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RND-Kolumne „Von oben gesehen“

Russlands Weltraum­pläne sind alles andere als klar

Eine Aufnahme aus der Kamera des Nasa-Astronauten Marshburn zeigt die Internationale Raumstation ISS und die Erde darunter.

Eine Aufnahme aus der Kamera des Nasa-Astronauten Marshburn zeigt die Internationale Raumstation ISS und die Erde darunter.

Kürzlich gab es nach einer Abendveranstaltung am Sommernachtshimmel einen ganz besonderen Gast: Die ISS zog an uns vorüber, und gemeinsam überlegten wir, wie wohl die Zukunft der Raumstation aussehen wird. Keine 24 Stunden später las ich die Nachricht über das angekündigte Aus der Zusammenarbeit mit Russland. Und so sehr sich das bereits abgezeichnet hatte, getroffen hat mich die Nachricht dennoch.

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Wie kam es zu dieser Entscheidung – und was verrät das über Russlands künftige Raumfahrt­ambitionen? Zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine lag es nahe, dass auch die Internationalen Raumstation betroffen sein wird. Und tatsächlich beendete unter anderem das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum im Zuge der Sanktionen die wissenschaftliche Zusammenarbeit im russischen Sektor der Raumstation. Der damalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin lieferte sich hitzige Twitter-Wortgefechte mit dem ehemaligen NASA-Astronauten Scott Kelly, und drohte mehrfach, den russischen Teil von der Internationalen Raumstation zu entkoppeln.

Keine unpolitischen Kommunikationswege

Und auch wenn die alltägliche Zusammenarbeit auf der Raumstation selbst weiterhin reibungslos funktioniert hat, die Zusage Russlands die Laufzeit der Raumstation über 2024 hinaus zu verlängern, blieb aus. Spätestens am 4. Juli schwand dann auch meine anfängliche Hoffnung, dass durch die Internationale Raumstation unpolitische Kommunikationswege offen bleiben: Kosmonauten posierten an Bord der ISS mit Flaggen der international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk – mit dem Wissen, dass zeitgleich in diesen Gebieten Menschen sterben. Die Kosmonauten positionieren sich mit diesen Bildern damit so politisch eindeutig wie nie zuvor auf der Raumstation geschehen.

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Zwei Wochen später wurde überraschend Rogosin durch Jurij Borissow ersetzt – und kurze Zeit darauf folgte die Antwort auf die Frage, ob Russland sich den anderen Partnern bei der Verlängerung der ISS anschließt: Nein. Wie sich in den kommenden Tagen herausstellte, lag diese Entscheidung aber sicher nicht alleinig am Krieg: Flight Director Wladimir Solowjow nannte in einem ausführlichen Interview mit Roskosmos viele Gründe.

Muss man Borissow ernster als Rogosin nehmen?

Das hohe Alter der russischen ISS Module, die teilweise fast 25 Jahre alt sind, aber nur für 15 Jahre Betrieb ausgelegt waren, sorgt für zeitintensive Wartungsarbeiten und lässt so wenig Zeit für Wissenschaft. Ein Gebiet, auf dem laut Solowjow ohnehin nur wenige zufriedenstellende Ergebnisse auf russischer Seite zu verkünden waren. Eine nüchterne Feststellung, die auch erklärt, wieso die in Planung befindliche neue russische Station ROSS (Russian Orbital Service Station) womöglich nur zwei Monate im Jahr besetzt sein wird. Gleichzeitig könnte ROSS auch in einem Orbit platziert werden, der es Russland ermöglicht, das eigene Territorium besser zu beobachten – und die Station könnte als Zwischenstopp für die Reise zum Mond genutzt werden.

Und wann soll es losgehen? Die ersten Module von ROSS sollen, so Solowjow, 2028 ins All gebracht werden. Da die Finanzierung noch nicht steht, ist das ein mehr als sportlicher Zeitrahmen. Im gleichen Interview erklärt Solowjow übrigens, dass Lücken und Pausen im eigenen Raumfahrtprogramm unbedingt vermieden werden müssen und ein nahtloser Übergang von ISS zu ROSS gewünscht ist. Auch einem zeitgleichen Betrieb steht seiner Meinung nach nichts im Wege: Ob und wann die ISS entkoppelt wird, und inwiefern Borissows Äußerungen ernster zu nehmen sind als Rogosins steht also noch gar nicht fest.

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Insa Thiele-Eich ist Meteorologin und forscht an der Universität Bonn an den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Gesundheit. Seit 2017 trainiert sie im Rahmen der Initiative „Die Astronautin“ als Wissenschaftsastronautin für eine zweiwöchige Mission auf der Internationalen Raumstation – und wäre damit die erste deutsche Frau im All. Hier schreibt sie alle zwei Wochen über Raumfahrt, den Klimawandel und die faszinierende Welt der Wissenschaft.

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