Neuer Job, längeres Leben – Sozialer Aufstieg beeinflusst Alter von Ameisen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EFWRZKCGKVCWPH7RYXVCY3V33M.jpg)
Bestimmte Ameisen können ihre Lebenserwartung immens steigern, indem sie zu einer Art Königin werden.
© Quelle: picture alliance / blickwinkel/J
Philadelphia. Bestimmte Ameisen können ihre Lebenserwartung immens steigern, indem sie zu einer Art Königin werden. Forscher haben jetzt gezeigt, dass sich dabei neben Verhalten und Lebensspanne auch bestimmte neuronale Strukturen verändern – mit Folgen für die Hirngesundheit im Alter. Die Neuronen werden besser gegen Verfall geschützt, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin “Science Advances”. Sie hoffen darauf, dass solche Erkenntnisse im Kampf gegen die Hirnalterung beim Menschen von Nutzen sein können.
Sozialer “Aufstieg” lässt Ameisen fünfmal länger leben
Bei Ameisen der Art Harpegnathos saltator können erwachsene Arbeiterinnen zu sogenannten Gamergaten werden: Arbeiterinnen, die Eier legen und so die Funktion einer Königin übernehmen. Anatomisch sind sie nicht von anderen Arbeiterinnen zu unterscheiden, ihr Verhalten und ihre Lebenserwartung verändern sich aber mit dem sozialen Funktionswechsel drastisch. Ihre mittlere Lebensspanne steigt von sieben Monaten auf drei Jahre. Dieselbe Ameise lebt also plötzlich fünfmal so lange wie die Arbeiterinnen, die eben noch ihre Kolleginnen waren.
Harpegnathos saltator lebt in Kolonien von einigen Hundert Tieren. Die Königin produziert Nachkommen, ihre Arbeiterinnen widmen sich der Futterbeschaffung, dem Nestbau und der Brutpflege. Stirbt die Königin, werden nach aggressiven Auseinandersetzungen einige der Arbeiterinnen zu Gamergaten, die die Reproduktion übernehmen. Ihre typischen Arbeiterinnenaufgaben stellen sie ein, ihr Verhalten wird dominant wie das einer echten Königin.
Tiere entwickeln mehr schützende Gliazellen
Die Forscher um Roberto Bonasio von der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in Philadelphia nahmen nun Analysen des aktiven Erbguts aus Hirnzellen von sechs Arbeiterinnen sowie von fünf Gamergaten jeweils 30 Tage nach deren “Jobwechsel” vor. Die Tiere waren unterschiedlich alt, ein Teil hatte Hirnverletzungen zugefügt bekommen. Die erfassten Daten wurden mit denen anderer sozial lebender Insekten und Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) abgeglichen.
Demnach entstehen bei den Gamergaten deutlich mehr spezielle, regenerationsfördernde Gliazellen im Gehirn. Von solchen Zellen sei bekannt, dass sie bei Fruchtfliegen essenziell für die Hirngesundheit sind: Sie entfernen durch Stress, Verletzungen oder alterungsbedingten Zelltod beschädigte neuronale Strukturen. Bei den Ameisen trage die Zunahme solcher schützender Gliazellen möglicherweise zur verlängerten Lebenserwartung von Gamergaten bei, erläutern die Forscher.
Gliazellen auch für Hirngesundheit bedeutsam
Analysen bei den gezielt mit einer dünnen Nadel am Hirn verletzten Ameisen zeigten den Forschern zufolge, dass die Aktivierung von Reparaturmechanismen bei älteren Arbeiterinnen schwächer ausfiel. Bei ihnen sei der Anteil der regenerationsfördernden Gliazellen vergleichsweise gering. Bei den zu einer Art Königin umgewandelten Tieren blieb der Anteil auch im fortgeschrittenen Alter hoch, dementsprechend fiel auch die Aktivierung der Reparatursysteme bei ihnen stärker aus.
Das altersbedingte Nachlassen von Hirnfunktionen hat großen Einfluss auf das Leben Einzelner und für die Gesellschaft. Das komplexe Zusammenspiel von erblichen und Umweltfaktoren dabei sei bisher nur in Anfängen verstanden, so die Forscher. Es sei anzunehmen, dass der Anteil und die Aktivität von Gliazellen, die im Gehirn beschädigte Strukturen beseitigen, über das gesamte Tierreich hinweg für die Hirngesundheit bedeutsam sind – und darüber auch das Altern beeinflussen.
RND/dpa