Beim Namen nennen: Wie Sie sich von negativen Gedanken distanzieren
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Nicht alles, was wir denken, ist wahr.
© Quelle: Unsplash/Kev Costello/Montage RND
Anders als bei Erzählungen, Berichten und Geschichten, die uns von außen erreichen, können wir bei den Botschaften von innen nicht so einfach weghören. Sie haben eine gewisse Eigendynamik und können nicht mal eben abgeschaltet werden, obwohl sie uns vielleicht quälen und uns nicht guttun. Manch einer reagiert zum Beispiel auf den Gedanken „Ich bin so ein Tollpatsch!“ so, als wäre er es tatsächlich.
Medienberichte beispielsweise können wir kritisch hinterfragen. Bei den inneren Geschichten, den Gedanken, können wir das oft nicht. Wir glauben ihnen schnell und halten sie für die Wahrheit, sie sind möglicherweise bedrohlich und machen uns Angst. Man kann sagen, wir sind dann eins, quasi verschmolzen mit dem jeweiligen Gedanken. Wir bilden in gewisser Weise eine Fusion mit den Gedanken. In diesem Fall scheint es, als wären die Gedanken die Wirklichkeit, wir sind von der Wahrheit überzeugt. Oder als wären die Gedanken Befehle, und wir befolgen sie unbesehen. Wie mag es jemandem gehen, den der Gedanke „Ich bin nicht liebenswert“ nicht loslässt? Richtig: grottenschlecht.
Die Defusion der Gedanken
Den Gedanken auszuschalten, funktioniert kaum, was man allerdings machen kann, ist, eine gewisse Distanz zu dem Gedanken zu erlangen, die Auswirkung auf die Gefühle und unser Verhalten abzuschwächen. Im Fachjargon nennt man das Defusion, ein Kunstwort, das auf das Gegenteil von Fusion hinweist.
Im Zustand der „Entschmelzung“, also der Defusion, erkennen wir, dass Gedanken wahr oder unwahr sein können, und wir hören auf, fest an sie zu glauben. Wir hören sie nicht als Befehle und folgen ihnen nicht unmittelbar. Sie sind nicht automatisch eine Bedrohung. Nun mag man an dieser Stelle vielleicht einwenden: Was aber, wenn der Gedanke richtig ist? Nun, es geht hier nicht darum zu untersuchen, ob ein Gedanke falsch oder richtig ist. Es geht vielmehr darum, ob er uns guttut, ob er hilfreich ist und ob er dazu beiträgt, dass wir ein Leben im Einklang mit unseren Werten leben können.
Willi hat nicht immer recht
Es ist das Verdienst des Wissenschaftlers und Psychologen Steven C. Hayes und seiner Kolleginnen und Kollegen, all dies im Rahmen der ACT, also der Akzeptanz- und Commitmenttherapie, erkannt, und Methoden der Defusion entwickelt zu haben. Mittlerweile gibt es eine große Anzahl davon. Hier zwei Favoriten von Hayes: Geben Sie Ihren Gedanken einen Namen und hören Sie ihnen aufmerksam zu. Die Forschung hat gezeigt, dass es hilft, wenn Sie einen unliebsamen Gedanken benennen. Meiner heißt Willi. Als ich das erste Mal von Defusion hörte, meldete sich prompt mein Verstand: „Was soll das denn, wie soll das helfen?“ Dann habe ich gleich geübt und laut zu ihm gesprochen: „Danke für diesen Gedanken, Willi. Danke für deine Bemühungen, mir hilfreich zu sein.“
Eine weitere Methode besteht darin, den quälenden Gedanken mit einer Melodie Ihrer Wahl zu singen. Sie werden merken, dass er seine Bedrohlichkeit verliert. Der Gedanke ist zwar nicht weg, aber er verliert seine Macht und Wirksamkeit. Es ist halt nur ein Gedanke. Eine Voraussetzung dabei ist natürlich, dass man sich des jeweiligen Gedankens bewusst ist. Diese Fähigkeit wiederum entwickelt sich durch die Schulung von Achtsamkeit.
Der Autor ist zu erreichen unter www.achtsamkeit-und-co.de
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Experten zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.