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Wirtschaftsweise Grimm zur MPK: „Dieses ständige Auf und Zu ist für die Wirtschaft sehr schädlich“

Der Schlingerkurs der Regierung sei für den Handel auf Dauer nicht verkraftbar, warnen Wirtschafts­experten und fordern durchdachtere Öffnungs­strategien.

Der Schlingerkurs der Regierung sei für den Handel auf Dauer nicht verkraftbar, warnen Wirtschafts­experten und fordern durchdachtere Öffnungs­strategien.

Der Lockdown ist verlängert, erste Branchen wie der Handel sorgen sich um die wirtschaftlichen Folgen – immerhin bleiben Einschränkungen für Geschäfte, Tourismus und Gastronomie. Wie sich die in der vergangenen Nacht gefallene Entscheidung auf die Wirtschaft auswirkt und was nun getan werden sollte, erklärt Veronika Grimm. Die Ökonomin ist Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung.

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Frau Grimm, Sie haben vergangene Woche vehement gefordert, auf präzisere Maßnahmen anstatt auf Lockdowns zu setzen. Ihr Eindruck von gestern Abend?

Wir sind in einer schwierigen Situation, weil wir im März gelockert haben, ohne dass eine Strategie zur Kontrolle des Infektions­geschehens vorlag. Es waren nicht genug Tests verfügbar und es waren keine flächendeckenden Strategien zur Verfolgung von Infektionsketten vorbereitet. Im Prinzip können Lockerungen nur ausgehend von niedrigen Fallzahlen und bei genauer Überwachung des Infektions­geschehens erfolgreich sein. Da müssen wir jetzt hinkommen – weshalb wir nun wieder im Lockdown sind, der hoffentlich schnell zu sinkenden Infektionszahlen führt.

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Wie hart wird denn die gestern beschlossene Verlängerung des Lockdowns die Wirtschaft treffen?

Die aktuell geschlossenen Bereiche machen nur einen relativ geringen Anteil der deutschen Bruttowert­schöpfung aus. Die Wirtschaftsleistung sinkt nicht rapide, denn die Lieferketten funktionieren, die Grenzen sind offen und die Industrie produziert. Rein mit Blick auf die konjunkturellen Effekte ist das noch eine Weile tragbar. Letztendlich brauchen wir trotzdem langfristig Strategien, wie wir Bereiche wieder öffnen und das Infektions­geschehen dann unter Kontrolle halten. Es ist nun geplant, in regionalen Modell­projekten Öffnungs­schritte zu erproben, unter Nutzung von Tests und mit IT-gestützten Prozessen zur Kontakt­verfolgung. Das wäre der richtige Weg.

Veronika Grimm ist eine von zwei Frauen im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, gehört also zu den sogenannten Wirtschaftsweisen. Grimm hat in Kiel studiert und an der Humboldt-Universität in Berlin promoviert. Derzeit ist sie Dekanin der rechts- und wirtschafts­wissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Grimm ist zudem Vorsitzende der wissenschaftlichen Leitung des Energie-Campus Nürnberg (EnCN) sowie Vorstand des kürzlich ins Leben gerufenen Zentrums Wasserstoff Bayern.

Veronika Grimm ist eine von zwei Frauen im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, gehört also zu den sogenannten Wirtschaftsweisen. Grimm hat in Kiel studiert und an der Humboldt-Universität in Berlin promoviert. Derzeit ist sie Dekanin der rechts- und wirtschafts­wissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Grimm ist zudem Vorsitzende der wissenschaftlichen Leitung des Energie-Campus Nürnberg (EnCN) sowie Vorstand des kürzlich ins Leben gerufenen Zentrums Wasserstoff Bayern.

Wie sähe eine funktionierende Öffnungs­strategie aus?

Es muss in allen Bereichen, die geöffnet werden, intensiv getestet werden. Es wäre sinnvoll, die Corona-App so auszubauen, dass man auf freiwilliger Basis und im Einklang mit dem Datenschutz eine schnelle Kontakt­nachverfolgung realisieren kann. Wichtig ist, dass man mehr Daten darüber erhebt, welche Lockerungen zu höheren Infektions­zahlen führen. Dann kann gezielt entschieden werden, wo etwas zurückgenommen oder angepasst werden muss. Weil mit zunehmendem Impffortschritt Risikogruppen weniger gefährdet sind, sollten wir neben dem Inzidenzwert auch auf andere Indikatoren zum Infektionsgesehen schauen.

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„Die Lockerungen haben sich nicht gelohnt“

Die vergangene Nacht war eine ziemliche Hängepartie. Wie wichtig ist es für die Wirtschaft, dass schnelle Entscheidungen getroffen werden und die Regierenden an einem Strang ziehen?

Dieses ständige Auf und Zu ist für die Wirtschaft sehr schädlich, denn es führt dazu, dass man nicht planen kann. Wichtig wäre eine Perspektive, eine belastbare Strategie, wie geöffnet werden kann. Die aktuellen Beschlüsse führen in die richtige Richtung insofern, als dass man gut kontrollierte Öffnungen andenkt. Aber wie gesagt: Die Voraussetzung für Lockerungen sind niedrige Infektionszahlen. In den Regionen, wo sie weit unten sind, kann man Öffnungs­strategien implementieren, die man nicht nach zwei Wochen zurücknimmt.

Vor etwa drei Wochen wurden Lockerungen beschlossen. Hat sich das rückblickend gelohnt?

Die Lockerungen haben sich nicht gelohnt. Zwar hängen die steigenden Infektionsraten auch mit den sich ausbreitenden Virusmutationen zusammen. Aber man muss Lockerungen einfach besser vorbereiten. Wir sollten jetzt wirklich daran arbeiten, einen langfristig funktionierenden Umgang mit der Pandemie zu finden. Die Impfungen gehen zwar voran, aber wir werden noch eine Weile in der jetzigen Situation sein, und für Kinder sind Impfungen noch gar nicht in Sicht – es können daher immer wieder unangenehme Überraschungen auftauchen.

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