Männerfreundschaften: Warum Männer keine Angst vor intimen Gesprächen haben müssen
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Niklas van Lipzig (links) und David Martin (rechts) sind ziemlich beste Freunde – und haben kaum Themen, über die sie nicht reden.
© Quelle: honorman09382
Bier, Fußball und Frauen sind beliebte Gesprächsthemen unter Männern – so das Vorurteil. Doch bei Niklas van Lipzig und David Martin stehen diese Themen nicht auf der Agenda. Stattdessen reden die Freunde aus Köln in ihrem Podcast „dudes.“ brutal ehrlich über Vorhäute, Kinderwunsch – und Masturbation. Die Entertainer pflegen eine besonders enge Freundschaft und haben kein Problem damit, so ehrlich über intime Themen zu sprechen.
Doch viele Männer scheuen solche Gespräche mit ihren Freunden. Warum ist das eigentlich so? Das erklären Niklas van Lipzig und David Martin im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Außerdem verraten sie, was ihre Freundschaft auszeichnet – und was sie sich von Freundschaften zwischen Männern wünschen würden.
Hallo Niklas van Lipzig und David Martin, es ist die berühmte erste Frage, die man Paaren oder auch besten Freunden stellt: Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?
Niklas van Lipzig: David und ich haben in der Festival- und Eventbranche gearbeitet und uns 2015 im Festival Parookaville in Weeze kennengelernt. Wir arbeiteten beide dort, wussten aber nichts voneinander. Nach dem Feierabend habe ich ein paar Leute bei mir beherbergt, weil ich damals noch im benachbarten Ort Kevelaer gewohnt hatte. Unter diesen Leuten war auch David, der bei dieser nächtlichen Aktion nicht so richtig wusste, wo er schlafen soll...
David Martin: … denn eigentlich sollte ich nach Feierabend in einem großen Zelt schlafen. Als ich dann aber vor meinem Zwölf-Mann-Zelt stand, sollte ich das Ding ganz allein aufbauen. Ich hatte ohnehin schon kein Bock darauf, aber als es dann noch anfing, zu regnen, entschloss ich mich dazu, zu diesem unbekannten Typen ins Haus zu gehen. Ich dachte mir: Ich schlafe auch gern auf dem Boden mit Zeitungspapier, Hauptsache ich habe ein Dach über dem Kopf.
Niklas van Lipzig: Er schlief nicht mit Zeitungspapier, sondern in Boxershorts auf meinem Sofa. Ich traf ihn dann im Wohnzimmer – er halbnackt und ich halbnackt – und er entschuldigte sich, dass er bei mir so spontan unterkommen musste. Ich sagte ihm: „Alles cool, und schön, dass du da bist.“ So haben wir uns kennengelernt – und daraus ist dann eine ganz besondere Freundschaft entstanden. It’s a Lovestory! (lacht).
Unsere alltäglichen Gespräche sind mit denen zu vergleichen, die man morgens um drei Uhr nach der Party führt, wenn man angetrunken in der Küche sitzt und noch das letzte Bier gemeinsam trinkt.
Niklas van Lipzig
Was macht Ihre Freundschaft so besonders?
Niklas van Lipzig: Wir sind sehr offen zueinander und haben kaum Tabus. Unsere alltäglichen Gespräche sind mit denen zu vergleichen, die man morgens um drei Uhr nach der Party führt, wenn man angetrunken in der Küche sitzt und noch das letzte Bier gemeinsam trinkt. Das sind Dinge im Leben, über die man sich für gewöhnlich nicht so einfach unterhält und bei denen wir uns oft fragen: „Krass, wie sind wir darauf jetzt gekommen?“ Ich glaube, das macht unsere Freundschaft so außergewöhnlich.
David Martin: Was uns meiner Meinung nach auch so besonders macht, ist, dass wir über den freundschaftlichen Rahmen hinaus etwas kreiert haben, das sehr gut funktioniert. Und das, obwohl wir uns noch gar nicht so lange kennen. Wir lieben es, Podcasts und Videos zu kreieren und technisch aufzubereiten. Auch in unserer Freizeit und wenn wir reisen, finden wir immer wieder Anlässe, um zum Beispiel ein kreatives Video zu drehen. Eine schöne Symbiose aus Arbeit und Alltag.
