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Wenn der Permafrost schmilzt

Immer wärmere Ozeane: Forschende warnen vor Rückkopplungseffekten

Russland, Lenadelta: Luftaufnahme der russischen Tundra im Lena-Delta, das das typische Muster der Permafrostgebiete zeigt.

Russland, Lenadelta: Luftaufnahme der russischen Tundra im Lena-Delta, das das typische Muster der Permafrostgebiete zeigt.

Rückkopplungseffekte könnten die rasant fortschreitende Erderwärmung noch zusätzlich beschleunigen. Voraussagen lassen sie sich aber nur bedingt. Helfen könnte ein Blick in die Vergangenheit der Erde, zeigen Forschende. So habe in der letzten Warmzeit vor der heutigen, dem sogenannten Eem, schmelzendes Grönlandeis die Wasserzirkulation des Atlantiks gestört und höchstwahrscheinlich zur Freisetzung immenser Methanmengen geführt, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachjournal „Proceedings“ der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“).

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Die Forschenden um Syee Weldeab von der University of California in Santa Barbara hatten 128.000 bis 125.000 Jahre zurück bis zum Höhepunkt der Eem-Warmzeit geblickt. Die Ozeane seien zu jener Zeit bis zu zwei Grad wärmer als in der heutigen geologischen Epoche, dem Holozän, gewesen. Das Team, zu dem auch der Meeresgeologe Ralph Schneider von der Universität Kiel gehört, untersuchte Meeressedimente aus dem tropischen Atlantik – und fand Hinweise auf eine außergewöhnlich starke Erwärmung der mittleren Wassersäule.

Wenn sich Wasser in der Tiefe des Meeres erwärmt

Normalerweise wandert warmes, salzhaltiges Wasser von den Tropen entlang der Meeresoberfläche nach Norden und kühlt sich ab, wenn es die nördlichen mittleren und hohen Breitengrade erreicht. Dort sinkt das nun kältere, dichtere Wasser in die Tiefsee und wird zurück in die Tropen transportiert. Das Zusammenspiel der Dichteunterschiede führt zu den heute bekannten Strömungen.

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Das System wird gestört, wenn eine große Menge Süßwasser in den Nordatlantik gelangt, wie die Forschenden erläutern. Die Menge des in die mittlere Tiefe des tropischen Atlantiks strömenden kalten Wassers verringere sich, was zu einer Erwärmung des Wassers in dieser Tiefe führe. Diese Erwärmung sei im Eem stärker ausgefallen als bisher angenommen. „Wir zeigen eine bisher nicht dokumentierte und bemerkenswert starke Erwärmung des Wassers in mittleren Tiefen mit einem Temperaturanstieg von 6,8 Grad gegenüber dem durchschnittlichen Hintergrundwert“, so Weldeab.

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Blick in die Vergangenheit

Die starke Erwärmung auf rund 14 Grad habe ernste Konsequenzen gehabt: Warmes Wasser treffe dann auf Meeressedimente, die reichlich Methanhydrate – eine Mischung aus gefrorenem Wasser und Methan – enthalten. Diese Ablagerungen befänden sich nicht weit unter der Oberfläche des Meeresbodens. Bei einströmendem warmem Wasser beginne sich das Eis aufzulösen und das Klimagas Methan werde frei. Chemische Hinweise auf eine massive Freisetzung im Eem fanden die Forschenden in den Schalen von Mikroorganismen.

Methan ist ein starkes Treibhausgas, rund 25 mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Die Freisetzung führte der Annahme der Forschenden zufolge zu einem Verstärkungseffekt: Die Erwärmung beschleunigte sich noch weiter, was eine beschleunigte Eisschmelze zur Folge hatte, die wiederum zu noch mehr Süßwasser-Eintrag führte – ein Teufelskreis.

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Ob dieser Rückkopplungszyklus in größerem Umfang auch bei der gegenwärtigen globalen Erwärmung zum Tragen kommen wird, ist den Forschenden zufolge noch nicht gesichert. Generell aber sei der Blick in die Vergangenheit ein „nützlicher Ansatz, um abzuschätzen, was kommen könnte“, so Weldeab. „Es muss nicht genau so passieren, wie wir es gefunden haben. Jede Situation ist anders, aber es gibt uns eine Richtung, in die wir blicken können.“

Wie Methan in die Atmosphäre gelangt

Methanhydrate sind in den flachen unterirdischen Sedimenten der marinen Kontinentalränder weit verbreitet. In großen Mengen in die Atmosphäre gelangen könnte das Klimagas zudem beim Tauen von Permafrost, weil über startende Zersetzungsprozesse im aufgetauten Boden Treibhausgase wie Methan freigesetzt werden. Als Permafrost gilt für mindestens zwei Jahre durchgängig gefrorener Untergrund, darüber kann der Boden im Sommer auftauen. Es gibt ihn in bis zu einem Viertel der Landfläche der nördlichen Hemisphäre. Der Großteil stammt noch aus der letzten Eiszeit oder hat sich direkt danach gebildet. An vielen Stellen tauen die oberen Permafrost-Schichten inzwischen bereits.

Methan kann zudem durch Öl- und Gasförderung in die Atmosphäre entweichen und entsteht auch durch Landwirtschaft – etwa Reisanbau und Rinderhaltung – und in Klärwerken und Mülldeponien. Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan führen dazu, dass ein Teil der vom Boden abgegebenen Wärmestrahlung aufgehalten wird und nicht ins Weltall entweicht.

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RND/dpa

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