Lotions, Reiniger und Klebstoff können gefährliche Giftstoffe enthalten
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TV6BNFZTXJGR7KTG7OOWES37PM.jpg)
Putzmittel und andere Alltagschemikalien können giftige Substanzen enthalten.
© Quelle: Monika Skolimowska/zb/dpa
Putzmittel machen sauber – und sauber ist gesund. So mögen viele meinen – doch ganz so einfach ist es nicht. Putzmittel und etliche andere Alltagschemikalien können Giftstoffe enthalten, die unter anderem Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder ungeborenes Leben schädigen können, wie ein Forschungsteam im Fachmagazin „Environmental Science & Technology“ warnt. Eine achtsame, zurückhaltende Verwendung sei wichtig – und, dass Hersteller Alternativen entwickeln.
Menschen sind einem Gemisch aus Chemikalien ausgesetzt
Gängige Produkte wie Shampoos, Körperlotionen und Reinigungsmittel können giftige flüchtige organische Verbindungen (VOC) enthalten, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Kristin Knox vom Silent Spring Institute, einer gemeinnützigen Gesundheitsorganisation in den USA, erläutern. Die entweichen demnach als Gase und können sich in der Raumluft anreichern und eine Reihe von Gesundheitsproblemen verursachen.
Europäerinnen und Europäer verbringen Fachleuten zufolge ebenso wie Nordamerikanerinnen und Nordamerikaner im Mittel rund 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen – und sind dort einem komplexen Gemisch von Chemikalien ausgesetzt. „Gegenüber Außenluft- haben Innenraumquellen in Mitteleuropa in der Regel eine deutlich größere gesundheitliche Bedeutung, da sich die Menschen überwiegend in Gebäuden aufhalten“, heißt es beim Umweltbundesamt (UBA) zum Vorkommen flüchtiger organischer Verbindungen. „Zudem ist der Abstand zu den VOC-Quellen drinnen meist geringer.“ Die Verbindungen entweichen demnach zum Beispiel, wenn Lösemittel verdunsten oder flüssige Produkte trocknen. Aber auch aus festen Produkten können solche Stoffe langsam ausgasen.
„Prop 65″: VOC können Krankheiten verursachen
Das Team um Knox nutzte Daten des California Air Resources Board (Carb), das seit Jahrzehnten unter anderem den Gehalt an VOC in Konsumgütern erfasst. Berücksichtigt werden dabei Produkte von Unternehmen, die diese in Kalifornien verkaufen. Neben den VOC-Konzentrationen in verschiedenen Produkttypen werde jeweils auch erfasst, wie viel davon in Kalifornien verkauft wird.
Für die Auswertung seien 33 VOC berücksichtigt worden, die unter dem kalifornischen Gesetz „Prop 65″ (California Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act) aufgeführt seien, weil sie nach aktuellem Wissensstand Krebs auslösen, die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder zu Missbildungen bei Neugeborenen führen können. Andere unter „Prop 65“ aufgeführte giftige Chemikalien wie Blei seien nicht einbezogen worden.
Einige Berufe zählen zu den gefährdeten Gruppen
Bei für den Körper verwendeten Produkten wie Nagellack, Shampoo und Make-up war der Auswertung zufolge Formaldehyd die häufigste „Prop 65“-VOC. Formaldehyd kann die Schleimhäute reizen und Krebs verursachen. Von den Haushaltsprodukten enthielten Allzweckreiniger, Künstlerbedarf und Waschmittel die meisten „Prop 65“-VOC. Und gleich mehr als ein Dutzend Prop-65-VOC enthielten in Kalifornien verkaufte Klebstoffe. Nutzerinnen und Nutzer könnten also bei der Verwendung eines einzigen Produkts gleich mehreren giftigen Chemikalien ausgesetzt sein, heißt es dazu von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Die Belastungen summierten sich und könnten ernsthafte Schäden verursachen, sagte Mitautorin Meg Schwarzman, Ärztin und Umweltmedizinerin an der UC Berkeley School of Public Health. Zu den besonders gefährdeten Gruppen zählen den Autorinnen und Autoren zufolge Menschen, die beruflich mit vielen verschiedenen VOC enthaltenden Produkten in Kontakt kommen: Personal von Nagel- und Friseursalons, Putzkräfte und bestimmte Handwerkerinnen und Handwerker oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Autowerkstätten zum Beispiel.
Reinigungskräfte haben starken Abfall von Lungenfunktion
Für Kalifornien errechnete das Team anhand der Carb-Daten, dass dort im Jahr 2020 aus Konsumgütern mehr als 5000 Tonnen „Prop 65“-VOC in Innenräumen emittiert wurden. Handlungsbedarf sehen die Autorinnen und Autoren unter anderem beim Einsatz von Methanol, Toluol, Ethylenglykol und Formaldehyd. Die Richtlinien zur Verwendung von Substanzen unterscheiden sich in den USA und der EU, die Ergebnisse lassen sich daher nicht direkt übertragen.
Dass Putzmittel nicht nur sauber machen, sondern auch gesundheitsschädlich wirken können, haben bereits mehrere Studien nahegelegt. So wurde in einer 2018 veröffentlichten norwegischen Langzeitstudie festgestellt, dass Menschen, die sehr viel putzten, eine schwächere Lunge hatten als solche, die nie sauber machten. Den stärksten Abfall der Lungenfunktion beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bergen bei Reinigungskräften.
Privatpersonen unter Umständen noch gefährdeter
Ebenjene standen auch im Fokus einer belgischen Studie, in der ein Jahr zuvor berichtet worden war, dass das Sterberisiko männlicher Reinigungsfachkräfte deutlich höher ist als etwa das von Büroangestellten. Privatpersonen könnten sogar noch gefährdeter sein, da sie wenig über entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wüssten sowie die Produkte falsch anwenden oder bedenkenlos kombinieren würden.
Im Fachblatt „Science Advances“ berichtete im Februar 2022 ein Team um Colleen Rosales, zum Zeitpunkt der Studie an der Indiana University, über primäre und sekundäre Emissionen von Putzmitteln, insbesondere „natürlich“ nach Zitrusfrüchten oder Pinie riechenden. Derartige Reiniger enthalten demnach häufig Monoterpene wie Alpha- und Beta-Pinien, Limonene sowie Campher.
Viele Verbraucher und Verbraucherinnen kennen Risiko nicht
Monoterpene werden über die Lunge stark aufgenommen und können sich in fettreichem Gewebe anreichern. Kurzfristige Folge einer Freisetzung solcher Substanzen in die Raumluft können Schleimhautreizungen an Auge, Nase und Rachen sein, wie es beim UBA heißt. Langfristig ist eine dauerhafte Verschlechterung von Lungenfunktionsparametern möglich. Pro Tag atmet der Mensch demnach zehn bis 20 Kubikmeter Luft ein, je nach Alter und je nachdem, wie aktiv er ist. Die eingeatmete Innenraumluft könne eine Vielzahl von Schadstoffen enthalten, die unsere Gesundheit beeinflussen.
Das Team um Knox betont, dass vielen Verbrauchern und Verbraucherinnen nicht ausreichend bewusst sei, dass Konsumgüter wichtige Quellen für eine Exposition gegenüber schädlichen Chemikalien sind. Hersteller und Aufsichtsbehörden seien gefragt, die Zusammensetzung von Produkten abzuändern, um diese Mengen zumindest zu verringern.