Volksentscheid erfolgreich: Werden in Berlin jetzt Wohnungskonzerne enteignet?
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Unterstützer der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ tanzen während der Wahlparty am Sonntag.
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbi
Berlin. Eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hat am Sonntag für die Enteignung großer Wohnungskonzerne gestimmt. 56,4 Prozent stimmten dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ zu, dessen Initiatoren eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen fordern. Das erforderliche Quorum von rund 600.000 Wahlberechtigten wurde deutlich übertroffen.
Der Volksentscheid ist allerdings rechtlich nicht bindend, sondern hat eher empfehlenden Charakter. Der Senat wird durch den Entscheid aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten“, die zur Enteignung notwendig sind.
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, deren Partei bei der parallel stattfindenden Abgeordnetenhauswahl die meisten Stimmen gewonnen hat, hatte im Wahlkampf wiederholt deutlich gemacht, dass sie Enteignung skeptisch sieht. Am Montag allerdings sagte die SPD-Politikerin, dass sie den erfolgreichen Volksentscheid respektiere und ein entsprechender Gesetzentwurf erarbeitet werden müsse.
„Aber dieser Entwurf muss dann eben auch verfassungsrechtlich geprüft werden“, schränkte Giffey ein. Ein weiteres Desaster wie beim Mietendeckel, der im April vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, will die designierte Regierende Bürgermeisterin unbedingt vermeiden.
Die Initiatoren des Volksentscheids bejubelten das Abstimmungsergebnis. Auch der Berliner Mieterverein sprach von einem „fulminanten Erfolg“, über den die Politik nicht hinweggehen könne. Und falls doch, werde man eben einen Volksentscheid auf den Weg bringen, sagte eine Sprecher der Initiative.
Immobilienwirtschaft ist alarmiert
Vertreter der Immobilienbranche und der Wirtschaft äußerten sich besorgt. „Bezahlbares Wohnen lässt sich nicht durch Scheinlösungen wie Enteignung sichern. Das ist eindeutig der falsche Weg“, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Statt teurer und unwirksamer Ideen einer Vergesellschaftung brauchen wir echte Lösungen, die für mehr bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen sorgen“, so Gedaschko weiter. Er forderte eine nachhaltige Bodenpolitik, eine starke soziale Wohnraumförderung sowie politischen Willen, den Wohnungsneubau voranzubringen. „Nur so ist den vielen Menschen, die in Deutschland auf der oft verzweifelten Suche nach einem bezahlbaren Zuhause sind, wirklich geholfen.“
Maren Kern, Vorstandsmitglied des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) verwies auf Umfragen, denen zufolge die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hätten, dass die Umsetzung eines Volksentscheids in Berlin nicht bindend ist. „Nur eine Minderheit ist tatsächlich für eine Umsetzung einer Enteignung“, betonte sie.
Es gelte nun, die Spaltung der Stadt nicht weiter zu vertiefen. „Berlins Wohnungsproblem lässt sich nicht durch Enteignungen lösen, sondern nur durch gemeinsame Anstrengungen für mehr Wohnen. Dazu müssen alle an einem Strang ziehen“, so Kern. Sie schlug ein „Bündnis für Neubau und Wohnen“ vor.
Auch genossenschaftliche Immobilienbesitzer zeigten sich besorgt. „Viele Genossenschaften fürchten, dass eine rechtssichere Ausnahme von Genossenschaften – wie bereits beim Mietendeckel – nicht möglich ist“, sagte Dirk Enzesberger, Vorstandsmitglied der Charlottenburger Baugenossenschaft, dem RND. Man werde den politischen Prozess nun aufmerksam und kritisch begleiten.
Die Börsen zeigen sich unbeeindruckt
Die Börsen zeigten sich am Montag unbeeindruckt. Der Aktienkurs der Deutsche Wohnen bewegte sich kaum. Mehr als der Berliner Volksentscheid interessierte die Investoren die Nachricht, dass es dem Konkurrenten Vonovia im dritten Anlauf geglückt ist, sich eine Mehrheit an der Deutsche Wohnen zu sichern. Man verfüge nun über 50,49 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte, teilte der Bochumer Immobilienkonzern am Montag mit.
Vonovia hat dem Land Berlin zugesagt, im Zuge der Übernahme 14.750 Wohnungen sowie 450 Gewerbeeinheiten für insgesamt 2,46 Milliarden Euro an Gesellschaften des Landes zu verkaufen. Außerdem will der neue Konzern die Mieten in Berlin freiwillig für die kommenden fünf Jahre begrenzen und 13.000 neue Wohnungen bauen.