen Stammsitz hat. Insgesamt 42 Millionen Verbraucher werden mit Strom aus dem Hoch- und Höchstspannungsnetz von Tennet versorgt.

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Tim Meyerjürgens ist seit 2019 Chief Operations Officer (COO) der Tennet Holding und Geschäftsführer von Tennet Deutschland. Im RND-Interview spricht er über langsamen Infrastrukturausbau in Deutschland und die Herausforderungen der Energiewende.

Tim Meyerjürgens, Geschäftsführer von Tennet Deutschland.

Tim Meyerjürgens, Geschäftsführer von Tennet Deutschland.

Herr Meyerjürgens, plötzlich wollen alle Parteien große Infrastrukturprojekte beschleunigen, wozu auch die gewaltigen Stromtrassen gehören, die Tennet für die Energiewende baut. Das ist Musik in ihren Ohren – oder?

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Versprechungen im Wahlkampf sind schön und gut, für uns ist aber entscheidend, was nach der Wahl passiert. Tennet ist der größte Investor in die Energiewende in Deutschland. 3 bis 4 Milliarden Euro investieren wir aktuell pro Jahr in die Stromnetze hierzulande. Ein großes Problem sind aber nach wie vor die langwierigen Genehmigungsverfahren.

Warum dauern die so lange?

Planungsverfahren in Deutschland sind extrem detailreich. Praktisch alles muss im Vorhinein festgelegt werden. Und dann gibt es auch noch ein politisches Risiko. Die Gleichstromtrasse Sued-Link etwa wurde als Überlandleitung geplant. Dann hat die Politik auf Erdverkabelung bestanden. Da mussten wir die Planung noch einmal bei null beginnen. Allein diese Entscheidung hat uns drei Jahre gekostet.

Ausgebremst werden sie also nicht von der Bürokratie, sondern von der Politik?

Wenn in laufenden Projekten die Rahmenbedingungen geändert werden, ist das für eine schnelle Fertigstellung hinderlich. Wir werben deshalb immer wieder dafür, einmal begonnene Vorhaben unangetastet zu lassen. Wenn es darüber hinaus Vereinfachungen bei den Planungsverfahren gibt, immer gerne.

Was genau sollte vereinfacht werden?

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Früher gab es eine Genehmigungsplanung und eine spätere Ausführungsplanung. Das hat den großen Vorteil, dass man nach der grundsätzlichen Genehmigung mit dem Bau beginnen kann und Detailfragen später klärt. Heute müssen wir jedes Detail bereits in der Genehmigungsphase beschreiben, weshalb die Verfahren lange dauern. Liegt die Genehmigung dann endlich vor, können die Pläne schon wieder veraltet sein. Auch dann fängt man wieder von vorne an.

Sie plädieren also für eine Trennung zwischen Genehmigungs- und Ausführungsplanung?

Ich plädiere dafür, den Detaillierungsgrad in Genehmigungsverfahren zu begrenzen. Den Verlauf einer Trasse und deren Auswirkungen sollte man für eine Genehmigung beschreiben. Den Kurvenradius einer Baustraße kann man problemlos später klären.

Wer Infrastruktur baut, muss sich häufig mit Anwohnern oder Umweltschützern vor Gericht auseinandersetzen. Wie hoch ist das Rechtsrisiko?

Bürgerbeteiligung ist sehr wichtig. Je eher man den Menschen sagt, was man vorhat, desto eher werden sie das auch akzeptieren. Problematisch wird es, wenn kleine Gruppen ihre Interessen ohne Kompromissbereitschaft durchsetzen wollen. Wenn etwa Organisationen das Verbandsklagerecht missbrauchen, um Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen, kann man als Netzbetreiber wenig dagegen tun. Hier müsste der Gesetzgeber nachbessern.

Bei der Übertragungsleitung Süd-Link werden jetzt mindestens 15 Jahre von der Idee bis zur Inbetriebnahme im Jahr 2026 vergehen. Was wäre aus Ihrer Sicht eine gute Zeit?

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Unser Ziel sollte es sein, dass die Planungszeit für neue Leitungen nicht viel länger als die Bauzeit dauert. Bauen könnten wir Sued-Link in vier Jahren. Acht oder neun Jahre von der Planung bis zur Fertigstellung wären aus meiner Sicht eine angemessene Zeit für ein Projekt dieser Größenordnung gewesen.

Werden die bislang geplanten Übertragungsleitungen ausreichen, um die Energiewende zum Erfolg zu führen?

Ich glaube nicht. Bislang wurde beim Strombedarf eher konservativ gerechnet. Für eine CO₂-neutrale Industrie werden wir aber sehr viel mehr Ökostrom benötigen, als heute zur Verfügung steht. Und das auch viel schneller als gedacht. Deshalb wird an einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien an Land, aber vor allem der Windenergie auf See kein Weg vorbeiführen. Und um den an Land und auf See erzeugten grünen Strom dann in die Ballungszentren und Wirtschaftsregionen zu transportieren, werden wir mehr Übertragungsleitungen brauchen als bislang geplant.

Gibt es Alternativen zum Leitungsbau?

Wir können mit neuen technologischen Entwicklungen, die wir heute schon nutzen, den künftig notwendigen Netzausbau etwas begrenzen. Beim Sued-Link etwa werden wir die Spannung deutlich erhöhen, um mit weniger Kabeln mehr Leistung transportieren zu können. Außerdem setzen wir auf künstliche Intelligenz, um unsere Leitungen wetterabhängig stärker zu nutzen. Und wir wollen ein System, in dem Strom und Wasserstoff Hand in Hand gehen. Denn überschüssiger Windstrom etwa lässt sich mit Elektrolyseuren in Wasserstoff und in einem zweiten Schritt in synthetisches Gas umwandeln. Das können Sie mit dem bestehenden Gasnetz transportieren.

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Bei dem Umwandlungsprozess geht viel Energie verloren …

Ja, aber wir werden diese Technologie trotzdem benötigen, auch um Lastspitzen abzufedern. Entscheidend wird sein, wo die Elektrolyseure stehen, und aus meiner Sicht kann das nur im Norden sein. Wenn jetzt südliche Bundesländer aus industriepolitischen Gründen fordern, auch dort Elektrolyseeinheiten aufzubauen, muss noch viel mehr Strom dorthin transportiert werden. Das würde mehr Netzausbau bedeuten. Das sollten wir vermeiden. Weiter als 50 Kilometer entfernt von der Küste machen Elektrolyseure keinen Sinn.

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