Unternehmer über steigende Corona-Zahlen: „Die Hoffnung auf Besserung schwindet“

Leipzig: Geschlossene Schirme stehen vor Lokalen in der menschenleeren Kneipenmeile.

Leipzig: Geschlossene Schirme stehen vor Lokalen in der menschenleeren Kneipenmeile.

Die Covid-Infektionen steigen. Der Notbremsen-Lockdown droht in zahlreichen Regionen. In betroffenen Unternehmen wachsen Wut und Enttäuschung über die Politik von Bund und Ländern. Forderungen nach einer neuen Pandemiestrategie werden immer lauter.

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Seit dem 8. März gelten Regelungen, die eigentlich eine Rückkehr zur Normalität bringen sollen. Doch im jüngsten Beschluss der Bund-Länder-Konferenz wurde auch eine Notbremse eingebaut. Und zwar beim Erreichen einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner. Dann sollen die Regelungen, die vor dem 8. März galten, wieder in Kraft gesetzt werden. Blumenläden, Gartenmärkte, Buchhandlungen oder Fahrschulen müssten wieder schließen. Auch das Terminshopping (Click and Meet) wäre obsolet. Derzeit deutet alles in Richtung weiterer Restriktionen. In drei Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) liegen die Inzidenzen aktuell über 100. Das könnte demnächst zumindest auch noch für Hessen und Bayern der Fall sein.

Gaststättenverband sieht Corona-Politik kritisch

„Die Lage ist desaströs“, sagte Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Gastgewerbeverbandes Dehoga, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Es werde immer deutlicher, dass die Politik es nicht geschafft habe, „zielgerichtet und effizient“ zu reagieren. „Mit einem Endlos-Lockdown kommen wir nicht mehr weiter.“

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Zu den wichtigsten Maßnahmen gehöre nun vor allem die ausreichende Beschaffung von Impfstoff und Testkapazitäten. Auch müssten Öffnungszeiten der Testzentren verlängert werden. Zugleich solle erklärt werden, ob die steigenden Inzidenzen mit der größeren Zahl der Tests zusammenhängen. Ferner müssten „weitere Einflussfaktoren neben den Inzidenzwerten für die Beurteilung der Infektionslage berücksichtigt werden – wie zum Beispiel Impfquote, Teststrategie, Alter der Infizierten, Krankheitsverläufe“.

Handelsverband fordert Öffnungsstrategie

Ähnlich sieht es auch der Handelsverband HDE, der am Montag eine Öffnungsstrategie forderte, „die sich vom starren Inzidenzwert löst“. Dabei hat der Einzelhandel von den Lockerungen, die seit dem 8. März gelten, profitiert. Click and Meet wurde bundesweit erlaubt. Eine Umfrage habe aber gezeigt, dass mit Umsatzverlusten von durchschnittlich 30 Prozent die Situation innerstädtischer Händler existenzbedrohend bleibe. „Das Einkaufen mit Termin ist ein erster Schritt, aber keine dauerhafte Öffnungsstrategie“, betonte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Das RKI habe bestätigt, dass die Ansteckungsgefahr im Handel gering sei. Es sei an daher an der Zeit für eine flächendeckende Öffnung des Einzelhandels bei Einhaltung strikter Hygiene und Abstandskonzepte.

Fitnessstudios sind pessimistisch

„Unsere Unternehmen sind entsetzt, sie stehen komplett mit dem Rücken zur Wand“, sagte Birgit Schwarze, Präsidentin des Fitnessstudio-Verbandes DSSV, dem RND. Es werde mit jedem Tag deutlicher, dass der erst vorige Woche beschlossene Fünfstufenplan zur schrittweisen Öffnung nicht mehr funktioniere. „Fitnessstudios werden immer tiefer in die Krise gerissen und die Hoffnung auf Besserung schwindet“, so die Funktionärin.

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Deutschlands Intensivärzte haben am Montag eine sofortige Rückkehr in den Lockdown gefordert. Das soll eine „starke dritte Welle verhindern“, so Christian Karagiannidis von der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Wichtig sei außerdem, nun die über 50- und über 60-Jährigen schnell zu impfen. Letzterem schließt sich auch Schwarze an: Würden verstärkt Jüngere immunisiert, „könnte sich die Infektionslage schnell verbessern“. Fitnessstudios sind in der Großzahl der Bundesländer derzeit geschlossen. Die Wiedereröffnungen sollen erst wieder möglich sein, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz für 14 Tage konstant unter 100 geblieben ist.

Veranstaltungsbranche garantiert Sicherheit

Auch die Veranstaltungsbranche, die sich in dem Verein Alarmstufe Rot organisiert hat, macht Druck: „Wir können bei kommerziellen Veranstaltungen wie Kongressen, Messen oder Produktpräsentationen ein Höchstmaß an Sicherheit garantieren“, sagte Tom Koperek, Vorstandschef von Alarmstufe Rot, dem RND. Die Besucher seien namentlich bekannt, und es gebe inzwischen ausreichend Kapazitäten, um sicherzustellen, dass auch bei einem Event mit 500 Gästen nur Personen teilnehmen, die einen aktuellen Schnelltest vorweisen könnten. In einem weiteren Schritt könne dieses Konzept auf andere Veranstaltungsformen ausgeweitet werden. „Diese Strategie hätte zudem den Vorteil, dass mehr symptomlos Infizierte entdeckt werden. Wir würden damit also die Eindämmung der Pandemie forcieren”, so Koperek.

Weitere Hilfen für Unternehmen nötig?

Dehoga-Geschäftsführerin Hartges betont indes, dass ihr Verband zwar keine überstürzten Öffnungen wolle. Sie macht aber darauf aufmerksam, dass bei schönem Wetter Außengastronomie informell und unkontrolliert passiere: „Menschen sitzen auf Picknickdecken eng beieinander. Zugleich ist erwiesen, dass bei einer regulären Außengastronomie mit den bekannten Hygienemaßnahmen die Gefahr einer Ansteckung zu 99 Prozent ausgeschlossen ist.”

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Die Außengastronomie ist eigentlich erst im vierten von fünf Öffnungsschritten vorgesehen. Viele Betriebe seien nach sieben Monaten Schließung in den vergangenen zwölf Monaten ausgezehrt, erläutert Hartges. Noch immer stünden versprochene Hilfszahlungen aus. „Auch mental sind viele Betreiber von Restaurants und Hotels am Ende.” Immer mehr fragten sich, ob sie ihren Betrieb noch weiterführen sollen. „Wenn die Politik uns erneut ein Sonderopfer abverlangt und uns zuletzt öffnet, müssen die finanziellen Ausfälle entschädigt werden“, fordert die Dehoga-Funktionärin.

Bei der Bund-Länder-Konferenz am nächsten Montag, 22. März, soll über Öffnungen und die Kriterien dafür diskutiert werden – auch fürs Gastgewerbe und die Veranstaltungsbranche.

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