RND-Kolumne „Von oben gesehen“

Bericht des Weltklimarats: Wenn Politiker andere Botschaften lesen, ist das ein Problem

Der Weltklimarat warnt: Das Zeitfenster für nachhaltigen Klimaschutz schrumpft.

Der Weltklimarat warnt: Das Zeitfenster für nachhaltigen Klimaschutz schrumpft.

Kürzlich ist der dritte und letzte Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats erschienen – als Klimaforscherin gehören diese Berichte natürlich zu meiner Pflichtlektüre. Die Aussagen zum Klimawandel sind über die Jahre immer deutlicher, präziser und dringlicher geworden. Die Berichte sind also meist wenig überraschend und fast vorhersehbar. Aber eine Sache hat mich dieses Jahr doch ratlos zurückgelassen.

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Bereits existierende fossile Brennstoffanlagen sollen stillgelegt oder deutlich weniger genutzt werden, geplante Anlagen gar nicht erst gebaut oder in Betrieb genommen werden. Sonst ist es unmöglich, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. So steht es klar und eindeutig in der technischen Zusammenfassung.

Wenn jemand auf einen Abgrund zurennt, flöte ich doch nicht freundlich „Wenn möglich, bitte wenden!“, sondern brülle: „Stopp, sofort abbiegen!“

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Unterschiede zwischen den beiden Zusammenfassungen

Es gibt aber eine weitere Zusammenfassung – nämlich für politische Entscheidungstragende. Letztere soll in zugänglicher Sprache die kritischsten und wichtigsten Ergebnisse der Wissenschaft zusammenfassen. Jeder Satz in dieser Zusammenfassung wird von Regierungsvertreterinnen und -vertretern diskutiert und dann verabschiedet, Änderungswünsche werden noch einmal auf wissenschaftliche Korrektheit überprüft. So soll erreicht werden, dass die 195 beteiligten Regierungen die wissenschaftlichen Aussagen des Sachstandberichts anerkennen. Doch in dieser Version scheint die Abkehr von fossilen Brennstoffen erst mal nur eine von vielen Optionen, nur eine „major option“ (Hauptoption), statt „required“ (erforderlich).

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Man kann nur mutmaßen, wieso die Formulierung im Vergleich zur technischen Zusammenfassung so abgeschwächt wurde. Wundern muss ich mich darüber aber schon: Wenn jemand auf einen Abgrund zurennt, flöte ich doch nicht freundlich „Wenn möglich, bitte wenden!“, sondern brülle: „Stopp, sofort abbiegen!“.

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„Wir steuern volle Kraft voraus auf den Abgrund zu“

Grund für diese Warnungen gibt es zur Genüge: Der Bericht zeigt, wenig überraschend, dass die aktuellen Selbstverpflichtungen der Regierungen bei Weitem nicht reichen, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Genau auf dieses Ziel hat man sich ja aber bereits 2015 beim Pariser Klimaabkommen verständigt. Wir steuern also volle Kraft voraus auf den Abgrund zu.

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Doch es gibt auch gute Nachrichten. Denn auch wenn wir bereits 1,1 Grad Erwärmung erreicht haben, es ist weiterhin möglich, die Erderwärmung langfristig auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu müssten die aktuellen Emissionen bis 2030 mindestens halbiert werden, wozu tiefgreifende Veränderungen in allen Sektoren nötig sind – und zwar schnell.

Schlüsselrolle der fossilen Brennstoffe wird sprachlich nicht so deutlich

Unterteilen kann man die verschiedenen Einsparstrategien in Avoid-Shift-Improve, also: vermeiden, verlagern, verbessern. Mit die höchsten Einsparpotenziale, so der Sachstandsbericht, gibt es beispielsweise, wenn wir Langstreckenflüge vermeiden, uns auf eine pflanzenbasierte Ernährung verlagern und die Art und Weise, wie wir energieeffizient bauen, verbessern.

Der Bericht widmet sich auch den Kosten- und Finanzierungsmöglichkeiten, und trägt zusammen, welche politischen Maßnahmen, wie zum Beispiel CO₂-Bepreisung oder das Streichen von Subventionen für fossile Brennstoffe, Erfolge zeigen können. Jim Skea, Co-Vorsitzender des dritten Teilberichts, fasst sich in jedem Fall kurz. Für das 1,5-Grad-Ziel gilt: „Jetzt oder nie“.

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Bei der gebotenen Dringlichkeit ist es umso verwunderlicher, dass die Schlüsselrolle der fossilen Brennstoffe in der Zusammenfassung für politische Entscheidungstragende sprachlich nicht so deutlich wird. Schließlich richtet sich der Text genau an die Menschen, die wirksame politische Instrumente umsetzen könnten – aber eben auch müssen.

Doch wenn sie die Dringlichkeit nicht begreifen, welche Folgen hat das dann? Wie viele Sachstandsberichte werden wohl noch geschrieben werden, bis endlich mal in einer Zusammenfassung steht: „Herzlichen Glückwunsch, liebe Weltengemeinschaft, der Klimawandel ist durch eure erfolgreichen Bemühungen besiegt!“

Insa Thiele-Eich ist Meteorologin und forscht an der Universität Bonn an den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Gesundheit. Seit 2017 trainiert sie im Rahmen der Initiative „Die Astronautin“ als Wissenschaftsastronautin für eine zweiwöchige Mission auf der Internationalen Raumstation – und wäre damit die erste deutsche Frau im All. Hier schreibt sie alle zwei Wochen über Raumfahrt, den Klimawandel und die faszinierende Welt der Wissenschaft.

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