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Gibt es in Ihrer Freundschaft auch „Tabuthemen“, also Dinge, über die Sie niemals sprechen würden?
Niklas van Lipzig: Grundsätzlich bin ich nie über irgendwelche Fragen oder über irgendein Thema schockiert. Man kann ja immer noch sagen, dass man darüber gerade nicht sprechen möchte. Natürlich wissen wir auch bei einigen Themen, wann wir ruhig zu sein haben – auch im Podcast. Das sind Themen wie Rassismus oder Feminismus. Natürlich ist es wichtig, dass wir alle unsere Meinung dazu haben. Aber die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, den richtigen Leuten das Wort zu überlassen. Bei solchen sensiblen Themen muss man nicht immer der erste sein, der schreit. Man sollte eher den Leuten zuhören, die davon betroffen sind.
David Martin: Genau. Wir zollen den nötigen Respekt gegenüber solchen Themen. Wir machen also auch keine Witze darüber, sondern behalten unsere Ernsthaftigkeit. Ansonsten sprechen wir über so ziemlich alles. Eigentlich geht uns der Gesprächsstoff nie aus.
Auch in den besten Beziehungen – seien sie freundschaftlicher oder romantischer Art – hängt ab und an der Haussegen schief. Hat es denn auch schon mal zwischen Ihnen so richtig gekracht?
Niklas van Lipzig: Wir können stolz sagen, dass wir uns noch nie gestritten haben. Diskutiert haben wir schon, aber das ist auch wichtig. Wir sind sehr kommunikativ und clever genug, um zu sagen, wenn uns etwas stört.
David Martin: Das liegt auch daran, weil unsere Freundschaft so tiefgründig ist. Wir können uns ziemlich gut lesen und wissen genau, wenn sich der eine distanziert. Dann geht der andere auf ihn zu und fragt, was los ist. Aber bislang haben wir uns noch nie angeschwiegen oder sind aus dem Zimmer gestürmt und haben die Tür zugeschlagen, wenn uns mal etwas gestört hat.
Niklas van Lipzig (Ironisch): Und wenn wir uns mal nicht verstehen, hauen wir uns einfach und tauschen im Anschluss Körperlichkeiten aus. Dann ist alles wieder gut (beide lachen).
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Das Entertainer-Duo Niklas und David pflegt eine besonders enge und tiefgründige Freundschaft.
© Quelle: Julias Lieblinge
In Ihrem Podcast „dudes.“ machen sie Ihre Freundschaft zum Thema. Sie reden über intime und auch emotionale Themen – das sind viele Menschen bestimmt nicht so von Männern gewohnt.
Niklas van Lipzig: Richtig. Viele Leute sind sogar etwas verunsichert, wenn sie uns zusehen oder zuhören und fragen sich, ob wir eigentlich ein Paar sind. Das liegt vermutlich daran, dass wir so offen und ehrlich zueinander sind und über intime Dinge sprechen. Ich glaube aber auch, dass sich viele Menschen so eine Freundschaft wünschen und es deshalb auch so sehr genießen, uns dabei zuzuhören.
Männer reden nicht über Gefühle, sondern trinken lieber Bier und schauen Fußball – so das Vorurteil. Bei Ihnen sieht man: Eine Freundschaft zwischen Männern geht auch anders. Aber warum fällt es Männern immer noch so schwer, mit Freunden über gewisse Themen zu sprechen?
Anstelle über Dinge zu sprechen, die vielleicht etwas unangenehm sind, überdecken viele Männer ihre eigenen Unsicherheiten mit Schweigen.
David Martin
David Martin: Ich glaube das größte Problem ist die Offenheit in der Freundschaft und mit sich selbst. Anstelle über Dinge zu sprechen, die vielleicht etwas unangenehm sind, überdecken viele Männer ihre eigenen Unsicherheiten mit Schweigen. Viele Männer sind, was das angeht, einfach nicht so kommunikativ. Sie blocken emotionalere Themen stattdessen ab, weil sie mit ihnen nicht umgehen können.
Niklas van Lipzig: Das ist auch eine Frage der Erziehung. Wir müssen nicht viele Generationen zurückgehen, um noch dieses bekannte Jäger-und-Sammler-Muster bei Männern und Frauen vorzufinden. Aber auch heute werden Geschlechtern teilweise noch solche veralteten Rollen zugeschrieben. Zum Beispiel: Die Mutter erzieht die Kinder, der Vater geht arbeiten. Glücklicherweise wenden wir uns zunehmend davon ab.
