„Wohnungsmarkt steht am Kipppunkt“: Findet die Branche einen Weg aus der Krise?
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Berlin: Blick am Abend auf Hochhäuser und Mehrfamilienwohnhäuser im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf.
© Quelle: IMAGO/Jochen Eckel
Berlin. Die Lage auf Deutschlands Baustellen wird immer ernster. Die deutsche Bau- und Wohnungswirtschaft schlägt erneut Alarm: Wenn sich jetzt nichts ändere, drohe dem Wohnungsbau der Absturz. Zu dieser düsteren Prognose kommt am Donnertag der Wohnungsbautag, ein Branchengipfel in Berlin.
Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wirtschaft sowie Bau- und Wohnungsbranche sowie Verbänden und Gewerkschaften sind in die Hauptstadt gekommen, um über ein Thema zu reden, das derzeit die gesamte Branche umtreibt: die sich immer weiter verschärfende Krise am Bau. Die Stimmung beim Gipfel hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Bilanzen werden bitterer, Prognosen düsterer, Alarmrufe schriller. Deutschland rast auf einen regelrechten Zusammenbruch beim Wohnungsbau zu: Unterbrochene Lieferketten, steigende Zinsen und hohe Baukosten machen den Unternehmen das Leben schwer.
Baubranche warnt vor massiver Krise auf dem Wohnungsmarkt
Obwohl nach wie vor Wohnraum in Deutschland fehlt, ist die Zahl der genehmigten Neu- und Umbauprojekte im Wohnungsbau gesunken.
© Quelle: dpa
Warnrufe des Bündnisses: „Es steht Spitz auf Knopf“
Jetzt entscheide sich, ob der Wohnungsmarkt endgültig in die Knie gehe, warnt das Bündnis, dem neben dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe auch der Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW), der Deutsche Mieterbund oder die Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt (IG Bau) angehören. „Es steht Spitz auf Knopf. Der Wohnungsmarkt steht am Kipppunkt“, so die eindringliche Warnung. Es drohe ein Absturz auf 250.000 Fertigstellungen im Jahr 2023 und sogar auf 200.000 im Jahr 2024.
Zeit, dringend gegenzusteuern, so die Branchenvertreter. So unterschiedlich die Organisationen in dem Bündnis seien, fasst Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten am Donnerstag zusammen, so einig sei man sich bei der Frage, dass es notwendig sei, „deutlich mehr zu bauen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“.
50 Milliarden Euro Sondervermögen für sozialen Wohnungsbau
Ohne mehr Geld werde das allerdings nicht funktionieren, so das Bündnis, dem auch konkrete Summen vorschweben: 50 Milliarden Euro bis 2025, um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Das Geld solle von Bund und Ländern als Sondervermögen zur Verfügung gestellt werden. Ein weiteres Paket fordert das Bündnis, um dem bezahlbaren Wohnungsbau unter die Arme zu greifen: 22 Milliarden Euro bis 2025 – also dem Ende der Legislaturperiode der Ampelkoalition. Damit sollen 60.000 Wohnungen mit einer Kaltmiete zwischen 8,50 und 12,50 Euro entstehen.
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Das Bündnis bezieht sich dabei auf eine Studie des in Kiel ansässigen Wohnungs- und Bauforschungsinstituts Arge, das zu dem Schluss kommt, dass noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg die Bedingungen für den Wohnungsbau so schlecht waren. „Noch nie gab es gleichzeitig einen so hohen Bedarf von über 700.000 Wohnungen, so hohe Baukosten, so hohe Zinssprünge und vor allem auch so hohe Auflagen und Vorschriften für das Bauen wie heute“, sagt Studienleiter Dietmar Walberg. „Der Wohnungsbau steckt in einer absoluten Ausnahmesituation.“ Ein Einbruch beim Wohnungsbau hätte auch volkswirtschaftlich fatale Folgen, so Walberg. „Der Wohnungsbau ist ein starker Motor der Binnenkonjunktur – vor allem in der Krise. An der gesamten Wertschöpfungskette Wohnungsbau hängen über drei Millionen Arbeitsplätze.“
Wie können 400.000 Wohnungen gebaut werden?
Laut Studie sei es prinzipiell allerdings möglich, die anvisierten 400.000 Wohnungen zu bauen. „Die heute vorhandenen Kapazitäten reichen, um 400.000 Wohnungen pro Jahr neu zu bauen“, so Walberg. Immer vorausgesetzt, dass das Bauen auch möglich sei: „Ohne lähmende Genehmigungsprozesse, ohne hemmende Vorschriften und Auflagen. Und mit einer funktionierenden Finanzierung, vor allem einer von Bund und Ländern angepassten Förderung“, so Walberg.
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Weniger Auflagen, mehr Förderung: zwei Stellschrauben, die die Bundesregierung nach Auffassung der Branchenvertreter dringend angehen muss. Ihnen geht es aber auch um andere Ansätze. Beispielsweise sei notwendig, den sogenannten Bauüberhang ins Visier zu nehmen. Dabei handelt es sich um die rund 900.000 bereits genehmigten, aber noch nicht fertiggebauten Wohnungen in Deutschland. „Da war noch kein Bagger und kein Baufahrzeug auf dem Grundstück“, sagte IG-Bau-Chef Robert Feiger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Und mit den hohen Finanzierungs- und Baukosten verabschieden sich viele Investoren.“
Bauministerin Klara Geywitz: Sondervermögen heißt Schulden
Genau da würde Feiger ansetzen: „Es wäre eine Möglichkeit, für diese Bauüberhänge eine Umwidmung zu organisieren und das zu fördern“, so der IG-Bau-Chef. „Dann könnten das beispielsweise Baugenossenschaften erwerben und dort sozialen Wohnungsbau betreiben und bezahlbaren Wohnraum schaffen.“ Es wäre ein Instrument, das schnell greife, da die Genehmigung vorliege.
Bauministerin Klara Geywitz (SPD), gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ebenfalls auf dem Wohnungsbautag, wies die Milliardenforderung der Verbände zurück. Sie könne die Forderung verstehen, sagte sie zwar. Aber ein Sondervermögen sei in Wirklichkeit ja „ein Batzen Schulden“ und die Staatsverschuldung müsse begrenzt werden. Sie betonte, dass bis 2026 bereits 14,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau flössen. Mit der Co-Finanzierung durch die Bundesländer werde man voraussichtlich auf eine Fördersumme von 36 Milliarden Euro kommen.
Mit dpa-Material