Bei Frauen ist es in der Regel noch etwas selbstverständlicher, über tiefgründige Themen zu sprechen. Leben sie ihre Freundschaften etwas besser als Männer?
David Martin: Zumindest sind sie deutlich offener für intime Themen. 70 Prozent unserer Zuhörer sind Frauen, die sich dann auch über unsere Themen wie Bettgeschichten und Intimwäsche austauschen. Ich fände es cool, wenn wir auch mehr Männer hätten, die sich auch dafür öffnen können. Aber das ist etwas, das viele Männer nie gelernt haben. Themen wie der eigene Intimbereich sind unter Frauen auch deshalb nicht tabu, weil sie als Mädchen schon nach der ersten Periode regelmäßig zum Frauenarzt gehen. Sie werden früh daran gewöhnt. Jungen haben diesen Gang zum Urologen meist nicht – sie sind irgendwann zeugungsfähig und werden dann allein gelassen.
Niklas van Lipzig: Ich finde es absolut beneidenswert, dass Frauen so selbstverständlich über intime und emotionale Themen sprechen. Wir haben uns auch deshalb das Ziel gesetzt, mehr Männer zu unserem Podcast einladen und sie für diese Gesprächsthemen zu begeistern. David und ich spielen dabei gar nicht die großen Weltverbesserer, sondern leben einfach vor, wie wir es machen würden. Der Name „dudes.“ ist so etwas wie ein Streich, den wir ihnen spielen. Denn der Name verleitet zu der Annahme, dass es sich um einen Podcast über vermeintlich typische Männerthemen wie Bier und Fußball handelt. Doch wer bei uns reinhört, den erwarten plötzlich zwei Typen, die über ihre Gefühle reden. Vielleicht werden dadurch in Zukunft auch mehr Leute den Begriff „Dudes“ [Kerle, Red.] mit einer anderen Bedeutung assoziieren. Also eben nicht, dass Männer nur Bier trinken – sondern, dass sie auch über andere Dinge reden können.
Was würden Sie sich von Freundschaften zwischen Männern manchmal wünschen?
Es kann mir kein Mann erzählen, dass er nicht manchmal zu Hause sitzt, die Wand anstarrt und am liebsten weinen würde.
Niklas van Lipzig
Niklas van Lipzig: Dass sie mehr aus ihrer Komfortzone rauskommen und etwas mutiger sind. Wir leben in einer Zeit, in der wir alle sehr dankbar sein können, dass wir offener über gewisse Themen sprechen können. Männer sagen aber immer noch ganz häufig zu tiefgründigeren Themen: „Boah nee, wir sind doch zwei Typen!“
David Martin: Ich glaube auch, dass es helfen würde, wenn sich manche Männer die eigenen Probleme zugestehen würden. Der Mann ist zum Beispiel immer dann stolz auf seinen Penis, wenn alles funktioniert und er „die Arbeit macht“. Aber gerade, wenn es um Probleme mit dem Penis geht, will er seinem vermeintlich „besten Stück“ keine Schwächen zugestehen. Deshalb scheuen auch viele den Gang zum Urologen, weil sie nicht realisieren wollen, dass sie untenrum Probleme haben können. So bildet sich schnell ein Staudamm an Gefühlen, den sie nicht öffnen und wodurch sie inneren Frust aufbauen. Dabei ist es ziemlich cool, sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen und mit anderen darüber zu sprechen.
Niklas van Lipzig: Genau. Wir müssen uns abgewöhnen, dass Gefühle zu zeigen ein Zeichen der Schwäche ist. Es kann mir kein Mann erzählen, dass er nicht manchmal zu Hause sitzt, die Wand anstarrt und am liebsten weinen würde. Oder sich manchmal auch in den Schlaf heult. Es ist einfach Blödsinn und es ist nicht evolutionär bedingt, dass Männer nicht weinen, sondern es ist erlernt. Wer meint, das sei eine Schwäche, der tut mir auch einfach ein bisschen leid – das muss ein hartes Leben sein. Denn es kann sehr befreiend sein, wenn man seine Gefühle einfach mal zulässt. Es wäre cool, wenn mehr Männer mit sich selbst ins Reine kommen.